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MAUSOLEUM UND TATENBERICHT DES AUGUSTUS
VON
ERNST KORNEMANN
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VERLAG UND DRUCK VON B. 6. TEUBNER- LEIPZIG: BERLIN 1921
SOHUTZFORMEL FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN VON AMRRIKA: COPYRIGHT 1931 BY B. G. TEUBNER IN LEIPZIG.
ALLE BECHTE, EINSCHLIESSLICH DES ÜBERSETZUNGSRECHTS, VORBEHALTEN.
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Vorwort.
Im Nachlaß des Augustus fand sich neben anderen Dokumenten ein Bericht über seine Taten mit der Bestimmung, daß derselbe auf zwei ehernen Stelen vor dem Mausoleum angebracht werden solle.!) Das Grabmal des ersten Prinzeps ist schon im Jahre 28 v. Chr. er- richtet. Das erwähnte Dokument, von dem wir Kopien aus Aneyra Apollonia und Antiochia in Pisidien?) besitzen, stellt sich durch den Schlußsatz: [cum scri]psi haec, annum agebam septuagensulmum sex- tum] als geschrieben im Todesjahr des Kaisers, 14 n. Chr., dar. Über 40 Jahre liegen zwischen dem einen und dem anderen Ereignis. Es hat den Anschein, als ob der Kaiser erst im letzten Augenblick dazu übergegangen sei, mit seinem Grabmal den Bericht über das, was er in einem langen Leben im Dienste des Staates vollbracht hatte, in Ver- bindung zu setzen. Doch es hat nur den Anschein: in Wirklichkeit ist es anders. Ich habe schon seit Jahren die Ansicht vertreten®), daß der Tatenbericht sukzessive entstanden ist und mit den ältesten Teilen in den Anfang des Prinzipats hinaufreicht. Wie ich heute weiß, bin ich damit noch nicht zum äußersten Ziele vorgedrungen. Was ich in diesem Buche, das meine früheren Forschungen zum AbschluB bringen soll, nachzuweisen gedenke, gipfelt in dem Satz: Gleichzeitig mit dem Mausoleum selber istauch der erste Entwurf des Taten- berichtes entstanden. Die Res gestae sind, so klein sie natur- gemäß im Anfang auch waren, von vornherein ein integrierender Be- standteil des monumentalen Baues auf dem Marsfeld gewesen. Die
1) Suet. Aug. 101, 4; Cassius Dio 56, 33, 1.
2) Die neuen Fragmente einer lateinischen Kopie der Res gestae aus An- tiochia Pisidiae verdanken wir W. M. Ramsay. Die Fragmente sind nicht sehr‘ umfangreich. Wie R. meint, waren sie auf dem Forum zu beiden Seiten einer dem dortigen Augusteum vorgelagerten Treppe aufgestellt. Im Juli 1914 er- hielt ich von dem glücklichen Finder eine Abschrift mit dem Hinweis, daß die Veröffentlichung im Journal of Rom Stud. erfolgen werde. Ob das während des Krieges geschehen ist, vermag ich nicht zu sagen.
3) Vgl. meine früheren Aufsätze in Klio II 1902, 8. 141—162, Ko III 1908, S. 74—84, [V 1904, S.88—97, V 1905, S. 317—332, XV 1917, S, 214—215.
IV Vorwort. Inhalt
Folge dieser Erkenntnis ist, daß Mausoleum und Tatenbericht nicht mehr wie seither getrennt behandelt werden dürfen. Wer tiefer in den Inhalt des Monumentum Ancyranum eindringen will, muß, wie es im folgenden geschieht, vom Mausoleum ausgehen.
Das Manuskript war schon vor dem Kriege in der Hauptsache fertiggestellt. Nachdem ich vier Jahre lang im Militärdienst ge- standen und in meinem neueu Wirkungskreis mich einigermaßen ein- gelebt habe, ist das Ganze noch einmal einer Revision unterzogen worden. Dabei sind die Resultate von Ed. Meyers Buch über Oae sars Monarchie (Stuttgart-Berlin 1918, 2. Auflage 1919) und von R. Reitzensteins Aufsatz: Die Idee des Principats bei Cicero und Augustus in Nachr. der Gött. Gesellschaft der Wiss. 1917 8.399 ff. und 481ff. noch verarbeitet worden. Auch nach dem Erscheinen von Meyers Werk verdient Reitzensteins tiefschürfende Untersuchung die größte Beachtung seitens der Historiker. Es ist die Vorarbeit zu einer Ent- wicklungsgeschichte des Prinzipats.
Breslau, April 1919.
NOLWOLLN.. a ee II—IV
1 Das Mausoleum des Augustus... . 2 2 2220er. 1—12 II. Die Aufstellung des Tatenberichts vor dem Mausoleum . . . . 12—18 II. Die Entstebungsgeschichte des Tatenberichts ........ . 19—81 1. Das Resultat der Forschung Mommsens . .. . . 2.2... 19— 22
2. Die Schlußredaktion des Tiberius . .. 2... 2220. 22—28
3. Das Urmonument . 2.2... 2:2 nennen 28—40
4, Die Entstehung der Gesamtinschrift . ... 2.220... 40—67
5. Die Zusätze des Augustus nach dem Jahre 23 v. Chr. .. . 67-81 IV. Der literarische Charakter der Inschrift ... 2... 2.2... 81—94 Exkurse und Nachträge. . . . .. 2. 2er ee rennen 95—103
Register... 2 CH rennen 104— 107
I. DAS MAUSOLEUM DES AUGUSTUS
Caesar Octavianus hat drei Jahre nach dem Siege von Actium, im Jahre 28 v. Chr., sich und seinem Geschlecht ein großes Grabmal auf dem nördlichen Teil des Marsfeldes errichtet. Höchst seltsam! In einem Jahre, das angefüllt ist mit tausenderlei Arbeiten und Entwürfen im Dienste des neu zu konstituierenden Staates, baut der damals 35jährige Mann, der nahe dem Höhepunkte seines Ruhmes angelangt ist, sich selber die letzte Ruhestätte.
Sind es menschliche, sind es politische Erwägungen, die ihn ge- leitet haben? Gardthausen!) hat sich für das erste, Hirschfeld?) für das zweite ausgesprochen, ich glaube, wir müssen wie so oft bei der Rekonstruktion von Augustus’ Lebenswerk beides in Betracht ziehen. Der Sieger von Actium hat bei seinem schwächlichen Körper, den er von Natur aus besaß, niemals zu hoffen gewagt, ein alter Mann zu werden. So hat ihm das Schicksal Alexanders, dessen Grabstätte er kurz vorher in Ägypten besucht hatte, wohl immer vor Augen ge- standen, daß er plötzlich einmal abgerufen werden könne mitten aug dem großen Werke des Neubaues heraus. Unter diesen Umständen galt es auch für den Fall seines Todes Vorsorge zu treffen.
Hinter dem einzelnen steht in Rom sein Geschlecht. Keine Ge- schichte der Welt — vielleicht einzig und allein die altjapanische kommt noch in Betracht?) — ist so sehr wie die römische eine Ge- schichte einzelner gentes. Der einzelne ist nur ein Glied in der Kette der Geschlechtsgenossen, die aufeinanderfolgen: wie vor ihm die Ahnen hergehen, so folgen ihm die Kinder und Erben.‘)
Octavian baut nicht sich, sondern seinem Geschlecht das Grab- mal°): dieser Satz gibt den Kern der politischen Erwägungen wieder,
1) Augustus und seine Zeit 12 8. 980. 2) Kl. Schriften 8. 449.
8) K. Rathgen, Staat und Kultur der Japaner (Monographien der Welt- gesch. XXVII, 1907) 8. 82.
4) Man lese nur die bekannten Kapitel bei Polybios VI 53 u. 54 über den römischen Ahnenkult. .
5) Ebenso später Domitian das templum gentis Flaviae auf dem Quiri-
nal, das als Mausoleum des flavischen Kaiserbauses diente, Hirschfeld a. a. O. 8. 463.
92 I. Das Mausoleum des Augustus
die der kränkliche Mann, der im Begriffe stand, zum Prinzeps von Rom aufzusteigen, anstellte. Wird das Schicksal ihm verweigern, das große Werk des Staatsneubaus zu vollenden, so soll es einer aus seinem Geschlechte tun. Die Größe des Grabmals und seine Lage auf dem geheiligten Boden des Marsfeldes sind der äußere Ausdruck der Be- deutung des Geschlechts, das hier bestattet ist; durch das gewaltige Totenhaus sollte für alle Zeiten darauf aufmerksam gemacht werden, wer damals das mächtigste Geschlecht von Rom war und „für alle Zu- kunft zur Herrschaft berufen“!) war.
Aber nicht nur für die Zukunft, sondern auch nach rückwärts, zur Vergangenheit hin redet das Monument zu uns. Octavian ist seit der Adoption durch Caesar ein Angehöriger des iulischen Geschlechta geworden. Daher heißt das neue Grabmal tumulus Iuliorum”) und nicht Octaviorum. Aber es gab schon ein iulisches Familiengrab, und zwar ebenfalls auf dem Marsfeld — wahrscheinlich auf dem südlichen Teil desselben —, in welchem der große Diktator selber begraben war.®) Warum baut da der zweite Iulier, der in Rom die Herrschaft an sich gerissen hat, ein neues iulisches Familiengrab? Hier schauen wir tief in das Innere des neuen Herrschers. Der große Adoptivvater ist der letzte seines Geschlechtes, der Adoptivsohn eröffnet ein Geschlecht der neuen Iulier; sie erhalten auch ein neues Haus für ihre Toten, größer als alle vorhergehenden auf dem Marsfeld (Strabo*) nennt es zo dEioAoywrerov), wie das Geschlecht, das nun schon den zweiten Führer der Nation und des Reiches hervorgebracht hat, nicht mehr übertroffen werden kann.
Aber wie dem Diktator blieb dem Augustus der Sohn versagt. So ist auch das neue Iuliergeschlecht auf die künstliche Fortpflanzung durch Adoption angewiesen und der tumulus Iuliorum wird zum tumulus Caesarum®), das Familiengrab zum „dynastischen Monument“) schon bei Lebzeiten des Erbauers. Denn die in Aussicht genommenen Erben des Prinzipats sterben alle bis auf Tiberius vor dem Prinzeps. Die Reihe der präsumtiven Nachfolger eröffnet des Prinzeps’ Neffe M. Claudius Marcellus, der mit Augustus’ einziger Tochter vermählt und zum Nach-
1) Hirschfeld a. a. O. 8. 449.
2) So Taecitus annal. XVI 6; dagegen III 4 tumulus August, III 9 tu- mulus Caesarum.
3) Cassius Dio 54, 28 nennt es rd mareiov uwnuslov. In Betreff der mut- maßlichen Lage dieses Grabes stimme ich mit Huelsen (Röm. Mitt. 18, 1903, 8. 53f.; Jordan-Huelsen, Topogr. 13 8.496 und 8. 527f.) gegen Hirschfeld (a. &. O. 8. 451) überein. 4) V 3, 8 8. 286.
5) Tac. ann, III 9, Martial Il 69, 2 dafür Onesarum tholus.
6) Jordan-Huelsen, Topogr. I 3 8. 615.
I. Das Mausoleum des Augustus 3
folger bestimmt wird. Nach seinem Tode im Jahre 23 findet er, obwohl ein Claudier, als erster seine Ruhestätte im Iuliergrab.') Und wie er sind auch seine Nachfolger im Mausoleum keine Iulier, im Jahre 12 Agrippa®), im Jahre 9 Drusus.®) Besonders interessant ist der Um- stand, daß auch Agrippa im Augustusgrab Aufnahme findet.‘ Denn er, der eigentliche Kaisermacher des Prinzipates, der zweite Schwieger- sohn des Augustus und seit 18 v. Chr. auch Mitinhaber der tribuni- cia potestas, besaß, als er starb, ebenfalls sein eigenes Grab auf dem Marsfeld, und zwar im Süden desselben in der Nähe von Caesarg Iuliergrab.*) Dieses Grab dürfte wohl erst nach Agrippas Erhebung zum Mitregenten gebaut sein. Der Grund, weshalb Agrippa trotzdem im Mausoleum bestattet wird, kann nur der sein, daß die Söhne des Mitregenten und Schwiegersohnes unterdessen durch Adoption zu Söhnen des Augustus erhoben worden waren und daß man diese da- durch ehren will, daß man den leiblichen Vater in das Totenhaus der Iulier aufnimmt, wie bald danach Livia durch die Aufnahme des Drusus geehrt wird.°)
Erst 30 Jahre nach der Erbauung des Mausoleums findet dann der erste Iulier sein Grab im Mausoleum: L. Iulius Caesar, der jüngere der beiden Enkel und Adoptivsöhne des Augustus. Nach zwei Jahren folgt ihm sein Bruder Gaius®), und zehn Jahre später wird der Schöpfer
1) Verg. Aen. VI 873, Epicedion Drusi v. 6öff., Cassius Dio 53, 20, dazu Hirschfeld a. a. O. S. 452.
2) Cassius Dio 54, 28.
3) Cassius Dio 55, 2, Epicedion Drusi v. 161ff., Hirschfeld S.453; ungenau Suet. Claud. c. 1 und Tac. ann, III 5.
4) Vgl. Cassius Dio 54, 28, wo erzählt wird, daß Agrippa im Mausoleum des Augustus beigesetzt worden sei, xeiroı Idıov dv ru Agsin nedin Aaßdra; über die Lage des Agrippa-Grabes vgl. Jordan-Huelsen, Topogr. 13 S. 572. Mit Recht bezieht Huelsen (Röm. Mitt. 18, 1903, 8. 50f.) die Erzählung des Sueton . (Aug. 97) von dem Prodigium beim letzten Census des Augustus 13 n. Chr, in der eine aedes Agrippae erwähnt wird, auf dieses Monument, das wohl, wenn es nach der Nichtbelegung in eine aedes umgewandelt werden konnte, kaum die Tumulusform wie das Augustusgrab, sondern die Tempelform gehabt hat. Über den Gebrauch von aedes für Grab vgl. Thes. 1. 1. I Sp. 911, 40 u. Sp. 915f.
* 5) Hirschfeld a. a. O. S. 453.
6) Daß Lucius und Gaius Usesar in das Iuliergrab des Augustus aufge- nommen worden sind, ist an und für sich selbstverständlich und wird noch durch die fasti Cuprenses (CIL I? 62, IX 5290) bestätigt, wo es von Gaius heißt: Romae iustit[ium indictum est], donec ossa eius in [malesole[um infer- rentur). Dem steht die Angabe Dios zum Jahre 217 gegenüber (78, 24, 3), wo von Iulia Domna erzählt wird: 76 re oäua abrng ds rip 'Phaunv dvaydtv Ev 5 tod Talov vo ze Aovxiov uvjuerı xarerödn. Hieraus hatte Huelsen (Röm. Mitt. 18, 1908, S. 53) geschlossen, daß ein besonderes Grabmal des Gaius und Lucius vorhanden gewesen sei, das im südlichen Marsfeld gestanden habe. Später aber hat er sich der Ansicht Hirschfelds (Kl. Schriften 8. abbf., vgl.
4 I. Das Mausoleum des Augustus
des Baues endlich mit denen wieder vereinigt, die bestimmt gewesen waren, im Leben seine Nachfolger zu werden; und jetzt kann Strabo (V 236) die Worte niederschreiben: ünd d& & yapanı Hixeal slaıv aurod xal TÜV ovyyevüv xal oixelov. An der Art der Bestattung dieser Männer, die dem ersten Prinzeps im Leben am nächsten gestan- den hatten, kann man am ehesten erkennen, daß Augustus nicht nur eine Herrschaft seiner Persönlichkeit, sondern eine solche seines Ge- schlechtes im Auge gehabt hat. In diesem Monument sind somit die Hoffnungen der beabsichtigten römischen Erbmonarchie ganz wört- lich gesprochen zu Grabe getragen worden. Es ist nicht nur das Grab des ersten Kaisers und der Kaisererben, sondern auch das Grab des Erbkaisertums von Rom geworden.
Wie sah das große Familiengrab der neuen Iulier aus? Wir gehen von der Beschreibung Strabos (V 236) aus: «dEioAoparerov db To MavowAsıov xuAodusvov, Eml vonnldog bumang AsvaoAldov moög To roTeuB au uEya, äygı xogvpig toig deıdaldsı Tüv ÖEvöonv avv- ngspeg' En’ ärgo ulv odv einmv Eorı yalnii od Zeßaorov Kaloapos, od Ö8 TO yayarı Hixal sioıv ahrod nal av Hvyysvöv nal oixslov, Önıodev Ö: ueya Öloog negindrovg davuasrodg Exov' Ev ufon Ö! To nedlo 6 Tijg xavorgag abrod nepißoAog zul oVrog Aldov Asvxod, KUxAD plv megınelusvov Eyov oLöngoOüVv megipoayun, Evrdg 0’ aiysipoıg Kardpvrog.
Nach dieser Schilderung haben wir als Bestandteile der Gesamt- anlage zu unterscheiden: 1. das eigentliche Grabmonument, 2. eine große Parkanlage ringsum, die von vornherein dem öffentlichen Ge- brauch überlassen war (Sueton Aug. 100, 4 spricht von circumiectas silvas et ambulationes in usum populi), 3. das Krematorium.
ebenda 8. 832 Anm. 3) angeschlossen, daß die Kaisersöhne „ein besonderes mit dem Hauptgrab in Verbindung stehendes Monument‘ gehabt hätten (Jor- dan-Huelsen, Topogr. 18 8. 615; vgl. dazu S. 617 mit Anm. 45), und zwar so, daß gelegentlich der Beisetzung der Domna das Augustusgrab selber geöffnet worden sein soll. Ich halte diese Ansicht für verfehlt. Bezüglich der Bei- setzung Domnas gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist sie in das alte Agrippa-Grab, die aedes Agrippae, gebracht worden, das nach dem Tode der Söhne Agrippas als Kenotaph (s.0. 8.3 A.4) auch monumentum Gai et Luci genannt wurde (so Gardthausen, Augustus II 3 8. 737), oder sie ist im nemus Caesarım beigesetzt worden, wo nach Cassius Dio 66, 25, 4 ein usmuslov vorhanden war, das schon Reimarus zu der Stelle mit dem uräue Talod al Aovxiov identi- fiziert hat; anders Huelsen a. a. O. 8. 665 Anm. 84, obwohl er selber ebenda S. 656 nachweist, daß Septimius Severus oder seine Angehörigen hier Besitzungen (horti Getae) gehabt haben. Daher ist mir dies die wahrscheinlichere Lösung. Auf alle Fälle halte ich es für ausgeschlossen, daß das Augustusgrab, in wel- chem seit Nerva keine Bestattung mehr stattgefunden hat, offenbar weil kein Platz mehr da war, der Domna wegen wieder geöffnet wurde.
1. Das Mausoleum des Augustus 5
Das eigentliche Grab war ein Rundbau von mächtigen Dimen- sionen. Was von dem Bau erhalten ist, stimmt zu der Beschreibung Strabos!): eine runde Substruktion von 88 m Durchmesser aus GuB- werk mit Retikulatverkleidung, das Äußere durch %wölf halbkreis- förmige Nischen gegliedert. Diese hohe Substruktion war nach Strabo mit weißen Steinen (Travertin)?) umkleidet. Über dem Steinfundament wölbte sich ein Hügel, der mit immergrünen Bäumen?) bepflanzt war, und auf der Spitze erhob sich die eherne Kolossalstatue Octavians. Der Erdhügel wurde getragen von zwei konzentrischen Mauerringen im Innern, die 45 und 25 m Durchmesser hatten und stellenweise bis zu 30 m Höhe erhalten sind. Das Gesamtgrab zerfiel entsprechend der äußeren Gliederung in zwölf Nischen in ebensoviel Kammern im _ Innern, die an der Peripherie des Baues angeordnet waren. Das Mo- nument, das im Mittelalter unter dem Namen mons Augustus, Augusta :oder l’Austa (Aosta) weiterbestanden hat, ist in einigermaßem intaktem Zustande noch vom Mirabilienschreiber im Anfang des 12. Jahrhun- derts gesehen worden. Er beschreibt es wie folgt: ad portam Flami- miam fecit Octavianus quoddam castellum, quod vocatur Augustum, ubi sepelirentur imperatores, quod tabulatum fuit diversis lapidibus, intus in girum est concavum per occultas vias. In inferiori giro sunt sepulture imperatorum; in unaquaque sepultura sunt littere ita dicentes: 'hec sunt ossa et cinis Nerve imperatoris et victoria quam fecit’ Ante quod stabat statua dei sui, sicut in aliis omnibus sepulchris, in medio sepul- chrorum est absida, ubi sedebat Octavianus ibique erant sacerdotes facientes suas cerimonias. Während Huelsen diesen Bericht für ganz phantastisch erklärt*), glaubt Hirschfeld mit Jordan, daß wir daraus einiges entnehmen dürfen°), vor allem, weil die Inschrift der Urne mit der Asche des Kaisers Nerva, der als letzter in dem Mausoleum beigesetzt worden ist, nicht allzu weit von dem Original sich entfernt.°)
1) Vgl. zum Folgenden Jordan-Huelsen, Topogr. I 3 8. 619f.
2) So Huelsen a.2. 0. 8.619; dagegen Richter, Topogr.? 8. 250; Altmann, Rundbauten S. 47; Gardthausen a. a. O. S. 980 nehmen eine Bekleidung aus Marmorquadern an.
3) Die Bäume bezeichnet Gardthausen I 2 3. 980 als Zypressen, II 8 8. 864 u. 865 dagegen als Pappeln. Strabo hebt nur hervor, daß es immer- grüne Pflanzen waren. Dadurch sind die Pappeln ausgeschlossen. Bemerkens- wert ist, daß das alte Königsgrab bei Vergil, Aen. XI 849ff. (Vorbild oder Nachahmung des Augustusgrabes, darüber unten S. 11 A. 4) mit Steineichen (ilex) bedeckt war. Vielleicht sind dies die immergrünen Bäume des Strabo.
4) A.a. 0. 8. 616 A. 43 und 8. 618 A. 48.
6) Kl. Schriften S. 456. :
6) Alle Inschriften im Innern an den einzelnen Urnen waren offenbar in gleicher Fassung hergestellt. Die Inschrift auf der Urne des Tiberius (CIL VI 887 — Dessau I 164), die im Mittelalter allerdings bis zur Kirche
6 . I. Das Mausoleum des Augustus
Daß die in der Mitte gelegene Grabkammer des Augustus vor den andern irgendwie ausgezeichnet war, ist auch gar nicht so unwahr- scheinlich.!) In jener Zeit, der diese Beschreibung angehört, war das Grab von den Colonna zu einer Burg umgewandelt, wie das Grabmal Hadrians mit einer Kapelle des heiligen Michael auf der Spitze.) Den Untergang brachte dem Denkmal die Niederlage, die die Römer seitens der Tusculaner am 30. Mai 1167 erlitten. Die Sieger zerstörten das Ge- bäude so gründlich, daß seitdem das Innere unter freiem Himmel lag. Noch mancherlei Wandlungen hat es seitdem durchgemacht), bis es heute zum Theater- und Musiksaal geworden ist. Es ist eine der nicht erfüllten Pflichten des italienischen Staates, daß er noch immer nicht eine Ausgrabung und wo möglich eine Freilegung des heute in einem modernen Häuserblock vollständig eingebauten Denkmals vorgenommen hat. Man darf sich wohl der Hoffnung hingeben, daß dies doch noch
8S. Apostoli verschleppt worden war, lautet: ossa | Ti. Caesaris divi Aug. f. | Augusti | pontificis maximi, | trib. pot. XXXIIX, imp. VIII, cos. V. Danach ist für die Inschrift Nervas folgender Text anzunehmen (Hirschfeld a. a. O. 8. 465): ossa Imp. Caesaris Nervae Augusti Germanici pontificis maximi, trib. pot. III, imp. IL, cos. IIII, p. p. In den Worten et victoria quam fecit sieht Hirschfeld eine mißverstandene Erklärung des Namens Germanicus; möglich wäre auch, daß der Satz aus dem vielleicht am Schluß nur noch lesbaren imp. II herausgesponnen ist.
1) Wenn Huelsen sagt (a. a. O.): „Die Existenz einer zentralen Grab- kammer ist nicht nachzuweisen und an sich unwahrscheinlich‘, so geht er über das hinaus, was Hirschfeld im Auge hatte, der das Augustusgrab nur „in der Mitte der übrigen Grabkammern annimmt“, also wohl, wenn ich ihn recht ver- stehe, in der Reihe der anderen Nischen und wohl nur dadurch ausgezeichnet, daß es etwa gegenüber dem Haupteingange des Monumentes lag. Dazu paßt auch die Apsis, die der Mirabilienschreiber für dieses Grab erwähnt.
2) Vgl. Fr. Cerasoli, Documenti inediti medievali circa le terme di Diocle- ziano ed il mausoleo di Augusto (Bull. com. di Roma 23, 1895, 8. 301—308) und Francesco Sabatini, I! Mausoleo di Augusto in des Verfassers Monumenti e reliquie medievali della citta e prov. di Roma I 4, 1907 (eine mehr populär gehaltene Schrift, die vor allem das Schicksal des Monumentes im Mittelalter verfolgt), S. 13 f.
3) Die eingehendste Schilderung der Schicksale des Baues bei Fr. Saba- tini a.a. O0. 8. 13. Im Oktober 1354 ist Cola di Rienzis Leiche in dem Bau verbrannt worden. Goethe schreibt in der italienischen Reise zum 16. Juli 1787: „Heute war Tierhetze in dem Grabmal des Augustus. Dieses große, in- wendig leere, oben offene, ganz runde Gebäude ist jetzt zu einem Kampfplatz, zu einer Ochsenhetze eingerichtet, wie eine Art Amphitheater. Es wird 4—5000 Menschen fassen können. Das Schauspiel selbst hat mich nicht er- baut.“ Eine Reproduktion der Abbildung, die Stefano du Perac auf der 36. Tafel seines Werkes I vestigi dell’ antichitü di Roma (Rom 1575, Neudruck von 1621) gegeben hatte, findet man bei R. Kekule von Stradonitz, Uber Copien einer Frauenstatue aus der Zeit des Phidias, 57. Winckelmannsprogramm (Berlin 1897) S. 3, dazu die Anmerkung 8. 31f. Auch hier sieht man die oben offene Rundung und in der Rundung einen Garten mit ein paar Statuen darin, dem Eingang gegenüber eine Apsis mit einer Statue (s. dazu oben Anm. 1).
I. Das Mausoleum des Augustus 7
einmal geschehen wird; dann wird wohl auch die wichtige Frage, wie der Eingang des Denkmals gestaltet war, gelöst werden. Derselbe lag nach Süden gegen die Stadt hinter der Kirche 8. Rocco. Die Existenz einer Vorhalle vor dem Eingangsportal wird von den besten Kennern bestritten.!) Die zwei Obelisken vor dem Eingang des Baues werden erst von Ammianus Marcellinus XVII 4, 16 und im Breviarium der Notitia?) erwähnt®). Dagegen fehlt jeglicher Hinweis darauf sowohl in der ausführlichen’ Beschreibung des Monuments bei Strabo (V 236) wie bei Plinius, Nat. Hist. XXX VI 70—74, wo er von den Obelisken in Rom spricht. Es ist daher mit Recht die Vermutung ausgesprochen worden, daß die Obelisken an dieser Stelle ‘nicht von vornherein ge- standen haben‘), sondern die Zutat eines späteren Kaisers, wahrschein- lich vom Ende des ersten Jahrhunderts?), sind. Ist das der Fall, dann wird die unten zu begründende Ansicht, daß der Tatenbericht des Kaisers nach dessen Tod auf zwei freistehenden Pfeilern vor dem Ein- gang des Gebäudes angebracht wurde, leichter verständlich, als wenn von vornherein schon die zwei Obelisken dort gestanden hätten. Wir wenden uns zu dem zweiten Teil der augustischen Anlage im Norden des Marsfeldes, den öffentlichen Garten- oder Parkanlagen um das Mausoleum herum. Gardthausen erweckt hier ganz falsche Vorstellungen, wenn er schreibt: „Ein kleines Wäldchen, das Augustus schon früh dem Publikum geöffnet hatte, umfaßte die ganze Anlage und trennte sie vom eigentlichen Marsfelde.“ Sowohl Strabos wie Suetons Beschreibung (s. o. S.4) sagen, was den Umfang betrifft,
1) Huelsen a. a. O. S. 619 Anm. 51; anders die älteren, z. T. sehr phen- tastischen Rekonstruktionsversuche und Gardthausen, Augustus I 3 S. 1278.
2) Jordan, Topogr. IL S. 565; Richter, Topogr.? 8. 377.
3) Sie sind im Jahre 1587 bzw. 1781 fortgebracht worden: der eine steht heute vor S. Maria Maggiore, der andere auf dem Quirinal zwischen den beiden Rossebändigern.
4) So richtig Richter, Topogr.? S. 250 („ungewiß seit wann, aber jeden- falls erst seit Augustus’ Tode errichtet“) und 8. 877: „wann sie vor dem Mau- soleum errichtet wurden, ist nicht bekannt, jedenfalls geschah es aber noch im ersten Jahrh. n. Chr., solange das Mausoleum in Gebrauch blieb“. Die Schlüsse, die Thiersch, Archäolog. Jahrb. 25 (1910) 8.88 aus der Existenz dieser Obelisken, die er offenbar mit dem Bauwerk zusammen aufgestellt sich denkt, gezogen hat, sind also hinfällig. Auch die Pyramide in der Nähe hat mit dem Mausoleum so wenig etwas zu tun, wie diejenige beim Mausoleum Hadriani: Richter, Topogr.* S. 280. i
6) Fr. Sabatini a. a. O0. S. 6 denkt, Marucchi folgend, an Domitian. Ob aber der Erbauer des templum gentis Flavise noch so viel Interesse für die Grabstätte des iulisch-claudischen Hauses hatte? Zu erwägen bliebe doch auch noch, ob nicht nach der Schließung des Grabes (letzte Beisetzung die- jenige des Nerva), also etwa im Beginn der traianischen Regierung, dem Bau dieser Schmuck verliehen wurde. Seit jener Zeit hatte die Aufsicht über das Grab ein kaiserlicher Prokurator, vgl. CIL VI 8686 = Dessau I 1577.
8 I. Das Mausoleum des Augustus
genau das Gegenteil; Strabo spricht von einem ueya &Aoog megındrovg Yavunorovog Erov und Sueton bedient sich wenigstens des Plurals (silvae ei ambulationes). Man hat es also, italienisch gesprochen, mit einem giardino pubblico großen Stils zu tun, der sich vor allem von der Rückseite des Mausoleums (Strabo: örıo®ev) in der Richtung nach der Piazza del Popolo im Norden erstreckte, also zum mindesten das Gebiet zwischen Tiber und Corso nach dem genannten Platz hin um- faßte), vielleicht sogar noch über den Corso hinüber bis zum Fuße des Pincio sich erstreckte. Für die letztere Annahme spricht die Be- stimmung des zu der Anlage gehörigen Ustrinums bei Strabo als dv ufoo co meölm gelegen. Mit anderen Worten: die heutigen Pin- eioanlagen haben ihre antiken Vorgängerinnen an der Stelle des am Fuße des Berges gelegenen Stadtteiles. Sabatini erinnert an’den Namen der kleinen Kirche S. Maria in porta Paradisi an der Via Ripetta nördlich vom Mausoleum und an andere Namen in diesem Stadtteil, die die Erinnerung an den ehemaligen Volksgarten in dieser Gegend wacherhalten haben.?)
Um zum Schluß noch ein Wort über das Ustrinum zu sagen, so wird dasselbe entsprechend der Angabe des Strabo &v ufen zö reölo Östlich vom Mausoleum nahe der Via Flaminia (Corso) lokali- siert. Huelsen (S. 620) bemerkt darüber: „Ausgrabungen im Jahre 1777 haben unter dem Eckhaus des Corso und der Via degli. Otto Cantoni eine Anzahl von Travertincippen zu Tage gefördert, welche teils angeben, daß mehrere jung gestorbene Kinder des Germanicus ‘hier verbrannt’ (also wohl. im Mausoleum beigesetzt)°) seien, teils daß Angehörige des flavischen Kaiserhauses ‘hier ruhen’“. Über die bau- liche Anlage sind wir nur durch Strabos Bericht (s. o. S. 4) unter- richtet. Als heiliger Bezirk war er aus dem umliegenden Park durch eine viereckige Mauer, die ebenfalls wie das Mausoleum mit weißem Stein (Travertin) bekleidet war, herausgeschnitten. Der eigentliche Platz für den Scheiterhaufen in der Mitte (von runder Gestalt) war von einem Eisengeländer umgeben, ringsherum, d. h. zwischen der Umfassungsmauer und dem Geländer, waren Pappeln angepflanzt.
1) Huelsen a. a. O. $. 621 macht darauf aufmerksam, daß das große drei- eckige Gebiet zwischen Via dei Pontefici, Corso und Via Ripetta von antiken Funden so gut wie leer ist. Die Via Ripetta folgt annähernd einer antiken Straße. Lanciani (Forma urbis Romae Taf. 8) hat die suetonischen Worte silvae et ambulationes in das Gebiet zwischen Via dei Pontefici und Visa della Frezza eingetragen.
2) A.a.0. 8.6. Vorbild war das Kyrosgrab, s. am Schluß Exkurs I.
3) Die Worte in den Klammern sind wohl besser zu streichen. Die Kin- der sind wahrscheinlich an Ort und Stelle beigesetzt worden.
I. Das Mausoleum des Augustus 9
Zur Beantwortung der Frage, nach welchem Vorbild Augustus diese Anlage geschaffen hat, sind von archäologischer Seite zwei An- sichten geäußert worden. Thiersch hat auf die alexandrinische Königs- nekropole als Vorbild hingewiesen!), insonderheit auf das gewaltige Mausoleum, Sema genannt, das Philopator nach Thiersch in Tumulus- form für die Mumie Alexanders und die Urnen der ersten Ptolemäer inmitten großer Parkanlagen, wie sie sich „aus den natürlichen Hainen um die Gräber der Heroen entwickelten“, errichtet hatte.?) Altmann dagegen läßt den archaisierenden Augustus auf das altitalische Grab in Tumulusform zurückgreifen®), das vorzeiten auch die Etrusker rezipiert und architektonisch ausgestaltet hatten.*) Die Wahrheit liegt in der Mitte. Thiersch faßt alle Kaisergräber in Rom, nicht nur das iulische des Augustus, sondern auch das flavische des Domitian (tem- plum gentis Flaviae), von dessen Aussehen wir, nebenbei bemerkt, gar keine Vorstellung haben, da es spurlos verschwunden ist®), und das Hadriansgrab (Engelsburg) als Nachahmungen des von Philopator erbauten alexandrinischen Mausoleums auf. Dem gegenüber ist darauf hinzuweisen, daß der hadrianische Bau viel näher als dem tumulus Juliorum einem anderen erhaltenen Grabmal steht, nämlich dem heute „Grab der Christin“ (bei den Arabern Kbour-el-Roumia) genannten Monument, das auf einer Anhöhe nahe dem Meer zwischen Tipasa und Caesarea (Cherchel) in Algier sich erhebt.°) Beide haben im
1) Archäolog. Jahrbuch XXV, 1910, 8. 88. Dieselbe Ansicht habe ich früher (Neue Jahrbb. f. das klass. Alterlum Il, 1899, 8. 122) vertreten; vgl. auch Hirschfeld, Ki. Schr. 8. 449.
2) Über das Sema des Philopator vgl. Thiersch ebenda S.65 und 8. 68ff., an letzterer Stelle unter Heranziehung von Lucian, Phars. VIII 694 ff., besonders der Worte exstructo monte (v. 695), über die Parkanlagen S. 86f., sowie unten Exkurs I.
3) Walter Altmann, Die italischen Rundbauten, Berlin 1906, S. 46; ebenso Gardthausen I 2 S. 980: „Hier baute er sich ein Grabmal, dessen Vorbilder nicht in dem hellenistischen Osten, sondern in den entsprechenden Anlagen der altitalischen Völker zu suchen sind“ und noch einmal II® S. 864f.: „viel wahrscheinlicher scheint es mir, daß die Architekten des Augustus vom ita- lischen tumulus ausgingen“.
4) Vgl. Gardthausen an den in der vorhergehenden Anm. zitierten Stellen und G. Körte im Artikel Etrusker bei Pauly-Wissowa VI Sp. 740f.; dazu jetzt die Ergebnisse der Ausgrabungen Mengarellis in Caere.
6) Vgl. Jordan-Huelsen, Topogr. I 3 8. 425f.
6) St. Gsell, Les monuments antiques de V Afrique I, Paris 1901, 8. 69 ff. mit Abbildungen; G. Boissier, L’Afrique Romaine, 5. Aufl., Paris 1912, 8. 29; Adolf Schulten, Das römische Afrika, Leipzig 1899, 8. 18f.; Walter Thieling, Der Hellenismus in Kleinafrika, Leipzig (Teubner) 1911, 8. 186f. Das Denk- mal hat auch Vorbilder in den einheimischen Rundgräbern, deren vornehmster Vertreter der sog. Medrasen in der Nähe von Souana, südlich von Cirta, eben- fells ein Fürstengrab, ist. Schon Gsell macht mit Recht auf den einheimisch-
10 1. Das Mausoleum des Augustus
Gegensatz zum Augustusgrab einen quadratischen Unterbau, darüber erst baut sich der Rundbau, der die Grabkammer in der Mitte birgt, auf, mit einem Durchmesser (in beiden Fällen) von 64 m.!) Die afrikanische Rotunde ist mit einem Kranz von 60 Halbsäulen um- geben®), und etwas Ähnliches wird für das Hadriansgrab vermutet.®) „In seinem Innern aber führt sanft ansteigend und genau, wie es Strabo für das (alexandrinische) Paneion beschreibt und wie es am römischen Mausoleum Hadrians noch heute erhalten ist, dı@ xoyAlov, d. i. ‘schneckenartig’ ein enger Korridor zu der genau in der Mitte... ausgesparten Grabkammer.“*) Mit großer Wahrscheinlichkeit nun wird das afrikanische Bauwerk mit dem von Pomponius Mela°) erwähnten monumentum commune regiae gentis identifiziert und Juba II. von Mau- retanien, dem Zeitgenossen und Freunde des Augustus, als Erbauer zugewiesen.®°) Dieser mauretanische Fürst aber war mit Kleopatra Selene, der Tochter des Antonius und der Kleopatra, also der „letzten Ptolemäerin“, vermählt. Was liegt näher als die Annahme, daß wir in dem afrikanischen Monument die erste große Nachahmung des Sema von Alexandrien vor Augen haben wie im Hadriansgrab, der Ruhe- stätte des großen Ägyptophilen auf dem römischen Kaiserthrone, die zweite? Gegenüber dieser Entwicklungsreihe, die also das Alexander- und Ptolemäergrab des Philopator in Alexandreia in mehr oder weniger getreuen Kopien aufweist, bietet der tumulus Iuliorum mancherlei Be- sonderheiten, die ich als den italischen Einschlag bezeichnen möchte. Die Gesamitanlage, besonders der große Park hinter dem Monument, der Vorläufer der heutigen Pineioanlagen in der Ebene, vielleicht auch das Krematorium”), sind möglicherweise Anlehnungen an das, was Octavian in Alexandreia kurz vorher gesehen hatte, und was dort als 'eine Kombination des heiligen Haines um das altgriechische Heroen- heiligtum®) mit der Pracht der Luxusgärten der orientalischen und
hellenistischen Mischcharakter der Anlage aufmerksam, hat jedoch den alexan- drinischen Einschlag, auf den Thiersch hinweist, unterschätzt.
1) Für das afrikanische Grab vgl. Gsell a. a. O. S. 69, für das Hadrians- grab O. Richter, Topographie der Stadt Rom? 8. 279.
2) Gsell a. a. O. 8. 69f.
3) Gliederung durch Pilaster, vgl. Huelsen, Röm. Mitteilungen VI, 1891, S. 189, nebst dem Rekonstruktionsversuch Borgattis dortselbst (wiederholt bei Richter, Topogr.? 8. 278), abgelehnt durch Furtwängler, Münch. Sitz.-Ber. 1904, 8. 409), dazu Jordan-Huelsen, Topogr. I 8 S. 667 Anm. 117.
4) Thiersch, Archäolog. Jahrb. XXV 8. 89, vgl. die Abbildung bei Gsell 8. 8. 0. 8. 70. 5) De chorogr. I 6, 31. .
6) Gsell a. a. O. 8. 73f.;, Thiersch a. a. O. S. 89 f.
7) Thiersch a. a. O. S. 88 f.
8) Vgl. die Schilderung des Protesilaos-Grabes in Elaius auf der thrakischen Chersones bei Herodot IX 116: &» y&o ’Eiusobvrı zig KXeggovijoov &orl IIpwre-
J. Das Mausoleum des Augustus 11
hellenistischen Könige (nao«dsı60:)!) aufgefaßt werden muß. Das Rundgrab selber dagegen ist, wenn auch möglicherweise einzelnes in der Innenanlage ebenfalls noch dem großen alexandrinischen Muster entnommen ist?), in der Hauptsache doch italischen Vorbildern ent- lehnt. Hierher möchte ich vor allem das Fehlen der quadratischen Basis, den Unterbau des Tumulus vermittels konzentrischer Mauerringe, die Erdaufschüttung auf dem Dache und die Bepflanzung desselben bis zur Spitze hinauf mit immergrünen Bäumen rechnen.?) Denn nur das alte Königsgrab, das uns Vergil, Aen. XI 849 ff. beschreibt, zeigt diese letztere Eigentümlichkeit?), die wir bis jetzt bei keinem griechischen Grab und keiner Anlage des Ostens nachzuweisen vermögen.) End- lich weist in der gleichen Richtung die offizielle Bezeichnung des Grabes als tummlus Iuliorum.®) Auf keinen Fall ist das gewaltige Rundgrab bei der Existenz so vieler Tumuli auf italischer Erde aus alter Zeit”) vom Volk als etwas Importiertes empfunden worden, und
Gilsm ta&pog te nal r£Eusvog megl aördv mit einem Heiligtum (isedv), Thu- kyd. VIII 102, 3; über die Ulmen dieses v£usvog Plinius Nat. Hist. XV1238, dazu Türk bei Roscher, Lexikon IlI Sp. 8164f. oder die Schilderung des Diomedes- Grabes auf einer der Tremiti-Inseln gegenüber dem Garganus bei Plinius Nat. Hist. X 126f. (tumulus atque delubrum) mit Platanen im r&usvog: Plinius ebenda XIl 6, dazu Maximilian Mayer, Apulien, Leipzig (Teubner) 1914, S.40 u. 8.401. Wenn der ausgezeichnete Forscher, der unser Wissen über den Süden Alt- italiens so ungemein bereichert hat, an der zweiten Stelle nicht nur von Bäumen neben, sondern auch auf dem Grabhügel vermutungsweise spricht, so liegt für diese Vermutung in den Quellen kein Anhalt vor.
1) Dazu Marie Gothein, Der griech. Garten, Athen. Mitt. 34, 1909, 8. 182 ff.; Michael Rostowzew, Hellenistisch-römische Architekturlandschaft, Röm. Mitt. 26, 1911, S. 48, sowie unten Exkurs I.
2) Darauf legt Thiersch (S. 88f.) besonderen Wert, ebenso beim Mauso- leum Hadrians $. 87, dazu Hirschfeld a. a. O. 8. 465.
3) Ich betone nochmals, nicht das Rundgrab als solches, sondern in der bestimmten oben gekennzeichneten Form sehe ich als italische Eigentümlich- keit an. Das Rundgrab begegnet auch außerhalb Italiens, z. B. in Mitteleuropa, in Nordafrika und, was den Osten betrifft, im ganzen makedonisch-thrakisch- phrygischen Kulturkreis, wo zahlreiche Fürstengräber, die Tumuli der Mer- mnaden bei Sardes, die Attalidengräber bei Pergamon, das Grab der Skythen- fürsten in Südrußland u. a. m. zu nennen sind, vgl. F. Adler, Zeitschrift für Bauwesen 50 (1900) Sp. 4 und 19.
4) Fuit ingens monte sub alto | regis Dercenni terreno ex aggere bustum | an- tiqui Laurentis opacagque ilice tectum. Das Zeugnis verliert seinen Wert, wenn Vergil hier das Augustusgrab, was nicht unmöglich ist, vor Augen hat. Über die Frage nach der Baumart des Augustusgrabes, die vielleicht von hier aus gelöst werden kann, vgl. oben S. 5 Anm. 3.
6) Die entgegenstehende Ansicht von Mayer, Apulien S. 401 (s. S. 10 Anm. 8) hat keine Stütze in den Quellen.
6) 8. oben 8.2 mit Anm. 2. Die Bezeichnung Mausoleum ist eine über- tragene, vgl. Strabo V p. 236: zö MavoaAsıov nalodusvonr,
7) M. Mayer, Apulien 8. 40.
12 II. Die Aufstellung des Tatenberichts vor dem Mausoleum
von Octavian, der eben aus Ägypten als Sieger über die Könige des Ostens heimgekehrt war, wäre es nicht klug gewesen, ein Königsgrab in getreuer Nachahmung des alexandrinischen den Römern vor Augen zu stellen. Dafür spricht auch nicht der Inhalt des „Urmonuments“, das, wie wir im dritten Abschnitt?!) zeigen werden, gleichzeitig mit dem Bau des Mausoleums entstanden ist. Der Sieger von Actium, der dort in aller Kürze seine Taten und die vom Senat und Volk ihm er- wiesenen Ehren schildert, ist kein orientalischer Sultan, wie sein Gegner Antonius, sondern ein römischer Bürger, der die Hauptstadt, Italien und den Westen gegenüber der ptolemäischen Königspolitik verteidigt hatte. Während Antonius im letzten „Königsgrab“ auf ägyptischer Erde, demjenigen seiner Gemahlin Kleopatra?), bestattet worden war, und während seine Tochter bzw. deren Gemahl auf afri- kanischer Erde ein Königsgrab nach alexandrinischem Muster baute, errichtet sich der Sieger von Actium in Rom ein Familiengrab in heimischer Form, das er aber mit dem umgebenden Park „zu einem öffentlichen Denkmal und zu einem Prachtbau“ gestaltet, „von dessen Großartigkeit uns Strabos kurze Schilderung wie die noch erhaltenen Ruinen Zeugnis ablegen“.®)
IL. DIE AUFSTELLUNG DES TATENBERICHTS VOR DEM MAUSOLEUM‘)
Die entscheidenden Stellen über die Art der Aufstellung des Tatenberichts vor dem Mausoleum lauten:
Überschrift der Ancyraner Kopie: Rerum gestarum divi Augusti ER incisarum in duabus aheneis pilis, quae sunt Romae positae;
Sueton, Aug. 101, 4: indicem rerum a se gestarum, quem vellet incidi in aeneis tabulis, quae ante Mausoleum statuerentur;
Cassius Dio 56, 33: z& &oya & Engabe ndvre, & xal &g yaixäg SrijAug noög To Hom@ abroü oradeisug dvaypapijvaı Euelevse.
1) S. unten $, 28 ff.
2) Auch das Kleopatra-Grab war ein Teil der alexandrinischen Königs- nekropole (so richtig Thiersch a. a. O. 8.59); über den Bau ebenda 8. 66: „Die gelegentlichen Bemerkungen Plutarchs über das Mausoleum der Kleopatra sind so anschaulich, daß man sieht, es handelte sich hier um einen wenigstens zwei- stöckigen Fassadenbau von einer Gliederung und Pracht, wie sie heute noch die mir immer als alexandrinisch erschienenen schönsten Felsfassaden von Petra reflektieren.“
3) Hirschfeld a. a. O. S. 449.
4) Vgl. zum Folgenden meine Ausführungen in Klio XIV, 1914, 8. 377—380.
"1. Die Aufstellung des Tatenberichts vor dem Mausoleum 13
Auf diesen Quellenstellen ruht die herrschende Ansicht der Neue- ren, die am eingehendsten H. Nissen begründet hat!), wonach der augustische Tatenbericht am kaiserlichen Mausoleum selber und zwar “ zu beiden Seiten der Eingangstür angebracht gewesen sei. Der ge- nannte Forscher faßt seine Ansicht folgendermaßen zusammen: „Beide Angaben (des Sueton und der Ancyraner Kopie) lassen sich unge- zwungen dahin vereinigen, daß es nicht freistehende, sondern flach an die Wand gelehnte Stelen gewesen sind. Aber merkwürdigerweise war der einheitliche untrennbare Inhalt auf zwei Stelen verteilt, wäh- rend man doch ebensogut durch Wahl einer breiteren Stele mit zwei Schriftkolumnen allen Anforderungen an Raum, Lesbarkeit und Zu- sammengehörigkeit hätte genügen können. Ohne Zweifel haben die beiden Erzpfeiler eine Stelle eingenommen, welche sie als engverbun- dene Hälften eines Ganzen sofort erkennbar macht. Das Mausoleum bot einen einzigen hierfür geeigneten Ort, zugleich den ausgezeich- netsten am ganzen Gebäude, nämlich den Eingang.“ Diese Ansicht teilen, um nur die hervorragendsten Forscher zu nennen, Th. Momm- sen?), Otto Hirschfeld®), E.Bormann*), Joh. Schmidt.) Ihr hat Gardt- hausen eine andere gegenübergestellt®), die sich von dem, was die Quellen aussagen, noch weiter entfernt. Er bietet folgende Phanta- sien: „Zwischen dem Wäldchen (er meint damit die großartigen Park- anlagen rings um das Grabmal [s. darüber oben S. 7]) und dem Mau- soleum erhob sich eine Ringmauer, die nur gegen die Stadt hin einen Eingang mit zwei Erzpfeilern hatte. Auf den breiten Binnenflächen dieser beiden Eingangspfeiler hatte der Kaiser Augustus sich und seiner Regierung ein Denkmal gesetzt, wie es nur sehr wenige Herr- scher besitzen und das an geschichtlichem Wert alle anderen Zeug- nisse weit übertrifft; hier sah man einst die Königin aller Inschriften den Index rerum gestarum Divi Augusti“. In einer Anmerkung hierzu (I S. 874£.) muß der Forscher aber selber zugeben: „Von der Ring- mauer (um das Grabmal) ist allerdings nichts gesagt und nichts er- halten. Allein das Grab mußte von dem Wäldchen mit seinen Spazier- gängen durch eine Mauer, die ich mir ebenfalls kreisförmig denke, getrennt sein. Ein durchsichtiges Geländer, wie die Rekonstruktionen eg zeigen, genügte nicht für den Ernst eines Grabmals. Die Inschrift war nach Sueton vor, nach Cassius Dio am Grabmal des Augustus an-
1) Rhein. Mus. 41, 1886, 8. 483 f.
2) Res gestae p. IX und Ges. Schr. IV8. 249. 3) Kleine Schriften 8. 456 f. 4) Zeitschr. f. d. Gymn.- Wesen 60 (1896) S. 531 Anm. 1.
5) Philologus 45 (1886) 8. 403.
6) Augustus 1 8. 1279 £., II 8. 874f.
Kornemann, Mausoleum des Augustus 2
14 II. Die Aufstellung des Tatenberichts vor dem Mausoleum
gebracht. Beides ist richtig; sie war in Erztafeln eingegraben an den beiden vorspringenden Pfeilern der Umfassungsmauer, welche den Ein- gang flankierten.... Man kann die Umfassungsmauer dem Grabmal entgegensetzen, oder sie als einen Teil desselben betrachten.“
Alle diese Aufstellungen der Neueren sind falsch. Wir müssen zu den Quellen zurückkehren, um das Richtige zu finden. Sueton sagt, daß die aeneae tabulae vor dem Mausoleum aufgestellt waren. Der dionische Bericht, der nicht aus Sueton selbst!), sondern höchstens aus derselben Quelle, wahrscheinlich dem Testament des Augustus, stammt ?), unterscheidet sich in zwei Punkten von demjenigen des Biographen: er nennt 1) Stelen statt der Tafeln als Träger der Inschrift und läßt 2) die Inschriftstelen aufgestellt sein mgög r& 7oww. Diese Worte können sehr wohl „am Heroon“ bedeuten?°), geradesogut aber auch „bei“, „vor“ oder „in der Nähe des Heroons“. Welche der beiden möglichen Interpretationen die richtige ist, wird durch die Überschrift der An- cyraner Kopie entschieden. Hier wird das Mausoleum überhaupt nicht erwähnt, wir erfahren vielmehr, daß die zwei Inschriftstelen des Ori- ginals (die Zahl wird nur hier angegeben) in Rom aufgestellt waren, eine Ausdrucksweise, die doch eigentlich nur die Deutung zuläßt, daß die Stelen frei in der Erde standen, und zwar, wenn man nun hiermit die Schriftstellerzeugnisse kombiniert, vor dem Mausoleum, etwa einige Schritte vor dem Eingang, so daß der zur Tür des Mausoleums Hin- gehende zwischen den beiden Pfeilern hindurchschritt. Eine allge- meine Erwägung, daß es so und nicht anders gewesen sein kann, soll diese Interpretation noch stützen. Wir haben im ersten Teil gesehen, daß das Mausoleum schon im Jahre 28 v. Chr. fertig erbaut worden ist. Der Prinzeps, der die Veröffentlichung des Berichtes erst im Testa- ment anordnete, hätte, die Richtigkeit der Nissenschen Ansicht voraus- . gesetzt, die Anbringung der großen Inschriftenpfeiler an dem schon bestehenden Gebäude befohlen, was ohne Eingriffe in die Architektur wohl kaum möglich gewesen wäre.t) Wieviel einfacher war es, be- sondere Stelen zur Aufnahme des Berichts vor dem Gebäude ins Auge zu fassen.
1) Anders Mommsen, Res gestae’, Kommentar S. 1; Hirschfeld, KT. Schr. S. 881; Nissen, Rh. Mus. 41 8. 481. Dio hat auch insofern ein Plus, als er von vier, Sueton nur von drei (mandata de funere suo, index rerum gestarum, breviarium totius impersi) im Nachlaß des Augustus gefundenen Urkunden redet. Was Dio als viertes Dokument aufführt, sind Ermahnungen an Tiberius über die künftige Regierung des Reiches.
2) Joh. Schmidt, Philol. 46, 1886, 8. 403.
3) So Nissen, Rh. Mus. 41 S. 482 und 488.
4) Zumpt, Caesaris Augusti index S. 88, hatte hieran auch schon Anstoß genommen.
U. Die Aufstellung des Tatenberichts vor dem Mausoleum 15
Dasselbe Problem, das ich seither quellenkritisch zu lösen ver- sucht habe, ist von F. Koepp vom archäologischen Standpunkt aus angefaßt worden.!) Die Kopie von Ancyra ist bekanntlich auf den beiden vorspringenden Anten im Pronaos des dortigen Augusteums angebracht und zwar in je drei Kolumnen gegliedert. Der in den Pro- naos Eintretende mußte sich, wenn er die Inschrift lesen wollte, zu- nächst nach links wenden, dann kehrt machen und vor die gegenüber- liegende Seite treten. Die Verteilung auf die sechs Kolumnen ist höchst ungeschickt. Auf der linken Seite ist über die drei Kolumnen hinweg die weitschweifige Überschrift der Kopie geschrieben, und die darunter stehenden Kolumnen umfassen 46 + 46 + 43 = 135 Zeilen, die gegenüber angebrachten drei Kolumnen dagegen 54 + 54 + 28 — 136 Zeilen. Demgegenüber sollte man links eine Verteilung 45: 45:45 und rechts eine solche 46:45:45 erwarten. Die unsymme- trische Kolumnengliederung fällt offenbar dem Hersteller der ancyra- nischen Kopie zur Last. Das Schlimmste daran ist, daß die letzte Ko- lumne nur etwa zur Hälfte gefüllt ist und daß man auf den leeren Raum noch eine dem Original sicher fremde Zusammenfassung der wichtigsten impensae gesetzt hat, die nur 15 Zeilen groß ist und somit zur völligen Ausfüllung des Raumes auch noch nicht genügt. Was aber dem Ancyraner Steinmetzen nicht aufs Konto zu setzen ist, dürfte wohl die fast völlige Gleichzahl der Zeilensumme links (135) und der- jenigen rechts (136) sein, zumal mit der ersten Zeile der rechten Hälfte auch ein neues Kapitel (c. 19) beginnt, so daß c. 1—18 links, c. 19 bis 35 rechts stehen. Wie ein Schüler Koepps, Klaeyle, gesehen hat, scheint diese Zerteilung durch die Anbringung des Originals auf zwei Pfeilern bedingt zu sein, wobei möglicherweise die eine fehlende Zeile links von der kurzen Überschrift des Originals Res gestae Divi Augusti ausgefüllt war.°) Das ergab Pfeiler, bei denen — nach der Kopie von Ancyra berechnet — die Breite allein schon des Inschriftfeldes zur Höhe sich verhielt wie 1:5"/,. Bei diesem Tatbestand glaubte Koepp zunächst nicht an freistehende Pfeiler, sondern fühlte sich zu der von Nissen vertretenen Ansicht hingedrängt, „daß mit den Erz- platten die Türpfosten des Mausoleums verkleidet gewesen seien“. Zur Stütze seiner Ansicht fügt er noch hinzu: „Der Ausdruck des Sueton und des Dio schien eine solche Annahme nicht auszuschließen, und die enge Zusammengehörigkeit der beiden Pfeiler, die durch die Art der Verteilung der Inschrift bezeugt ward, schien geradezu für eine architektonische Verbindung zu sprechen.“
1) Röm. Mitt. XIX, 1904, 8. 51ff. 2) So. ebenfalls, wenn auch zweifelnd
Koepp 2. 8.0. 8. 57, dazu Klio V 8. 382 Anm. 2. 2”
16 It. Die Aufstellung des Tatenberichts vor dem Mausoleum
Demgegenüber hat Huelsen!) zum ersten Male mit Recht auf die . Notwendigkeit hingewiesen, sich nach einer Analogie umzusehen, und
diese in den großen Pfeilern gefunden, die die acia ludorum saecula- rium tragen. Auf dem erhaltenen Teil des Pfeilers mit den acta des Augustus, der.in seinem jetzigen Zustand 3,02 m hoch ist, stehen 166 Zeilen zu durchschnittlich 80 Buchstaben bei einer Pfeilerbreite von 1,12 m, während die ursprüngliche Höhe mit dem oberen Abschluß wohl 4,4 m (= 15 röm. Fuß) betrug. Das Monumentum Ancyranum hat etwa 60 Buchstaben in der Zeile. Bei gleicher Buchstabengröße wie bei den acta ergäbe das für das Original der Augustus-Inschrift eine Kolumnenbreite von 0,84 cm und eine Höhe des Inschriftfeldes von 2,45 m ohne Überschrift, d. h. Pfeiler von etwa 3 röm. Fuß Breite und 12 Fuß Höhe. Damit ist das, was wir oben aus den Quellen er- schlossen haben, als möglich dargetan.
Aber die Annahme freistehender Pfeiler ist auch von hier aus nicht nur als möglich, sondern als notwendig zu erweisen. Man braucht nur den von Huelsen zuerst beschrittenen Weg zum Suchen nach Ana- logien fortzusetzen. In dem Ehrendekret der Pisaner für L. Caesar vom Jahre 3 n. Chr.?) heißt es, worauf Hirschfeld schon vor Jahren hingewiesen hatte?), Z.29£.: (uti) cippo grandi secundum aram defixso hoc decretum cum superioribus decretis ad ei[us] honores pertinentibus incidatur insculpaturve. Auch hier handelt es sich um einen großen freistehenden Inschriftenpfeiler neben einem sakralen Zwecken dienen- den Monument, dessen Errichtung zeitlich unseren Pfeilern mit der Augustus-Inschrift noch vorausliegt. Nur trägt dieser cippus grandis die Ehrenbeschlüsse einer Gemeinde, und das Material, aus dem er be- steht, ist Marmor.
Dies leitet uns hinüber nach dem Ursprungsland für diese Art öffentlicher Aufstellung von Ehrendenkmälern, nach Griechenland.t) Man braucht nur das Handbuch von Larfeld aufzuschlagen®), um Par- allelen in Hülle und Fülle, auch in bezug auf die Ausdrucksweise bei Angabe des Aufstellungsortes solcher Ehren-Inschriftenstelen beizu- bringen. Zur Illustration der suetonischen Worte ante mausoleum und der dionischen zo0g 6 no@®o vgl. man Ausdrücke wie: nodo®er tg oroüg vüg Baoılelag, Eumgoodsv tod Bovisvrnolov, wood [roü ieg0Ö ...]oüö Aıög tod Tlavönluov], naoa zov ven rg Arumroos,
1) Bei Koepp a. a. O0. 8. 57ff. 2) CIL XI 1420 = Dessau I 139.
8) Wien. Stud. VII, 1885, 8. 172 = Kl. Schr. S. 831.
4) Vgl. A. Wilhelm, Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde S. 235ff.
5) Larfeld, Handbuch d. griech. Epigr. II? S. Tı6fl.; Derselbe, Griech. Epigraphik® S. 111f.; dazu unten Exkurs II.
U. Die Aufstellung des Tatenberichts vor dem Mausoleum 17
age Tbv ven od Arovvoov, nodg rel Hrodı Tod Jıds, nodg rüL noonVAoı Tod legoü, age rov ve rg TIoAıadog.. Zu den Worten ineidi... statuerentur und oradeloug dvaygapijvaı vgl. die Formel svaygdapeı el orljocı in diesen griechischen Inschriften. Was das Material betrifft, so war in Hellas die Marmorstele häufiger als der eherne Pfeiler!). Der Fall, daß zwei oder gar drei Stelen zur Auf- nahme einer Inschrift benötigt werden, ist aber auch drüben nach- gewiesen: eig orijAaıv Övolv Audlvaıv, Ev orjAnıg Audlvaıg Övoiv, &v duporkouug tals orikaıg, dv voiol orijAuıs, eis ornAug Audlvag Odo.?)
Wie schon im ersten Abschnitt angedeutet worden ist, sind die beiden Obelisken vor dem Mausoleum wahrscheinlich die Zutat eines späteren Kaisers. Bei dieser Auffassung gewinnen wir Raum für die freistehenden Inschriftenstelen vor dem Eingang des Grabmals.°)
Zum Schluß sind noch ein paar Einzelheiten zu besprechen. Man hat Anstoß genommen an der Bezeichnung tabulae im suetonischen Text und einen Ausgleich zwischen ihm und den beiden anderen Quel- len dadurch herzustellen versucht, daß man Stelen aus Stein und an diesen Tafeln aus Erz vermutet hat.*) Hier ist alles Harmonisieren ver- fehlt. Die Ancyraner Kopie und Cassius Dio sprechen in ganz gleicher Weise von ehernen Pfeilern oder Stelen, also sind die Stelen und nicht nur die an denselben angebrachten Tafeln aus Erz gewesen: die Angabe des Sueton ist, wie so oft, ungenau.
Endlich bleibt noch die Frage zu beantworten, auf welcher Seite die vor dem Mausoleum im Boden stehenden Pfeiler beschrieben waren. Wir müssen an jedem Pfeiler eine Schmalseite und eine Breitseite, letztere zur Aufnahme der Inschrift, unterscheiden. Es gibt nun zwei Möglichkeiten: entweder waren die Pfeiler so aufgestellt, daß die Breit- seiten nach vorwärts, d.h. dem auf das Grabmal Zuschreitenden ent- gegen schauten, oder die Pfeiler standen so, daß die Schmalseiten zu- nächst sichtbar wurden und die Inschrift auf den breiten Binnenflächen zu lesen war. Für die letztere Art der Anbringung könnte man die Kopie von Ancyra als Beweis heranziehen.) Auch dort steht die In-
1) Doch kommt auch dieser vor; vgl. Dittenberger, Syl. I? 434/65 Z. 48f., Pausanias V 23, 8, Strabo III p. 170 und dazu Larfeld II? 8.715 Anm. 1, Griech. Epigr.° S. 112 mit Anm. 1.
2) Larfeld II* 8. 716.
8) Vielleicht bringen weitere Nachforschungen auf dem Forum von An- tiochia Pieidiae den Beweis, daß die dortige Kopie ähnlich wie das stadtrömische Original aufgestellt war.
4) A.W. Zumpt bei J. Franz, Caesaris Aug. index, Berlin 1845, 8. 38,
65) Das hat schon V. Gardthausen (Aug. I3 S. 1280), allerdings verwoben in eine ganz falsche Auffassung der Dinge (darüber Klio XIV S. 379f. u. 0. 8. 13), ausgesprochen.
18 U. Die Aufstellung des Tatenberichts vor dem Mausoleum
schrift nicht an der Türwand des Tempels, so daß der in den Pronaos Eintretende sie unmittelbar zu beiden Seiten der Tempeltür vor Augen hatte!), sondern links und rechts vom Eintretenden an den beiden vor- springenden Anten des Heiligtums. Vielleicht liegt hierin eine Nach- ahmung der Aufstellung des Originals. Dann las der Besucher des Mausoleums erst, wenn er zwischen den beiden Pfeilern angekommen war, die Inschrift, indem er zunächst nach links sich wendete und dann kehrt machte, um den Rest kennen zu lernen.
Nach den seitherigen Darlegungen waren also Mausoleum und Inschriftenpfeiler räumlich voneinander getrennt. Damit erhält die Grabschrifttheorie Eugen Bormanns?) ihren Todesstoß. „Hätte Au- gustus sich eine Grabschrift verfassen wollen, so würde er sie wahr- scheinlich nicht vor dem Mausoleum, sondern unmittelbar auf. seinem Grabmal haben anbringen lassen.“ Diesen Worten Otto Hirsch- felds®) kommt nach der Loslösung der Inschrift von dem Gebäude eine erhöhte Bedeutung zu. Augustus hat sich keine Grabinschrift, sondern eine Ehreninschrift setzen wollen, vor einem Monument, das den Ruhm seines Geschlechts für alle Zeiten verktinden sollte und an einem Platze, der der großen Menge öffentlich zugänglich war“) Mit anderen Worten, die res gesiae sind ein historisch-politisches Doku- ment ersten Ranges, berechnet auf die Wirkung auf die römische Plebs, auf deren guter Stimmung der neue Kaiserthron ruhte, und geschrieben im Interesse des neuen Geschlechts und der aus ihm hervorgehenden Dynastie. Beiden Zwecken dient aber auch das mächtige, alle seit- herigen Bauwerke dieser Art übertreffende Grabmal. Wenn auch äußer- lich getrennt stehen also beide Schöpfungen innerlich sich ganz nahe: sie dienen beide dem einen großen Eindzweck, den Begründer der neuen gens Iuliorum und damit diese gens selber als die mächtigste und einflußreichste Roms dem Volke vor Augen zu stellen und sein bzw. ihr Recht auf die erste Stelle im Staate zu erweisen.
1) Irrtümlich sagt Nissen a. a. 0. 8.484: „Die Anordnung in der Vorhalle des ancyranischen Tempels, wo die Schrift die Wandflächen zu beiden Seiten der Tür anfüllt, ist dem römischen Vorbild nachgeahmt.“
2) Bemerkungen zum schriftlichen Nachlaß des Kaisers Augustus, Marburg 1884, und Verhandlungen der 43. Versammlung deutscher Philologen und Schul- männer zu Köln, Leipzig 1895, S. 184 ff.
8) Kl. Schr. S. 831.
4) Hierzu vgl. unten Exkurs III.
III. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts 19
IN. DIE ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DES TATENBERICHTS
1. DAS RESULTAT DER FORSCHUNG MOMMSENS!')
“ Augustus’ Tatenbericht gibt sich durch den Schlußsatz als im 76., d. h. im letzten Lebensjahre des Kaisers geschrieben kund. Ge- boren ist Augustus am 23. September, gestorben am 19. August, also erstreckt sich das letzte Lebensjahr vom 23. September 13 bis 19. August 14 n. Chr. Aus dem Schriftstück selber entnommene In- dizien schränken die in Betracht kommende Zeit auf den Sommer des Jahres 14, und zwar auf die Zeit nach dem 26. Juni, also auf die bei- den letzten Monate des Augustus ein. Da aber anzunehmen ist, daß der Kaiser vor seiner Abreise nach Campanien, die er in der zweiten Hälfte des Juli antrat?) und von der er nicht mehr zurückkehren sollte (der Tod ereilte ihn in Nola), seine Aufzeichnungen machte und mit dem Testament und anderen Schriftstücken bei den Vestalinnen depo- nierte®), müßte das Dokument in der ersten Hälfte des Juli 14 abge- faßt sein.
Mommsen hat schon vor langer Zeit gegen diese Ansetzung des Werkes Zweifel erhoben und einer anderen Entstehungsweise aus zwei Gründen das Wort geredet.) Einmal hat er beobachtet, daß in c. 15 die kaiserlichen Aufwendungen für das stadtrömische Volk und die Veteranen in der Weise aufgezählt werden, daß zunächst in chronologischer Reihen- folge die Geld- und Getreidespenden an die plebs Romana, nämlich aus den Jahren 44, 29, 24, 23, 12 und 5 v. Chr., danach das Geschenk an die Veteranen vom Jahre 29 v. Chr., endlich die Geldspende an die Plebs (diesmal als plebs urbana bezeichnet) vom Jahre 2 v. Chr. ge- nannt werden. Da die letzte Angabe deutlich wie ein späterer Zusatz sich ausnehme, müsse, so schloß Mommsen°) aus diesem Tatbestand, das übrige Kapitel und damit das ganze Dokument, soweit es Angaben aus der früheren Zeit des Augustus bringe, nach 5 v.Chr. und vor 2 v. Chr., etwa im Jahre 4 v. Chr., abgefaßt sein. Doch legt er selbst in der zweiten Auflage seines Kommentars infolge eines Einspruches von Bergk®), der die eigentümliche Disposition von c. 15 auf eine augenblickliche Vergeßlichkeit des Augustus zurückführen wollte, und
1) Mommsen, Res gestae? 8. 1f.
%) Gardthausen, Augustus II 3 8. 854.
8) Sueton, Aug. 101; Mommsen a. a. 0. 8. 2.
4) Res gestae? S. 2. 5) Res gestae 1. Aufl. 8. 37.
6) Augusti rerum a se gestarum index, Göttingen 1878, 3.4 u. 52.
20 II. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
infolge der ablehnenden Haltung von Hirschfeld!) kein allzu großes
Gewicht auf dieses Argument, das nachträglich auch noch Bormann?) und Joh. Schmidt?) zu entkräften versucht haben. Daß der Rückzug kein vollständiger ist, zeigt Mommsen im speziellen Kommentar zu e.15, wo die früheren Ausführungen (aus der 1. Auflage) über die Entstehung der älteren Teile schon im Jahre 4 v. Chr. wiederholt werden.‘)
Fester als in diesem Punkt hat Mommsen an seinem zweiten, sprachlichen Momenten entnommenen Argument?) festgehalten. Er behauptet nämlich eine Verschiedenheit in der Bildung der zusammen- gesetzten Zahlen des Dokuments gefunden zu haben und stellt die bei- den folgenden Regeln auf:
1. In den Zahlen bis 82 geht die kleinere Ziffer der größeren voran, von 1200 ab die größere der kleineren.
2. Zwei zu einer Zahl gehörige Ziffern sind durch e& verbunden, dagegen bei drei- und mehrziffrigen Zahlen bleibt et vor der letzten Ziffer fort, und nur die beiden ersten Ziffern haben die Copula.
Gegen die erste Regel verstoßen zwei Stellen: 121 [viciens se]mel und VI 28 septuagensulmum sexitum], gegen die zweite die eine Stelle II 10 quadragiens centum mill[ia et nongenta trjiginta et septem millia. Es sind das aber Angaben, welche sich auf die Gesamtzahl der impera- torischen Akklamationen des Kaisers (I 21), deren letzte wahrscheinlich erst im Jahre 14 erworben wurde°), auf sein schließliches Lebensalter (V128) und auf das Ergebnis des dritten Census vom Jahre 14 n. Chr. (I 10) beziehen, also lauter Angaben, die alle frühestens im Jahre 14 n. Chr. niedergeschrieben sein können. Sie sind daher nach Momm- sen entweder noch von Augustus kurz vor seinem Tode mit geringerer Sorgfalt oder, was ihm glaublicher dünkt, von anderer Hand, wahrschein- lich der desTiberius, nachgetragen worden. In letzterer Ansicht bestärkte ihn noch die Beobachtung, daß allein in der letzten Zahl des ganzen Dokuments, der Angabe des vom Kaiser schließlich erreichten Lebens- alters, die Form septuagensumus gebraucht wird, während im übrigen bei den Ordinalzahlen dieser Art konstant -simus geschrieben ist. Trotz-
1) Wien. Stud. III, 1881, 8. 264.
2) Bemerkungen zum schriftlich. Nachlaß des Kaisers Augustus. Marburger Univ.-Progr. 1884 8. 11f.
3) Philol. XLIV, 1885, S. 462.
4) Res gestae* S. 69. Unterdessen hatte von den Neueren Brambach, RA. Mus. XX, 1865, S. 605, Mommsens Argumentation als zwingend erwiesen. Auch Fitzler-Seeck in dem Artikel Julius (Augustus) R. E. X Sp. 379f. schließt sich Mommsen an, aber mit falscher Darstellung des Tatbestandes.
5) Darüber Res gestae® S. 193f. 6) Ebenda S. 17f.
1. Das Resultat der Forschung Mommsens 21
dem hat man auch dieses zweite Argument Mommsens zu beseitigen gesucht. Bormann!) weist auf 129 sep[timum et trigensimum] hin, wo- mit die Gesamtzahl der tribunizischen Jahre des Augustus angegeben wird, die man doch wohl auch als nachträglich geschrieben annehmen müsse; die Zahl aber zeige die gewöhnliche Bildung. Doch ist das kein Gegenbeweis, Mommsen hat nicht behauptet, daß die letzte Hand überall die andere Art der Zahlenbildung angewendet habe, sondern nur, daß sie dieselbe Konsequenz in der Benutzung einer Methode, wie das Augustus getan habe, vermissen lasse. Geppert?) bringt dagegen noch eine von Mommsen übersehene Ausnahme von dessen erster Regel bei: 125 qu[inguagiens et quin]quiens. Damit wird die Gesamtzahl der für Augustus beschlossenen Supplikationen angegeben. Diese.Zahl kann daher sehr wohl zu den nachträglich veränderten gehören, und Momm- sens Ansicht wird dadurch nur weiter gestützt. Wenn Geppert trotz- dem versucht, die von Mommsen aufgestellten Regeln umzustoßen, so ist dieses Beginnen als vollkommen mißlungen zu bezeichnen. Am un- glücklichsten ist er in der Bekämpfung der zweiten Regel, insofern er sagt, daß Mommsen für die Regel nur zwei Beispiele bei einer Aus- nahme aufzuweisen habe. Eine Regel aber, die zweimal angewendet und einmal vernachlässigt werde, sei eben keine Regel. Aber Geppert hätte beachten sollen, daß die drei von Mommsen für die zweite Regel beigebrachten Zahlen sich in ein und demselben Kapitel (c. 8) und zwar als die Ergebnisse der drei Lustren des Kaisers finden, und da ist eine abweichende Bildung der dritten Zahl ohne allen Zweifel sehr bemerkenswert. Vollkommen hinfällig aber sind Gepperts Einwände gegen das der Schreibung sepfuagensumus entnommene Argument Mommsens. Wohl niemand wird mit ihm°) den Ausweg einschlagen, das % „auf Rechnung des Abschreibers oder Steinmetzen“ zu setzen. Und was beweist endlich ein Satz“) wie: „Auch hätte sich eine even- tuelle Änderung (der Zahl 76) wohl nur auf die Einer zu erstrecken brauchen, da keiner behaupten wird, daß Augustus den Text schon vor „seinem 70. Lebensjahr verfaßt hat“. Mommsen hat im gleichen Jahre, da Geppert dies niedergeschrieben hat, noch einmal auch diese Möglichkeit in Betracht gezogen) Hirschfeld hatte nämlich in einer Polemik gegen Bormann seinen früher schon eingenommenen Stand- punkt, daß Augustus „meisterhaft alles verschleiert oder übertüncht
1) A.a. O. 8. 22 Anm.
2) Zum Monumentum Ancyranum. Progr. des Berl. Gymn. zum Grauen Kloster 1887 8. 3#.
3) Ebenda S. 6. 4) S.5 Anm. 3.
5) Hist. Zeitschr. 57, 1887, S. 397 = Ges. Schr. IV S. 267.
23 III. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
habe, was seinem Audenken hätte schaden können“, von neuem ver- teidigt?) und dabei den Satz geprägt: „Berechtigt scheint mir freilich nach wie vor, von einer meisterhaften Verschleierung gewisser Tat- sachen einem Manne gegenüber zu sprechen, der nach der schimpf- lichen Niederlage des Varus und der definitiven Aufgabe der einst ge- hegten Eroberungspläne die Worte niederschreiben konnte: Germa- niam ad ostium Albis fluminis pacavi.“ Dazu bemerkt Mommsen: „Ist es aber so sicher, daß die varianische Katastrophe bereits eingetreten war, als Augustus diese Worte schrieb? Nach sprachlichen Indizien ist das Schriftstück von Augustus nicht erst wenige Monate vor seinem Tode, sondern früher aufgesetzt und durch Überarbeitung von fremder Hand auf das Datum umgeschrieben worden, welches es trägt.“ Aus diesen Sätzen geht hervor, daß Mommsen nicht nur an der Schluß- redaktion durch Tiberius vor der Herausgabe, sondern auch an der Niederschrift durch Augustus in einem früheren Zeitpunkt, der nach dieser Stelle zum mindesten vor der Varuskatastrophe gesucht werden muß, festgehalten hat. Damit ist schon vom besten Kenner der In- schrift die Einheitlichkeit des Ganzen preisgegeben. Unsere Unter- suchung wird beiden Aufstellungen Mommsens nachzugehen haben und gut tun, mit der manus Tiberii zu beginnen, um dann das Hauptpro- blem, die Frage nach dem Zeitpunkt der Niederschrift durch Augustus, eingehend zu behandeln.
2. DIE SCHLUSSREDAKTION DES TIBERIUS
Die Ansicht Mommsens, daß das Dokument vor der Veröffent- lichung auf den Stand der Dinge beim Tode des Augustus, wahr- scheinlich durch Tiberius selber, gebracht worden ist, leuchtet aus allgemeinen Erwägungen schon von selber ein. Das für die Ewigkeit bestimmte Monument sollte nur eine Auswahl der Taten bringen, wie sie Augustus selber vorgenommen hatte, mußte aber innerhalb der ausgewählten Tatsachen und Ereignisse, die für erwähnenswert gehal- ten wurden, Vollständigkeit bieten; es konnte z.B. nicht von nur 20 imperatorischen Akklamationen berichten, wenn 21 die erreichte Zahl darstellte. Da nun nicht anzunehmen ist, daß Augustus schon monate- lang vorausgeahnt hat, daß sein Tod gerade im August 14 erfolgen werde, um selber die Schlußredaktion des Dokuments zu geben, so muß schon von hier aus die Dazwischenkunft einer zweiten Person an- genommen werden.
Zu dieser allgemeinen Erwägung kommt nun folgendes: Unser Dokument war eines der drei Volumina, die zusammen mit dem kai-
1) Wien. Stud. VII, 1885, S. 173 = Kl. Schr. S. 883.
2. Die Schlußredaktion des Tiberius 253
serlichen Testament bei den Vestalinnen deponiert waren und von diesen nach dem Tode des Herrschers, offenbar nach den hinterlassenen Pa- pieren des Verstorbenen, dem Senat übergeben wurden.!) Die Geschichte des kaiserlichen Testaments aber, zu dem aller Wahrscheinlichkeit das Schriftstück von vornherein in Beziehung stand, geht weiter zurück. Cassius Dio berichtet?), daß der Kaiser schon nach seiner Genesung von der schweren Krankheit im Jahre 23 v. Chr. sein Testament in den Senat bringen und vorlesen lassen wollte, um zu zeigen, daß er keinen darin zum Nachfolger bestimmt habe. Weiter: bezüglich des im Jahre 9 v.Chr. in Germanien gefallenen kaiserlichen Lieblings- Stiefsohnes Drusus weiß Sueton zu erzählen), daß ihn Augustus, wie er selbst im Senat ausgesprochen hatte, unter seinen Erben im Testa- ment erwähnt habe. Das Testament aber, welches schließlich beim Tode des Herrschers vorgelegt wurde, war 16 Monate vor dem Ab- leben des Kaisers, am 3. April 13 n. Chr., abgeschlossen und mit den erwähnten drei Volumina bei den Vestalinnen deponiert worden.t) Ohne hieraus weitergehende Folgerungen für die Entstehung unseres Schrift- stückes in früherer Zeit, die an und für sich naheliegen, zu ziehen, bemerke ich zunächst nur, daß sehr wahrscheinlich doch die letzte Hand von Augustus auch an unser Dokument vor dem 3. April 13 ge- legt worden’ ist und daß es sich lohnt, einmal nachzuprüfen, ob nicht die aus den Jahren 13 und 14 erzählten Ereignisse Spuren der manus Tiberii verraten.
Das letzte Ereignis, über das das Monumentum aus dem Leben des Augustus eingehend berichtet, ist der dritte Census, der durch das feierliche Lustrum vom 11. Mai des Jahres 14 abgeschlossen wurde. In der Angabe über die damals geschätzten Bürger (II 10) hat Momm- sen schon eine Abweichung bezüglich der Bildung der Zahl gegenüber den entsprechenden Summierungen der beiden vorhergehenden Schätzun- gen im selben Kapitel nachgewiesen.°) Die Stelle lautet®): [Ei tertiu]m consulari cum imperio lustrum conlega Tib. Cae[sare filio meo feci] Sex. Pompeio et Sex. Appuleio cos. Quo lustro ce[nsa sunt civium Ro]ma- norum capitum quadragiens centum millfia et nongenta trjiginta et sep- tem millia.
1) Sueton Aug. 101, 4. 2) Cassius Dio 53, 31. 8) Sueton Claudius 1, vgl. Gardthausen, Augustus I 8 S. 1264. 4) Sueton Aug. 101, 4. 6) 8. oben 8. 20.
6) Meine Ergänzungen gehen von dem griechischen Texte aus: [Et ter-
tiu]m wegen griech. K[«l relrov, der Raum genügt. Zu dem et vgl. man III 35
‚in 0.17 101,4: Et M. Lepfi]do et L. Ar[r]untio cos, wo, wie.wir später sehen
werden, ebenfalls ein nachträglicher Zusatz vorliegt. Der Raum für filio meo, was auch Diehl aufgenommen hat, ist hinreichend.
24 II. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
Die Ansicht Mommsens, daß hier ein Nachtrag vorliegt, wird durch die folgenden Beobachtungen ergänzt:
1. Es ist dies die einzige Stelle im ganzen Dokument, wo Tiberius als filius bezeichnet wird?),
2. hier allein haben wir die unrichtige Abkürzung TIB für Ti- berius?),
3. es steht der Genitiv capiltum da, während in den beiden vorher- gehenden Fällen capita zu lesen ist?),
4. die Abkürzung cos = consulibus steht dagegen wie in II9 so auch in II 6 zum Jahre 8 v. Chr., während die ältesten Teile des Do- kuments alle das volle Wort consulibus aufweisen.*) Auch steht II 9 conlega ebenso wie Il 2, II 23 und VI23, während IV 37 (in c. 22) collegja] M. Agrippa zu lesen ist neben unmittelbar danebenstehendem conlegio und [conlJe[gi]:°), während wiederum 1117 die Form colle[gia] vorliegt.
Die übrigen Ereignisse, die in die Jahre 13 und 14 n. Chr. ge- hören, waren nur durch Änderungen von Zahlen oder kleinere Zusätze auf den neuesten Stand zu bringen, so die Erwerbung der 21. impera- torischen Akklamation (I 21f.), der Antritt der 37. tribunizischen Ge- walt am 26. Juni 14 (I 29) und das schließlich erreichte Lebensalter von 16 Jahren (VI 28); über Eigentümlichkeiten der Zahlenbildung im letzten Fall ist oben im Anschluß an Mommsen gehandelt, ebenso über die Zahl der schließlich von Augustus erreichten Supplikationen (1 25f.),
1) V27: qui tum mihi privignus erat, V 45 qui tum erat privignus et lega- tus meus.
2) TI Tiberius dagegen II 38, III 28, V 27 (ergänzt, aber zweifellos richtig), V 45: hier haben die älteren Abschreiber (Lucas, Chishuli) noch per Ti(berium) [Ne]ronem gelesen.
3) II7 ist capita allerdings ergänzt, aber wohl richtig, mit Rücksicht auf II4 und das griechische xspaici an dieser Stelle.
4) Consulibus: I4 a. 43 (in I 8 ist die Ergänzung Mommsens cos = consul schon aus diesem Grunde unmöglich; ich lese: cum [uterque in bello ceci]disset), 182 2. 22 (ergänzt), 137 a. 19 (ergänzt), II 28 a. 12, II32 a. 19 (ergänzt), 1188 a. 13 (ergänzt), III22 a. 14; dieses Kapitel 16 ist von III28 ab seltsam, inso- fern consulibus und cos auf engstem Raum miteinander abwechseln: III 28 a. 7 consulibus, III 29 a. 6 (cos), IIl29 a. 4 (consulibus), III 30 a. 3 (consulibus), III 30 &. 2 (cos); III 40 a. 18 (consules). Dagegen cos = consulibus außer in dem oben behandelten c. 8 und den oben aufgeführten Stellen aus c. 16: III 36 (c. 17) 8.6 n. Chr. und IV 37 (c.22) &. 17 v.Chr. Doch sind, wie wir später sehen werden, c. 22 und 23 spätere Einschiebsel.
5) Das Material auch bei Mommsen, Res gesiae? 8. 191 u. 192 (vgl. zu conlegii auch 8. 91f.),. Für c. 22 und 23 gelten besondere Verhältnisse, wie schon in der vorhergehenden Anm. angedeutet ist. Die älteren Teile des Doku- ments haben offenbar conlege, aber collegium geschrieben, also gerade umge- kehrt wie c. 22.
2. Die Schlußredaktion des Tiberius 25
die ebenfalls aller Wahrscheinlichkeit nach zu den nachträglich ver- änderten Zahlen gehört. Die im Anschluß daran gegebene Zahl der 890 Supplikationstage (127) ist die erste der im Monument mit Ziffern ausgedrückten Zahlen. Mit diesen Zahlen hat sich Georg Sigwart be- schäftigt!) und hat festgestellt, daß die Buchstabenschreibung der Zah- len gegenüber der kürzeren Form der Ziffernwiedergabe die bei weitem häufigere ist (80 Zahlen in Buchstaben gegenüber neun Fällen von Ziffernwiedergabe) und andererseits die in den älteren Teilen ange- wandte Form darstellt. Sein Resultat stimmt mit dem von uns oben bezüglich der Schreibung von consulibus und cos sowie von conlega und collegium Gefundenen überein: in den wahrscheinlich sehr spät niedergeschriebenen oder den nachgetragenen Teilen finden sich Ziffern (also die kürzere Bezeichnungsweise), in den ältesten Teilen dagegen Buchstabenbezeichnung. Für die Stelle 127 (Zahl der Supplikations- tage) betont Sigwart mit Recht, daß diese Zahl wohl mit größter Wahrscheinlichkeit den von Tiberius veränderten zuzuweisen ist; „denn die Zahl der Tage, an welchen Supplikationen für Augustus stattfan- den, konnte erst nach dem Tode des Augustus definitiv festgestellt werden“.?) Auch hier kommt nun wie in c. 8 bei der Darstellung des Census vom Jahre 14 n. Chr. etwas hinzu, was den Ursprung von an- derer Hand zur Sicherheit erhebt. Schon Wölfflin®) hat auf fuere hin- gewiesen, während an den übrigen 20 Stellen des Schriftstücks die En- dung -eruntangewendet wird. Offenbar ist aus Gründen der Raumerspar- nis, da zum Schluß die Eintragung der langen Ziffer DOCCLAXXX nötig wurde, die vorher vorhandene Form fuerunt in fuere gekürzt wor- den. Ahnlich wie bei der Ziffer 890 steht es V 7/8 (c. 25) bei den drei hier mit Ziffern wiedergegebenen Zahlen, von denen eine die Summe der senatorischen Mitkämpfer des Augustus (mehr als 700) nennt, die zweite die Zahl der von diesen vorher oder nachher Konsuln gewor- : denen (83), die dritte die Priester gewordenen (170). Hier hat Augustus selbst schon durch den Zusatz ad eum diem quo scrüpta sunt haec die Änderung in Aussicht genommen.‘) Eine weitere mit Ziffern geschrie- bene Zahl, die wohl auf Tiberius zurückgeht, steht V 36 (c. 28), wo die Gesamtzahl der unter Augustus in Italien gegründeten Kolonien (XXVIII) angegeben wird. Daß die Schöpfung neuer Kolonien in Italien bis in die letzten Jahre des Herrschers angedauert hat, läßt sich wahr-
1) Klio III 8. 548ff.
2) A. a. 0. 8. 549.
3) $.-Ber. d. bayr. Akad. 1896. 8. 166.
4) Geppert a. a. 0.8.6; E. Bormann, Verhandl. d. 43. Philolog.- Versamm- lung 1895 8. 185; Sigwart a. a. 0. 8.549. -
26 II. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
scheinlich machen.!) Außerdem deuten die Worte viro me in V 37 auf eine nachträgliche Redaktion.?) Schwierig liegt die Sache in c. 24 bei der Zählung (IV 52) der ungefähr 80 Statuen, die der Kaiser in Rom einschmelzen ließ. Hier ist die Zahl 80 nicht nur in Ziffern, sondern sogar in der seltsamen subtraktiven Form XXC wiedergegeben, eine Schreibung, die schon Wölfflin®) beanstandet hat, als gerade so selten wie anderwärts IIX = acht. Da es sich bei der Einschmelzung der silbernen Statuen des Herrschers nicht um einen einmaligen Akt zu handeln scheint‘), so haben wir es bei der Notiz zum mindesten mit einem späten Zusatz des Augustus zu tun, zumal eine auf die Haupt- stadt bezügliche Handlung (vgl. IV 52 in urbe) an dieser Stelle nicht erwartet wird (im vorhergehenden Satz ist von den Tempeln der Pro- vinz Asia die Rede). Die Gesamtzahl der Statuen mit der merkwür- digen Ziffer ist also entweder bei der letzten Redaktion durch Augustus hereingekommen, oder sie ist ebenfalls ein Nachtrag des Tiberius, da die vorher dort befindliche Zahl mit dem am Schluß von Augustus’ Leben erreichten Bestand nicht übereinstimmte. Im letzteren Fall er- klärt sich die seltsame Form der Ziffer am leichtesten, da es die den geringsten Raum füllende Bezeichnungsweise für 80 (XXC gegenüber LXXX) ist’)
Zum Schlusse bespreche ich noch zwei Fälle, die vielleicht auch der nachträglichen Redaktion des Dokuments angehören. In c. 20 wird der Wiederaufbau der Basilica Iulia mit folgenden Worten ge- schildert: et eandem basilicam consumptam incendio ampliato eius solo sub titulo filiorum m[eorum ilnchoavi et si vivus non perfecissem, perfici ab heredib[us iussi]. Hier fallen die Worte si vivus non perfecissem auf. Denkt man sie sich weg, so ist alles in Ordnung. Augustus be- richtet, daß er den Wiederaufbau der niedergebrannten Basilica. Iulia im Namen seiner Adoptivsöhne Gaius und Lucius, wohl noch zu deren Lebzeiten, begonnen und ihre Vollendung seinen Erben (man beachte den Plural, also, wenn zu Lebzeiten des Gaius und Lucius geschrieben, diesen beiden, wenn nach deren Tod geschrieben, dem Tiberius und
1) Kornemann, Art. coloniae bei Pauly-Wissowa-Kroll, Kolonienkatalog Nr. 186. :
2) Über die Anwendung derselben Formel vivo me in II 16 u. 17 (c. 9) habe ich schon früher ausführlich gehandelt, Klio III S. 83f.
8) A. a. 0. 8. 167, Sigwart a. a. O. 8. 550.
4) Vgl. Sueton Aug. 52, Cassius Dio 52, 35; 53, 22; 54, 35; letztere Stelle zum Jahre 10 hat die Bemerkung, daß Augustus trotz ablehnender Haltung gegenüber Geldsammlungen zur Errichtung von Kaiserstatuen dies nicht habe verhindern können. .
5) Über die übrigen mit Ziffern geschriebenen Zahlen vgl. Sigwart a. a. O. 8. 549 und meine Ausführungen unten 8. 79,
2. Die Schlußredaktion des Tiberius 27
Agrippa Postumus) hinterlassen habe. Wie steht es nun mit der Weihung des Werkes? Sueton?) berichtet allgemein und ohne Datierung: quae- dam etiam opera sub nomine alieno, nepotum scilicet et uxoris sororisque feeit, ut porticum basilicamque Gai et Luci, Cassius Dio dagegen zum Jahre 12n. Chr.?): 7 oro& 7 IovAle (Hss. Avovie) xaAovuevn Bxodoundn ze &g rıunv tod te Talov “ul Tod Aovalov tüv Kaısdowv xal Tore xodıeomdn. Mommsen?) faßt die Stelle ganz wörtlich auf, indem er annimmt, daß im Jahre 12 die porticus Gai et Luci geweiht worden sei, dagegen die Basilica noch nicht. Ich kann mich dieser Auffassung nicht anschließen, teile vielmehr diejenige von Huelsen‘), wonach die Notiz bei Cassius Dio auf den Gesamtbau sich bezieht. Derselbe heißt genau porticus basilicague Gai et Luci (Sueton) und wird im Monumen- tum abgekürzt als basilica, bei Dio dagegen als porticus bezeichnet. Ist dies-richtig, so war die in Frage stehende Stelle unseres Schrift- . stücks beim Tode des Augustus vom wirklichen Zustand der Dinge überholt und der Herausgeber brachte das von Augustus Niederge- schriebene durch Einfügung des Bedingungssatzes si vivus non per- fecissem mit der Tatsache der unterdessen erfolgten Einweihung der Basilica in Übereinstimmung. Bei dieser Auffassung der Stelle und der dionischen Notiz müssen wir mit dem Ansatz der letzten Arbeit des Augustus an seinem Tatenbericht auch noch vor das Jahr 12 n. Chr. hinaufgehen.
Die Möglichkeit eines Nachtrags liegt auch an einer zweiten Stelle vor. Gelegentlich des Berichts über die Errichtung des Aerarium mili- tare im Jahre 6 n. Chr. (c. 17, TIL 35ff.) sagt Augustus, die aus dem genannten Aerarium zu zahlenden Prämien seien vorgesehen worden für die Soldaten, qui vicena [aut plu]ra stil pendia] emeruissent (die Er- gänzung ist durch den griechischen Text gesichert). Cassius Dio sagt jedoch bei dieser Gelegenheit°), daß die Prätorianer fünftausend De- nare für sechzehn, die Legionare aber dreitausend für zwanzig Dienst- jahre erhalten sollten. Man wird es hiernach wohl fraglich finden dürfen, ob Augustus selber die Worte aut plura geschrieben hat. Da- gegen liegt es nahe, an einen Zusatz des Tiberius zu denken, weil bei dessen Regierungsantritt die erwähnten Dienstjahre weit überschritten waren und es dem neuen Herrscher bei dem sofortigen Ausbruch der
1) Aug. 29, 4. 2) Cassius Dio 56, 27.
3) Res gestae? 8. 85, ebenso Gardthausen, Augustus I2 S. 969.
4) Huelsen, Das Forum Romanum, 2. Aufl. 1905, S. 56. „Der Kaiser be- gann einen Neubau auf erweitertem Grund und Boden und weihte ihn 12 n. Chr. in seinem und seiner (verstorbenen) Adoptivsöhne Gaius und Lucius Namen ein“; falsch Richter, Topographie? 8. 84.
5) Cassius Dio 55, 23, 1
28 III. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
Soldatenmeutereien am Rhein und an der Donau untunlich erscheinen mochte, diese Bestimmungen des Augustus in präziser Form den Massen vor Augen zu bringen. Doch bleibt in diesem Falle auch sehr wohl die andere Möglichkeit bestehen, daß der vorsichtige Augustus selber die unbestimmtere Fassung gewählt hat, um seinem Nachfolger bei einer Überschreitung des Termins keine Schwierigkeiten zu bereiten,
3. DAS URMONUMENT
Die Einheitlichkeit des Ganzen ist durch die seitherigen Erörte- rungen erschüttert, ebenso ist die am Ende des Dokuments durch die Angabe des Lebensalters des Verfassers versuchte Datierung als irre- führend erwiesen worden. Zum mindesten vor dem 3. April 13 n. Chr.!), wahrscheinlich sogar schon vor dem Jahre 12 n. Chr.?) hat Augustus zum letztenmal an dem Schriftstück gearbeitet, das dann durch eine zweite Hand nach des Verfassers Tod auf den neuesten Stand gebracht worden ist. Aber müssen wir überhaupt so weit heruntergehen, ist das Dokument nicht in seinen ältesten Teilen viel früher entstanden? Wie wir seither die jüngsten Abschnitte und den Schlußsatz betrach- teten, so wenden wir uns jetzt zu dem Anfang. Das Gegenstück zu der Schlußredaktion durch Tiberius ist der erste Entwurf des Augustus, der uns jetzt beschäftigen soll. Erst nachdem wir diesen scharf erfaßt haben, wird es möglich sein, über die Entstehung des Restes ein Urteil zu fällen.
Der Ausgangspunkt für die Gewinnung des ersten Entwurfs muß die Tatsache sein, daß das Dokument an zwei Stellen datiert ist, näm- lich am Schluß von c. 4 (128—30) und am Schluß von c. 35 (VI 27 bis 28), das eine Mal nach dem Konsulat und der tribunicia potestas, das zweite Mal nach dem Lebensalter des Verfassers. Die Zahlen, die heute an den beiden Stellen stehen, führen uns auf das letzte Regie- rungsjahr des Augustus. Aber ist dies immer so gewesen? Bei der Schlußdatierung nach dem Lebensalter haben wir schon gesehen, daß sie in der jetzigen Fassung wohl nicht von Augustus stammt, und zwar auch schon in der Zahl für siebzig (septuagensumum).
Wie steht es mit der Datierung am Schluß von c. 4? Sie ist im lateinischen Text sehr schlecht erhalten; daher muß vom griechischen Text ausgegangen werden. Er lautet:
[Trar]e[v]ov vols zul dex|aro]v, öre v[eü]ra Eyoapov, | xei Yunlv roi@]v[ooro]v zul EBdou[ov Inucerlräis | EEovoias.
Mit Berücksichtigung dieses Textes und der erhaltenen spärlichen Reste ist der lateinische Text wohl folgendermaßen herzustellen:
1) 8. oben S. 23. 2) 8. oben 8. 27.
3. Das Urmonument 29
[Consul| fuerJam terdeciens, c[u]m [scripsi] haec [eramque se\p[%- mum et trigensimum | tribu]niciae potestatis.!)
Dieser Satz wird durch die Worte cum scripsi haec als zu Zwecken der Datierung geschrieben erwiesen.?) Aber seltsam ist zweierlei: ein- mal, daB die Worte cum scripsi haec zwischen den beiden Datierungen nach Konsulat und tribunicia potestas in der Mitte stehen, so daß der zweite Teil (eramgue usw.) wie ein späterer Zusatz erscheint, und zwei- tens, daß die Angabe consul fueram terdeciens für das Jahr 14, auf welches die andere Datierung führt, eigentlich keine zeitliche Fest- legung mehr bedeutet. Augustus konstatiert nur, daß er dreizehn mal Konsul gewesen war, als er dies schrieb. Wir erwarten aber eine Or- dinalzahl neben den Worten cum seripsi haec. Zum dreizehntenmal war Augustus Konsul im Jahre 2 v. Chr. gewesen; so ergibt die An- führung des Konsulates eigentlich nur einen Terminus post quem, während man doch die Anführung des Konsulates an dieser Stelle mit nachfolgendem cum seripsi haec als die ursprüngliche Datierung an dieser Stelle aufzufassen geneigt sein möchte. Ist dies aber der Fall, dann ergibt sich daraus, daß die Stelle geschrieben war in einem der Jahre, da Augustus das Konsulat bekleidete. Unter den dreizehn Konsulaten des Herrschers kommt aber dasjenige wohl am meisten in Betracht, welches dem Inhalt der vier ersten Kapitel am nächsten liegt; auf alle Fälle ein Konsulatsjahr vor dem Jahre 22, mit welchem der Anfang von c. 5 sich beschäftigt.
Man hat längst gesehen, daß die vier einleitenden Kapitel in zeit- licher Folge die Ereignisse der Jahre 44—29 v. Chr. wiedergeben und
1) [fuerlam erfordert der Raum, obwohl der griech. Text öxdrevov hat. Das angeblich erhaltene «a, welches Mommsen zur Ergänzung [scribeb]a[m] verleitete, ist nicht sichtbar. Es ist mit Gottanka scrips? zu schreiben, womit der Raum von 7 Buchstaben vor haec gerade ausgefüllt wird, unmöglich daher auch [scripserja[m] (Diehl. Für annum nach trigensimum reicht der Raum nicht aus (Gottanka). Das Wort fehlt außerdem im griechischen Text.
2) Dies erkennt allerdings Fr. Blumenthal, Die Autobiographie des Augustus, Wien. Stud. XXXII, 1914, S. 17f., nicht an. „Die Angabe der Zahl der Kon- sulate und tribunizischen Jahre am Ende von c. 4 ist nicht Datierung und nicht mit dem Schluß des ganzen Dokuments in Parallele zu setzen, sondern ein not- wendiger Punkt in der Aufzählung der ihm von der Bürgerschaft erwiesenen Ehrungen.“ Wer so etwas schreiben kann, mit dem ist nicht zu diskutieren; denn er steckt noch vollkommen in den alten Anschauungen, wie sie z. B. auch Bormann, Blumenthals Lehrer, vertrat, drinnen, daß der erste Teil des Monumentum die honores umfaßt. Blumenthal schwört hier, was man sonst bei ihm gar nicht gewohnt ist, in verba magistri. Allein schon der Neben- satz cum scripsi haec, der an beiden Stellen steht, spricht deutlich für meine Auffassung, weiter der Zusatz der trib. potestas und die Tatsache, daß nach- träglich die Zahl 87, die letzte trib. pot. des Augustus, eingesetzt worden ist (s. oben S. 24),
Kornemann, Mausoleum des Augustus 3
30 UI. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
zwar so, daß c. 1 die Jahre 44 und 43 umfaßt, c.2 den Rest von 43 und das Jahr 42, während die c. 3 und 4 weniger die Geschichte der Jahre 42—29 erzählen, als vielmehr die Erzählung dieser Epoche zu ersetzen suchen einmal durch den allgemeinen Hinweis auf die bella civilia et exierna mit Hervorhebung von Octavians Milde und Fürsorge für die Soldaten und dem Ergebnis an erbeuteten Schiffen bis zur Schlacht von Actium (ce. 3) und dann durch Aufzählung der Triumphe, der imperatorischen Akklamationen und der Supplikationen zu Ehren der „unsterblichen Götter“, gipfelnd in dem Satze von der Vorführung von neun Königen und Königskindern in den drei Triumphen vom 13.—15. August 29 v. Chr. (c. 4).
Was den Inhalt im einzelnen betrifft, so werden die beiden Grup- pen der bella civilia und externa gleichzeitig in Land- und Seekriege zerlegt (c. 3: bella terra et mari civilia externaque toto in orbe). Die Bürgerkriege und Seekriege aber erhalten nach der offiziellen Auf- fassung ihren Abschluß mit dem Sieg von Actium. Was die ersteren betrifft, so beweist das sowohl unser Monument selber durch den An- fang von c. 34 (VI 13) b[ella ubi civi]lia exstinzeram, wie auch Vel- leius II 89: finita vicesimo anno bella civilia!) und Sueton Aug. 9: bella civilia quinque gessit: Mutinense, Philippense, Perusinum, Sieu- lum, Actiacum. Da der mutinensische und philippensische Krieg in ce. 1 und 2 schon berührt sind, so bleiben für c. 3 noch die drei zuletzt genannten übrig. In diese letzten Bürgerkriege fallen zugleich auch die einzigen Seesiege Octavians. Die Erbeutung von 600 naves, die am Ende von e. 3 erwähnt wird, faßt alle Schiffsbeute des Herrschers bis Actium zusammen?) und erinnert jeden hauptstädtischen Leser an die Epoche der Seekriege mit ihren großen Schlägen gegen Sextus Pompeius (Mylae, Naulochos) und Antonius (Actium), durch die die überseeische Getreidezufuhr für Rom wieder sichergestellt wurde.’) Zu den bella externa vergleiche man noch einmal Velleius Il 89, wo es zum Jahre 29 v. Chr. heißt (s. o.): finita vicesimo anno bella civilia, sepulta externa, revocata paw. Die bella externa sind der Krieg gegen Dalma- tien und gegen Ägypten. Wenn Sueton in den Eingangsworten von
: Aug. 20 weiter ausgreift (bella duo omnino per se gessit, Delmaticum adulescens adhuc et Antonio devicto Cantabricum ... reliqua per legatos aulministravit), so kam es ihm an dieser Stelle auf die Scheidung der
_ augustischen Kriege in solche, die er selbst geführt, und solche, die er
1) Ähnlich Tac. ann. III 28, Livius Epit. 183; dazu Mommsen, Res gestae ? S. 146, der die Zeitangabe des Velleius richtig auf 49—30 v. Chr. bezieht.
2) Vgl. Mommsen, Bes gestae? 8. 9.
3) Appian b. c. V 108 u. 119ff.,; Plut. Ant. 68.
3. Das Urmonument 31
dureh Legaten hat führen lässen, an. Daß die Worte vöctor — peperci, sowenig sie auch in Wirklichkeit mit den Tatsachen in Einklang stehen, sich „vorzugsweise auf die Zeit bis zur Schlacht bei Actium beziehen“, ist schon von anderer Seite betont worden.!) An unserer Stelle haben wir die offizielle Version vor Augen, die mit Rücksicht auf Octavians Benehmen nach der Schlacht bei Actium geprägt worden ist (Vel- leiusIl 86: victoria vero fwit clementissima nec quisgquam interemptus est?), die folgenden Worte sind verderbt), und die in der Verleihung der corona querna civica ob cives servatos vom Jahre 27 ihren Ausdruck gefunden hat.) Das Gegenstück zu der gegenüber den Bürgern be- tätigten Milde ist der im folgenden Satz des c. 3 stehende Hinweis auf die Schonung äußerer Feinde, wenn irgend die Staatsräson es erlaubte. Im allgemeinen handelt darüber auch Sueton (Aug. 21). Die beste Illu- stration gerade zu unserer Stelle bietet aber Appians Darstellung der illyrischen Kämpfe der Triumviralzeit (Illyr. 16ff.). Die Veteranen- versorgung, auf die dann angespielt wird, ist niemals in größerem Maß- stab vorgenommen worden, als nach den Schlachten von Philippi und Actium, zunächst ausschließlich mit Land, nach Actium zum Teil auch schon mit Geld.) Nach c. 15, II 17—19 waren im Jahre 29 v. Chr. in den Militärkolonien des Augustus schon 120000 Veteranen zur An- siedlung gebracht. Das Land, das im Jahre 30 an die Soldaten zur Verteilung kam, war, nach c. 16, III 22ff, vom Herrscher käuflich in Italien erworben und kostete ihn etwa 600 Mill. Sesterzen. Das Merk- würdigste an der Disposition des Kapitels ist aber, daß nach allem Vor- hergehenden im Schlußsatz des Kapitels die Zahl der erbeuteten Schiffe steht, also das Ergebnis der Seekriege, und zwar nur dieses eine Re- sultat erwähnt wird. Da diese Anordnung eine Folge der Anwendung des Gesetzes des Steigerung ist, sind die Bemerkungen zum Ende des nächsten Kapitels zu vergleichen. Doch geht daneben einher noch das Streben in diesem Punkt, den größten Seesieger der Vergangenheit, C. Duilius, zu übertrumpfen, an dessen Ehrung diejenige des Octa- vian nach der Besiegung des Sextus Pompeius im Jahre 36 erinnert, .
1) W. Fürst, Suetons Verhältnis zu der Denkschrift des Augustus, Erlanger Diss., Ansbach 1904, S. 31. Hier sind die Stellen aus Sueton (Aug. 13 u. 15) und Cassius Dio (47, 49; 48, 14; 51, 2) zusammengestellt, die im Widerspruch zum Monumentum stehen; vgl. auch Mommsen, Res gestae? 8.6; Gardthausen -11 8. 394, II1 8. 207 A. 4. 2) Die Velleiusstelle beweist, daß auch schon die Autobiographie im gleichen Sinne sich geäußert hatte; vgl. Blumenthal, Wien. Stud. XXXVI, 1914, 8.9. . 8). Vgl. Mon. Anc. c. 84, VI 18, Fast. Praenest. zum 13. Jan. CIL I? S. 281 und eine Anzahl Münzen, über die Mommsen, Res gestae? S. 140ff. hanlelt, auch Ovid Trist. III 1, 47, Val. Max. II 8, 7, Cassius Dio 58, 16. 4) Cassius Dio 51, 4; vgl. im allgemeinen Mommsen, Res gestae? S. 9. A 3*
32 III. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
nämlich wie es Appian (b. c. V 541) ausdrückt, &wl xlovog Ev dyood xoVosog Eoravaı uer& ayhuatog oüneo Eymv elonide, megızzınaevov to xlovı veßv EußöiAmv.!) Das Standbild auf der Säule aber trug die Inschrift: öre *rrv elgrivnv Eoraaızuevnv Ex noAlod Gvvedınde xarık ve yiv nal Iuiaocav’.
Zum ersten Satz von c. 4 ist wieder Sueton heranzuziehen, Aug. 22: bis ovans ingressus est urbem, post Philippense et rursus post Siculum bellum. curulis triumphos tris egit, Delmaticum, Actiacum, Alexandri- num, continuo triduo omnes, also die beiden Ovationen vom Jahre 40 und 36 v.Chr. und der große dreitägige Triumph vom 13.—15. August 29 v.Chr.?) Dann folgt die Erwähnung der imperatorischen Akkla- mationen, der Zahl nach 21 bis zum Jahre 14 n. Chr. Daß die heute in unserem Text stehende Zahl von der zweiten Hand nach dem Tode stammt, ist oben wahrscheinlich gemacht worden.?) Im Jahre 29 war Oectavian zum siebenten Male Imperator.*) Von den imperatorischen Akklamationen kehrt der Text nun wieder zu den Triumphen zurück und stellt den angenommenen Triumphen die abgelehnten gegenüber. Diese seltsame Disposition erklärt sich am besten, wenn der neue Satz später nachgetragen ist. Die Ablehnung von Triumphen beginnt auch erst nach dem cantabrischen Krieg 25 v. Chr.) Zu der Niederlegung des Lorbeers auf dem Kapitol ist zu vergleichen, was Cassius Dio 54,25 und 55, 5 zu den Jahren 13 und 8 v. Chr. zu berichten weiß.) Von vota soluta nach dem bellum Philippense (aedes Martis) und der expeditio Cantabrica (aedes Iovis tonantis) gibt Sueton (Aug. 29) Kunde. Die Neuerungen des Triumphalwesens nach der Weihung des Mars Ultor-Tempels im Jahre 2 v. Chr. (Sueton Aug. 29 und Cassius Dio 55, 10) ignoriert unsere Stelle vollständig. Halten wir also die eben betrachteten zwei Sätze für einen späteren Nachtrag, so haben wir einen guten Fortgang der Darstellung von den Triumphen zu den imperatorischen Akklamationen, dann zu den Supplikationen, durch
1) Die Säule kam auf dem Forum zur Aufstellung; vgl. die Darstellung auf einer Münze, abgebildet bei Gardthausen I1 8. 281. Auch nach Actium wurden die Schnäbel zerstörter feindlicher Schiffe als hervorragendste Beute betrachtet und verwertet, Gardthausen I 1 S. 390f.
2) Kritische Behandlung der übrigen hierher gehörigen Stellen bei Momm- sen, Res gestae? 8.10; Gardtbausen I S. 471—481, II 8. 257—266; A. Stein, Untersuchungen zur Gesch. u. Verwaltung Ägyptens, Stuttgart 1915, S. 68f.
3) S. oben 8. 20 u. 24.
4) Mommsen, Res gestae S. 12.
5) Cassius Dio 53, 26. Es folgen die Ablehnungen im Jabre 20 (Dio 5 54, 8 hat hier fälschlich eine ovatio, vgl. Mommsen, Res gestae? 8. 19) und im Jahre 8 v. Chr. (Dio 55, 6).
6) Die Stellen sind ausgeschrieben bei Mommsen, Res gestae? 8. 20.
8. Das Urmonument 33
welch’ letztere vor allem der Gottheit die Ehre gegeben wurde. Nach den ersten Siegen im mutinensischen Krieg im Jahre 43 wurde gleich ein Dankfest von 50 Tagen beschlossen.!) Unter den weiteren Supplikationen der älteren Zeit sind diejenigen aus Anlaß der Übergabe des Heeres des Lepidus in Sizilien uns deshalb dem Tag nach (3. September) bekannt, weil sie nach dem Zeugnis der Kalen- der zum ständigen Jahresfest geworden sind.?) Über Dankfeste nach dem Sieg bei Actium handelt Cassius Dio 51,19. So ist nach den vielen Siegen Octavians in der Triumviralzeit schon eine stattliche Zahl von Supplikationen bis zum Jahre 29 anzunehmen. Daß dagegen die Gesamtzahlen sowohl der Supplikationen wie der einzelnen Dank- festtage, die heute im Monumentum stehen, nachgetragen sind, ist oben (8.25) wahrscheinlich gemacht worden. Nachdem so in c. 4 über die Zahl der Triumphe, der imperatorischen Akklamationen und der Supplikationen berichtet war, kehrt der Schreiber im Schlußsatz zu den Triumphen zurück, um noch die Zahl der in demselben vor- geführten Könige und Königskinder zu geben. Diesen Satz erwartet man normalerweise am Anfang des Kapitels, wo von den Triumphen die Rede war. Die Umstellung an den Schluß ist aus demselben Grunde erfolgt, aus welchem auch im vorhergehenden Kapitel ganz unvermittelt die Erbeutung von 600 Schiffen am Schluß berichtet wird. Es zeigt sich deutlich das Streben des Verfassers, die für die große Masse wirk- samsten Gedanken ans Ende der Kapitel und Abschnitte zu stellen, wie er auch das ganze Dokument mit denjenigen Kapiteln hat schließen lassen, die „einen außerordentlich wirkungsvollen Abschluß des Gan- zen“®) bieten, mit anderen Worten: das Dokument berücksichtigt, etwa wie eine Rede, das Gesetz der Steigerung und läßt von massenpsycho- logischen Erwägungen sich leiten, was bei der Art der Aufstellung in einem jedermann zugänglichen öffentlichen Park (s. o. S. 18) leicht er- klärlich ist. Erfolge zur See und fremde Könige im Triumph: das war das Höchste, was ein römischer Imperator, zumal der republika- nischen Zeit, zu verzeichnen hatte. Die Hervorhebung der Könige und Königskinder sollte vielleicht zugleich ein letzter Schlag sein gegen die „Königspolitik“ des Antonius.*)
1) Cie. Philipp. XIV 11, 29.
2) Mommsen Ges. Schriften IV S. 261; Wissowa, Religion? S. 425; im Kom- mentar von Mommsen, Res gestae? 8. 22 nicht erwähnt.
8) Worte von Wilcken, Hermes 38, 1903, 8.620. Ähnlich auch schon H. Nissen, Rhein. Mus. 41, 1886, 3.492: „Überaus wirksam hat der Verfasser sein höch- stes Verdienst für den Schluß aufgespart und durch Erklärung des Namens Augustus die Quintessenz seiner Politik der Versöhnung von Imperium und
Republik in kurzen Worten ausgedrückt.“ 4) Über diese Politik Kromayer, Hermes 33, 1898, 8. 38ff., 50f., 68.
34. II. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
Nach diesem wirkungsvollen Schluß folgte dann die Datierung des ersten Entwurfes in ganz schlichter republikanischer Weise mit consul eram ete. Die Datierung aber führt, wie wir oben sahen, in die Zeit vor 22 v.Chr. (S.29), am besten in ein Jahr, gleich nach den zuletzt erwähnten Ereignissen. Das große Ereignis, welches in ec. 4 im Mittelpunkt stehen soll, ist schon wegen der Erwähnung am Anfang und am Schluß der große dreitägige Triumph vom 13. bis 15. August 29. Wenn wir nun in diesem Augenblick uns daran erinnern, daß das Mausoleum, dem die Urkunde ihre Entstehung verdankt, im Jahre 28 erbaut, d.h. genauer im-Bau fertiggestellt worden ist, was liegt da näher, als das Mausolenm und den ersten Entwurf der Res gestae als gleichzeitig entstanden zu denken? Es hätte also in diesem Falle im sechsten Konsulat (im Jahre 28) der erste Entwurf das Licht der Welt erblickt und wäre dementsprechend im letzten Satz ursprüng- lich datiert gewesen. Möglich wäre höchstens noch das Ende des fünf- ten Konsulats (nach dem 15. August), weil die Inschrift wohl schon gleich bei der Aufstellung der Pläne für das Gesamtbauwerk von Octa- vian entworfen wurde und weil noch keine der Taten aus dem so ereignisreichen Jahre 28 v. Chr. berücksichtigt wird.
Auf Grund dieser Darlegungen bringen wir das „Urmonument“ zunächst zum Abdruck, um daran dann noch einige Bemerkungen an- zuschließen:
Res gestae Caesaris.
. Annos undeviginti natus exercitum privato consilio et privata im- pensa
. comparavi,per quem rem publicam[do ]minatione factionis oppressam
. in libertatem vindica[vi. Quas ob res sen]atus decretis honor[ifi]- eis in
4. ordinem suum m[e adlegit C. Pansa A. Hirti]o consulibu[s, c]Jon[sula-
5. rem locum s[ententiae dicendae tribuens?), et im]perium mihi dedit.
6. Res publica n[e quid detrimenti caperet, me] pro praetore simul
cum
7. consulibus pro[videre iussit. Populus] autem eodem anno me
8. consulem, cum [uterque in bello?) ceci]disset, et trium virum rei publi-
. cae constituend[ae creavit].
I
® 8
©
1) 2. 5 statt Gribuens vielleicht mihi dans.
2) Die Ergänzung von Mommsen [cos. uterque bello cecijdisset ist unmög- lich wegen der Abkürzung cos. = consul. Auch im Griechischen ist Raum für Ev a]oikum,
3. Das Urmonument ‚35
10. Qui parentem meum [trucidaver]un[t, eo]s in exilium expuli iudi- ciis legi-
11. timis ultus eorum [faJcin[us, e]t postea bellum inferentis rei publicae
12. viei b[is alcie.
13. Bjella terra et mari e[ivilia exterinaque toto in orbe terrarum
s[aepe gessi
14. vietorque omnibus [veniam petentibjus civibus peperci. Exte[rnas
15. gentes, quibus tuto [ignosei potjui[t, co]nservare quam excidere m[alui.
16. Millia eivium Roma[norum sub] diente meo fuerunt cireiter[...
17. ..]. Ex quibus dedu[xi in lo aut remisi in municipia sua sti- pendis emeri-
18. tis millia aliquant[o plura qu]am ... et iis omnibus agros a[dsignavi
19. aut pecuniam pro p[raemiis milit]iae dedi. Naves cepi sescen[tas praeter
20. eas, si quae minore[s quam trirjemes fuerunt.
21. [Bis] ovans triumphaf[vi, tris egi cJurulis triumphos et appella[tus sum sep-
22. bies] imperator ..........ce.0..- Ob res a [me aut per legatos
23. meos auspicis meis terra m[ariquje pr[o]spere gestas...........
24. .... decrevit senatus supp[licalndum esse dis immol[rtalibus. Dies igitur, | |
25. pe]r quos ex senatus consulto [sJupplicatum est, fuerunt. .... In triumphis
26. meis] ducti sunt ante currum m[eJum reges aut rfegJum lib[eri novem. [Consul] 27. eram quintum [oder sextum], c[u]m [scripsi] haec.
In diesem ältesten Teil ist jedes Wort überlegt; nach Inhalt, Form und Disposition ist kein späterer Abschnitt mit diesem Teil zu vergleichen. Hier spricht der Mann zu uns, der die großen Erfolge der Jahre 23—23 noch nicht hinter sich hatte.
Zunächst ein paar Einzelbemerkungen zu dem Text:
Der erste Satz von c. 1 gibt den Staatsstreich, mit dem Octavian seine Karriere begonnen hat, unumwunden zu, kleidet ihn aber im Hauptsatz in Worte Ciceros, im Nebensatz in solche Caesars. Cicero sagt Phil. III 5: Qua peste privato consilio rem publicam — neque enim fieri potuit aliter — Caesar liberavit. Qui nisi in hac republica natus essel, rem publicam scelere Antoni nullam haberemus, III 14: sceleratus Caesar, Brutus nefarius, qui contra consulem privato consilio exerei- tus comparaverunt; vgl. auch IV 2 und 4, V 3, VII 10, XI 20: impe- rium O. Caesari belli necessitas, fasces senatus dedit. Die Begründung für
36 II. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
den Staatsstreich hatte einst Caesar schon gegeben im bell. civ. 122: se e provincia egressum .... ut se et populum Romanum paucorum factione oppressum in libertatem vindicaret, wobei er — bezeichnend für Cae- sar — seine Persönlichkeit dem römischen Volke voranstellte.!) Cicero hatte die Notwendigkeit von Octavians eigenmächtigem Vor- gehen gegen Antonius anerkannt (vgl. oben: neque enim fieri potuit aliter), und Caesar hatte in ähnlicher Lage sein Vorgehen mit der ur- alten Phrase aller Revolutionäre, daß er dem Staate die Freiheit ge- bracht habe, entschuldigt. Hinter beide verkriecht sich also der vor- sichtige neue Mann mit seiner ersten „Tat“. Erinnert wird man auch bei der Fassung des ersten Satzes an die Erzählung von dem Empor- kommen des Pompeius, der seine Karriere ebenfalls damit begann, daß er — ein 23jähriger amtloser Mann — im Jahre 83 in Picenum drei Legionen aufbrachte und die Landschaft für Sulla gewann, der ihn dafür als Imperator begrüßte.) Nach Reitzenstein®) hat auch Cicero im 6. Buch von de re publica das Verhalten des Staatsführers in diesem Falle schon behandelt. „Bei offener Gewalt oder Rechts- verletzung durch die Gegner wird er dem Staat auf jede Weise zu Hilfe kommen und selbst vor der Verwendung rechtswidriger Mittel nicht zurückscheuen. Dann tritt er auch als Privatmann kraft inneren Rechts an die Spitze des Staates, der sich in ihm gleichsam verkör- pert und durch ihn in Notwehr handelt.“*) Trifft Reitzenstein hier- mit das Richtige, so ist die Anlehnung an Cicero eine noch viel engere, als ich ursprünglich vermutete.
Im zweiten Satz hat der leider durch den Krieg uns entrissene Fr. Blumenthal eine kleine Umstellung der Ehrungen nachgewiesen. ®) Die Verleihung des proprätorischen Imperiums geht den decreta honorifica
1) Ebenso in dem Schreiben, das Curio am 1. Januar 49 im Senat zur Verlesung bringen ließ, worin Caesar seine Bereitwilligkeit aussprach, seine Stellung niederzulegen, wenn Pompeius das gleiche tue. Appian b. c. II 128 gibt als Schluß des Schreibens den Satz: &gyovrog d’Erı Exslvov odre dnodnosoda vol rıungbv drinn ıj ve wargidı xal Eavro nark vdyos kylisches (hier also mit Nachstellung der eigenen Person); vgl. zu den Stellen auch Ed. Meyer, Caesars Monarchie, 2. Aufl. Stuttgart 1919, S. 282 Anm. 1. Nachträglich bemerke ich, daß auch schon R. Poehlmann, Aus Altertum und Gegenwart, N.F. 8. 220f. auf Caes, bell. eiv. [22 hingewiesen hatte. Zum erstenmal aber habe ich auf die Stelle aufmerksam gemacht Klo III, 1903, S. 84.
2) Plut. Pompeius 6; Cicero, Phil. V 43f. (hier Vergleich von Pompeius und Octavian); Mommsen, Röm. Gesch. II® 8. 321f.; Ed. Meyer a. a. O. S. 6.
3) In dem ausgezeichneten Aufsatz Die Idee des Principats bei Cicero und Augustus in Nachr. d. Gött. Geselisch. der Wiss. 1917 8. 431.
4) Vgl. auch ebenda $. 492 auf Grund von Ciceros Ausführungen in den Philippicae, z. B. XI 27: „Im Ausnahmezustand tritt der vir dignissimus ganz für den Staat ein und, was er auch immer tut, ist recht.“
5) Wien. Stud. 36, 1914, 8. 19.
3. Das Urmonument 37
zeitlich voraus!), während unser Dokument die umgekehrte Reihenfolge aufweist.?) Die Begründung, die Blumenthal dieser Umstellung gibt, vermag ich nicht anzunehmen. Blumenthal sagt: „In der Tat ist durch die Umstellung ein bestimmter Zweck erreicht. Wurde die Erteilung des Imperiums unmittelbar nach der Heereswerbung angeführt, so trat das Illegale seines Vorgehens allzudeutlich hervor. Am allerwenigsten konnte bei dieser Reihenfolge die nachträgliche Legitimation seiner Gewalt mit der Aufnahme in den Senat und den damit verknüpften Ehrungen unter die decreta honorifica zusammengefaßt werden oder dem Leser wenigstens nahegelegt werden, den Sachverhalt so aufzu- fassen. Daher hat also Augustus die Erteilung des Imperiums an den zweiten Platz gerückt.“ Ich kann nicht finden, daß durch die Erzäh- lung der Ereignisse in der richtigen zeitlichen Folge das Illegale des Vorgehens noch deutlicher geworden wäre, als es im ersten Satz zu- tage getreten war. Meines Erachtens ist vielmehr die Umstellung nur deshalb erfolgt, weil sich so das im dritten Satz mitgeteilte senatus consultum ultimum am einfachsten anschließen ließ. Auch in der Formulierung dieses Satzes hat sich Octavian eine Verschiebung des wirklichen Herganges erlaubt, indem er sich als zur Ausführung des genannten senatus consulltum mitbevollmächtigt bezeichnet. In Wirklichkeit liegt die Sache so, daß ein Dreifaches zu unter- scheiden ist, und zwar in der folgenden zeitlichen Ordnung, wie G. Plaumann?) dargelegt hat: 1. die Verleihung der imperium pro praetore an Octavian vor den decreia honorifica am 2. Januar 43 (s. 0.); 2. der Beschluß (vor Rückkehr der Gesandten an Antonius), ut consul alter ambove ad bellum proficiscerentur und ferner dilectus haberi tota Italia sublatis vacationibus, um Ciceros Worte zu gebrauchen.)
1) Ausschlaggebend ist die Tatsache, daß in Ciceros formuliertem An- trag der decreta honorifica Phil. V 46 Octavian schon als pro praetore bezeichnet wird: quod C. Caesar, Gai filius, pontifex, pro praetore, summo rei publicae tempore milites veteranos ad libertatem populi Romani cohortatus sit eosque con- scripserit quodque legio Martia atque quarta summo studio optimoque in rem publi- cam consensu C. Caesare duce et auctore rem publicam, libertatem populi Romani defendant defenderint, et quod O. Caesar pro praetore Galliae provinciae cum exercitu subsidio profectus sit... ob eas causas senatui placere C. Caesarem, Gai filium, pontificem, pro praetore, senatorem esse sententiamque loco praetorio dicere eiusque rationem, quemcumque magistratum petet, ita haberi, ut haberi per leges liceret, si anno superiore quaestor fuisse. Das Monumentum zeigt, daß Ciceros Antrag durch Beschluß des locus consularis übertrumpft wurde. Dagegen fehlt an unserer Stelle ein Hinweis auf die Verleihung des Alters- nachlasses bei der Ämterbewerbung.
2) Ebenso allerdings auch Cassius Dio 46, 29, 5; dazu Plaumann, Klio XIII S. 832, ungenau auch Appian b. c. V 209.
3) Klio XIII (1913) 8. 329—334. 4) Phil. VII 11—13, ad fam. XI 82.
38 II. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
Mit Recht hat Plaumann!) hiermit Cassius Dio 46, 29, 5 kombiniert, woraus sich dann ergibt, daß bei dieser Gelegenheit Octavian aller- dings neben den Konsuln als Mitbeauftragter für den Kampf gegen Antonius genannt worden ist. 3. Nach der Rückkehr der Gesandten folgt dann offenbar die Verschärfung durch ein senatus consultum de republica defendenda, und hierfür erhalten nach Cassius Dio 46, 31, 2 nur die Konsuln ein Mandat vom Senat.?)
Wenn Dio also an der zweiten Stelle das Richtige gegeben hat, ertappen wir hier Octavian wieder auf einer Verschiebung der Sache zu seinen Gunsten: er war wohl gleich den Konsuln mit dem Krieg gegen Antonius betraut, aber bei dem Auftrag videant ne quid etc. nieht noch einmal genannt worden, während er sich hier noch für diese Verschärfung der Situation als mitbevollmächtigt bezeichnet. Doch bleibt immerhin zu bedenken, daß allein Dio der Gegenzeuge ist, der in der Darstellung der augustischen Regierung voll von Irr- tümern steckt.°)
In c. 2110 mache ich auf die Worte parentem meum aufmerk- sam, während Caesar an allen anderen Stellen (c. 10 II 24, c. 15 III 7 patris mei und c. 20 IV 14) als pater meus bezeichnet wird. Weiter ist hervorzuheben, daß Octavian hier die Siege von Philippi für sich in Anspruch nimmt, was nicht mit dem Lapidarstil des Dokuments erklärt werden darf, sondern Absicht ist.*)
Was c. 3 betrifft, so ist oben schon bemerkt worden, daß das Thema der Veteranenversorgung in c. 16 nochmals aufgenommen wird, insofern Augustus an der zweiten Stelle die durch die Versor- gung entstandenen Kosten zusammenstellt. Die beiden Stellen ergänzen also einander, können daher sehr wohl zu verschiedener Zeit geschrie- ben sein.
Und nun noch ein Wort über die erste Niederschrift als Ganzes. Unmittelbar nach dem großen dreitägigen Triumph vom 13., 14, 15. August 29, der die erste große kriegerische Epoche im Leben des neuen Mannes abschloß, ist Octavian noch nicht 35jährig an den Bau des Mausoleums gegangen und hat das bis dahin Erreichte für eine vor dem gewaltigen Bauwerk aufzustellende Inschrift in lapidarer Form
1) a. a. 0. 8. 331.
2) xal Toig Öndrog ıyV Yularıv züs wöhsng Enkrgenpan, Ensivo ÖN vd To Söyuerı moooyodnpantes, vd umdlv dm abınig dnoreıfiver.
3) Das betont mit Recht v. Domaszewski, Die Consulate der röm. Kaiser, S.-Ber. der Heidelb. Akad. 1918 6. Abhandlg. (8. Juli 1918) S. 5 Anm. 2.
4) So richtig Fr. Blumenthal, Wien. Stud. XXXV, 1913, 8. 145, der gleich- zeitig zu erweisen sucht, daß Octavian in der Autobiographie nicht anders ge-
‘ urteilt habe.
3. Das Urmonument - s 39
zusammengefaßt. Er war einer jener Hypochonder, die fortgesetzt den Tod vor Augen sehen und doch alt werden. In diesem Augenblick war es vielleicht das Schicksal Alexanders d. Gr., das ihm vor der Seele stand und ihn trieb, sein Haus zu bestellen und sein Werk zu sichern. Dazu kam: Seit dem Ablauf des Triumvirats wer er durch den Staatsstreich vom Frühjahr 32 der absolute Herrscher des Westens, äußerlich der eine Konsul der Republik nur, aber als solcher seit 31 von Jahr zu Jahr wiedergewählt!) und seit dem Jahre 30 da- neben noch mit der tribunicia potestas ausgestattet.?) So versteht man es, daß er diesen ersten Entwurf der Inschrift abgestellt hat auf die vier großen Tugenden, die offenbar schon zu dem von Cicero aufge- stellten Idealbild des Prinzeps gehören°) und die zum Teil die Tugen- den waren, die sein Volk groß gemacht hatten.*) Er ist nach den vier Kapiteln, die den Entwurf ausmachen, der vir (c. 1) iustus (c. 2), clemens (ec. 3), pius (c. 4)°), der Mehrer des Reiches nach außen, der Beendiger der Bürgerkriege, Wohltäter der Soldaten, Erbeuter von 600 naves und 9 reges, der höchsten Trophäen, die der republikanische Römer einbringen konnte, mit einem Worte der Mann, dem im Be- ginn des Jahres 27 der Ehrenname Augustus, die corona civica ob cives servatos und der goldene Ehrenschild mit der Inschrift virtutis, ele- mentiae, iustitiae, pietatis causa verliehen wurden (c. 34) und dem darob Horaz die Preislieder carm. III 1—6 gedichtet hat.) Jetzt wissen wir, von wem die Anregung zu alle dem ausgegangen ist. Wahr- scheinlich schon am Ende des Jahres 29 v. Chr. war die Inschrift auf . die vier Tugenden verfaßt, die dermaleinst vor dem im Jahre 28 fertig- gestellten Mausoleum ihren Platz finden sollte, zunächst natürlich, so-
1) Tac. ann. [2 posito triumvirs nomine consulem se ferens et ad tuendam plebem tribunieio iure contentum. Die Auffassung dieser Stelle, die neuerdings F. Haverfield (Journal of Roman Stud. U, 1912. S. 195ff.) vorgetragen hat, ver- “ mag ich nicht zu teilen.
2) Tac. ann. I 2 (s. d. vor. Anm.) und Cassius Dio 51, 19, 6; über diese Stelle vgl. meine Ausführungen unten 8. 49.
8) Vgl. R. Reitzenstein a. a. O. 8. 429.
4) Vgl. Dionys v. Hal. in der praefatio I c. 4 od dı’ edseßsıa» 08 xal Öıxaroodvnv nal viw Kllnv Kosrıv En) viw dndvrov Tyswovlav obv Xodvo m02AoVong.
5). Die pietas ist allerdings eine doppelte, die eine im Verhältnis zum Vater, dessen Tod er gerächt hat, und die andere adversus deos; vgl. darüber G. Wissowa, Religion? 8. 331f.
6) Mommsen in der Festrede vom 24. Jan. 1889, Reden und Aufsätze 8. 168ff.; v. Domaszewski, Der Festgesang des Horaz auf die Begründung des Prinzipates, Rhein. Mus. 69 8. 302ff. = Abhandlungen zur Röm. Religion 1909 S. 11lff. v. Domaszewski hat nachgewiesen, daß Horaz zum Preise der feier- lichen Aufrichtung des Ehrenschildes in der curia. Iulia sein Festlied ge- dichtet hat. .
40 III. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
lange sie so kurz war, auf einer Stele. Die betrachteten vier Ka- pitel sind recht eigentlich die res gestae Caesaris oder der index rerum gestarum. Nur auf diesen Teil paßt genau dieser Titel, der demnach wohl schon damals zur Bezeichnung der Inschrift geprägt worden ist, wahrscheinlich in Anlehnung an die kleine Schrift, die Octavian schon im Jahre 36, r& &oya xal mv noAırelav Eauvrod umfassend, herausgegeben hatte.!)
4. DIE ENTSTEHUNG DER GESAMTINSCHRIFT
Was mich veranlaßte, mit der Abfassung des ersten Entwurfes womöglich noch ins Ende des Jahres 29 hinaufzugehen, war vor allem der Umstand, daß von den großen Maßnahmen zur Neuaufrichtung des Reiches in den Jahren 28 und 27 v. Chr. darin noch gar keine Rede ist, daß vielmehr erst c. 34, beginnend mit den Worten: In consulatu sexto et septimo, uns hiervon Kunde gibt. Wenn wir jetzt das Jahr er- mitteln wollen, in welchem der größere Rahmen des Gesamtdokuments gespannt worden ist, so müssen wir von zwei Tatsachen ausgehen, ein- mal von der seltsamen Lücke in der zeitlichen Aneinanderreihung der Ereignisse, die zwischen c. 4 und 5 klafft, wo wir vom Jahre 29 (c.4) plötzlich ins Jahr 22 (c. 5) versetzt werden, und zum zweiten von dem Umstand, daß das soweit hinten stehende c. 34 erst die ungemein be- deutungsvollen Ehrungen des Jahres 27, darunter die Erhebung zum Augustus, bringt, endigend in dem Satze: Post id tem[pus praestiti om- nibus dignitate, potest]atis auliem n]ihilo ampliu[s habui quam qui fuerunt mJihi quoque in malgis]tra[t]u conlegae. Dieser Satz war längere Zeit, wie wir noch sehen werden, der Schlußsatz des Ganzen und feiert den neuen Augustus als primus inter pares, genauer als prin- ceps civium, ohne diese Bezeichnung, der sich durchaus im Rahmen der republikanischen?) Verfassung hält, aber trotzdem zunächst kein offizieller Titel war, zu gebrauchen
Einander gegenübergestellt werden in dem Satz die Begriffe di- gnitas und potestas. Das letztere ist die Amtsgewalt, was aber will dignitas andeuten, äußere oder innere Würdigkeit? Der griechische Text übersetzt dignitate wörtlich mit d£i@uerı, das Wort kehrt nur gr. IV 3 (e.7) in dem Satze: zg&rov dEiwuerog Tomov &ayov rüg Ovv- »Antov #rA. wieder. Danach dürfen wir wohl auch dignitas auf die äußere Würde, das Ansehen, die Rangstellung im Staate beziehen,
1) Appian bell. civ. V 589: zig d’dmiovong abrög EßovAnyöenoe re xal &önunydenoe, z& Eoya nal ryv wolırslav davrod riv dm’ dogs Es .r6re norallyav' nal vü eionufve ovyyodnas rd Bıßliov EEldmxe; s. Exkurs IV.
2) So richtig M.Gelzer, Die Nobilität der röm. Republik, Leipzig 1912, 8. 88.
4. Die Entstehung der Gesamtinschrift 41
aber hier ist es eine solche, die durch den inneren Wert erhöht wird. Die beiden Stellen ergänzen einander und gehören, wie wir nachher sehen werden, beide dem ersten Entwurf des Gesamtdokuments an. Der erlauchte Schreiber hebt jedesmal nur seinen hohen Rang hervor, das erstemal inter senatores, das zweitemal inter cives. Ohne den Titel selber zu gebrauchen, will sich Augustus als princeps senatus bzw. ' als princeps civium kennzeichnen.) Es ist das Charakteristische der älteren Teile des Schriftstücks, daß die später gebrauchte?) Bezeich- nung princeps für den neuen Staatsleiter, obwohl die Anwendung, wie gesagt, gegen den republikanischen Brauch nicht verstoßen hätte, darin noch vermieden, dagegen principes viri für die Senatoren, selbst in den jüngeren Teilen, angewendet wird.®) So hatte ich 1914 meine Ansicht formuliert. Ich habe mit Absicht den Text stehen gelassen, um darzutun, daß ich schon damals die Interpretation des Wortes d&- gmitas für besonders wichtig erachtet habe. Nun hat R. Reitzen- stein in seiner Untersuchung, die ich schon mehrmals zitiert habe, die Bedeutung von dignitas auf breiterer Materialgrundlage noch ein- gehender beleuchtet. Ich stimme ihm vollkommen zu, wenn er aus- führt: „Man kann geradezu sagen, daß sich nur aus ihm die Idee des Prinzipates und der Begriff princeps erklärt (häufig die Verbindung princeps dignitate).““) Ebenso hat er den Inhalt des Begriffs dignitas richtig definiert in den Worten: „Wohl entspricht äußerlich gefaßt die dignitas der Rangstufe in der Amtslaufbahn und ist daher auf der gleichen Stufe für alle gleich (daher die gradus dignitatis), aber inner- lich gefaßt ist sie nach Leistung und Ehrung des einzelnen verschie- den, und jede neue Leistung oder Ehrung gibt weiteren Anspruch und führt von selbst zu dem Streben, den größten Anspruch und damit den entscheidenden Einfluß im Staate zu haben.“5) Und speziell von unserer Stelle sagt Reitzenstein: „Mit voller Schärfe scheint mir hier ausgesprochen, daß der Prinzipat als solcher zunächst kein Amt ist
1) Es ist daher falsch, wenn Mommesen c. 7 I 44 ergänzt: princeps se- natus fui. Im griechischen Text steht, wie oben angegeben, ganz anders, und dazu stimmt, wenn Mommsen, Staatsr. II® 8. 895, sagt: „Wie die Zugehörigkeit zum senatorischen Stande nur ausnahmsweise hervortritt, so haben auch die Kaiser die Bezeichnungsweise princeps senatus regelmäßig vermieden.“
2) c. 18 IT 45 und c. 82 VI 6 me principe, c. 30 V 44 ante me princi- pem. Augustus wird in dieser Beziehung freier, seitdem der Thronfolger den offiziellen Titel princeps iuventutis = Erster der ritterlichen Jungmannschaft erhalten hatte, wie c. 14 III 4f. berichtet wird.
8) c. 12 II 85, über die Stelle vgl. meine Ausführungen unten 8. 70. Interessant ist die Anwendung des Ausdrucks auf die „Ersten“ (ol xewro: in der Übersetzung) der Parther und Meder c. 33 VI 9.
4) a. &. OÖ. 8. 480. 5) S. 431.
423 II. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichta
und keinerlei rechtliche Befugnisse gibt. Nur Nebenämter gebemr sie; er selbst gründet sich auf die Rücksicht, die dem öffentlich von den berufenen Stellen anerkannten höchsten Verdienst gezollt werden muß.“!) Augustus „will nachweisen, daß nie ein Römer eine ähnliche dignitas erworben hat“.?) Seine ganze Darstellung bewegt sich also auch hier noch vollkommen im Banne der ciceronianischen, von Pa- naitios entlehnten Theorie vom Prinzipat, die unabhängig voneinander Th. Birt?), R. Reitzenstein“) und E. Meyer®) in den letzten Jahren nachgewiesen haben. „Die Anerkennung der dignitas des princeps schließt nach der aristokratischen Auffassung die Existenz der Repu- blik nicht aus, sondern sichert sie und krönt das Gebäude.“®) Wenn Cicero (Phil. I 34) den Großvater des Antonius libertaie parem celeris, principem dignitate nennt, so erscheinen diese Worte wie das Motto zu den Ausführungen des Augustus an dieser Stelle.) Das Ideal, der optimus status reipublicae, wovon dieser selbst einmal in einem Edikt gesprochen hat®), ist erreicht.
Wann aber sind die Worte des c. 34, von denen wir ausgegangen sind, geschrieben? Augustus hat zweimal ?n magistratu conlegae ge- habt, im früheren Stadium seiner Laufbahn als consul annuus et per- peluus bis zum Jahre 23 v. Chr. und später als Inhaber der tribunicia potestas, in welcher er fünfmal (ec. 6 am Ende, gr. III 20—23) Amts- genossen sich zugesellt hat, und zwar vom Jahre 18 ab, zweimal für je ein Quinquennium den Agrippa und dreimal den Tiberius, den letzteren ebenfalls zunächst auf ein Quinquennium, dann zweimal für je ein Dezennium.?) Aber diese zweite Kollegialmagistratur setzt erst im Jahre 18 ein und wird zweimal durch Wegfall der Kollegen unter- brochen, zuerst nach dem Tode des Agrippa und dann nach der frei- willigen Selbstverbannung des Tiberius nach Rhodos. Ist es überhaupt glaubhaft, daß Augustus an dieser Stelle an die beiden dem Kaiser am nächsten stehenden Männer gedacht hat? Wenn ja, ist der Satz, auf die tribunicia potestas. der Mitregenten Agrippa und Tiberius angewendet, überhaupt richtig? Mommsen sagt mit Recht’): „es bedarf keines Be- weises, daß die Kollegialität in der tribunizischen Gewalt zwischen dem Prinzeps und dem Mitregenten eine ungleiche ebenso sehr und noch mehr gewesen sein muß als die in der prokonsularischen, wenn dies auch nirgends ausdrücklich gesagt wird“, und an einer zweiten Stelle?!): „es er- mangelt also die sekundäre tribunizische Gewalt in noch höherem Grade
1) S. 485. 2) S. 486.
83) Röm. Charakterköpfe, 2. Aufl., 1916, S. 187, 206f. und 210 Anm. 1. 4) 2.9. 0. 8.399 ff. 6) a. a. O. 8. 176ff, 6) Reitzenstein, a. a. O. 3.489.
7) Birt, a.2.0.8.207. 8)Suet. Aug.c.28,2. 9) Mommsen, Res gestae 8.30f. 10) Röm. Staatsr. IL 2° S. 1161. 11) Ebenda 8. 1163 .
4. Die Entstehung der Gesamtinschrift 43
als die sekundäre prokonsularische einer unmittelbaren Kompetenz und sie ist wesentlich die titulare Mitregentschaft“; sie ist zugleich seit der späteren augustischen Zeit „durchaus die rechtliche Anbahnung der Nachfolge“. Wenn also die Kollegen in der tribunicia potestas schon aus Gründen, die in der offenbaren Inferiorität ihre Stellung gegen- über dem Prinzeps zu suchen sind, hier nicht gemeint sein können, so werden sie streng genommen auch durch die Zeitangabe am Anfang des Satzes: post id tempus, d.h. „nach dem Jahre 27“, ausgeschlossen. Nach diesem Jahr gab es für Augustus nur Kollegen im Konsulat, und zwar nur in der Zeit bis Mitte des Jahres 23. Daraus folgt, daß der Satz geschrieben sein muß vor der Niederlegung des consulatus annuus, also zwischen den Jahren 27 und 23 v. Chr. Dazu paßt aber vorzüg- lich die große zeitliche Lücke zwischen c. 4 und c. 5, wo, wie wir sahen, der Sprung vom Jahre 29 zum Jahre 22 gemacht wird. Mit anderen Worten: Augustus hat nach den ereignisreichen Jahren 28 und 27, in denen der Prinzipat in der älteren (konsularischen) Form aufgerichtet worden war, das Dokument wesentlich erweitert, ja ihm schon damals, vorausgesetzt, daß c. 34 gleich an der Stelle gestanden hat, an der es bei seinem Tode sich befand, diejenige Gestalt gegeben, die es dann behalten hat. Nur durch eine Betrachtung derjenigen Er- eignisse, die zwischen 29 und 23 bzw. vor das Jahr 29 fallen und die möglicherweise vor 23 aufgezeichnet sein können, vermögen wir den Zeitpunkt genauer festzulegen, in welchem der erste Entwurf des Ge- samtdokuments hergestellt worden ist. Daß das mit c. 4 schließende „Urmonument“ ursprünglich nicht mit dem jetzigen c. 5 fortgeführt worden ist, dafür haben wir oben (S. 40) schon auf die zwischen beiden Kapiteln klaffende Lücke von 6 Jahren, und zwar den entscheidenden Jahren im politischen Leben des Augustus, hingewiesen. Ebenso wie c. 5 handelt c. 6 von ab- gelehnten Ämtern. Am Schluß dieses Kapitels wird wie am Schluß von c. 4 die tribunicia potestas erwähnt, ohne daß die Übernahme dieses Amtes, von der wir erst in c. 10 II 21—23 hören, berichtet wurde. Normalerweise gehört der Anfang von c 10 zeitlich vor die Er- wähnungen der tribunicia potestas am Ende von c.4 und am Eude von c. 6. Und in Wirklichkeit ist es auch so gewesen, da, wie wir sahen, die Datierung nach der tribunicia potestas an der ersten Stelle ein später Zusatz ist und die cc. 5 und 6, wie wir jetzt wahrscheinlich zu machen suchen, ein Einschiebsel sind. Das merkt man noch deut- licher, wenn man unmittelbar nach der Lektüre von e. 4 die cc. 7 und 8 liest. Die beiden zuletztgenannten Kapitel schließen sich lückenlos an den Schluß von c. 4 an. Die heutige Fassung des Textes dagegen,
44 II. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
wie sie seit der Einschiebung der cc. 5 und 6 entstanden ist, macht die Erwähnung der zehnjährigen Dauer des Triumvirats am Eingang von c. 7 ganz unverständlich.
C. 7 umfaßt, abgesehen vom Konsulat, das am Ende von c. 4 ge- nannt war, die honores des Kaisers bis zum Jahr 28 herunter, während diejenigen des Jahres 27 in c. 34, dem Schlußkapitel dieses Entwurfs, erwähnt werden. Wie am Ende von c. 1 folgt auch hier auf das Konsulat noch einmal das Triumvirat. Wie dort die Wahl zum ersten Konsulat und dann ins Triumvirat nebeneinanderstehen, so folgt auch hier ursprünglich nach der Erwähnung des fünften Konsulats (s. 0.) die Gesamtdauer des Triumvirats. Zu der eigenartigen Formu- lierung, daß Octavian zehn Jahre hintereinander Triumvir gewesen sei, vgl.man Sueton Aug. 27: triumviratum rei publicae constituendae per decem annos administravit. Sie steht mit anderen Nachrichten, die ganz offenbar aus der Autobiographie stammen, in Widerspruch, dagegen im Einklang mit dem unter Augustus’ Einfluß abgefaßten Fasti consulares!), die zum 1. Januar 37 die Iteration des ursprüng- lich quinquennalen Amtes?) und damit das Ende des zweiten Quin- quenniums zum 31. Dezember 33 berichten, also ebenfalls ein ge- schlossenes dezennales Triumvirat voraussetzen. ?)
Die Erhebung zum princeps senatus, bzw., wie es der allein er- haltene griechische Text richtig ausdrückt, das Recht, „seinen Namen in der Mitgliederliste des Senats an erster Stelle führen zu lassen“*), erhielt Octavian im Jahre 28 im Verlaufe seines ersten Census.d) Die in dem Satz dann hervorgehobene Tatsache, daß er volle 40 Jahre lang dieses Recht gehabt habe, führt auf den Sommer 14 n. Chr.; wir haben also eine Zahl vor uns, die nachträglich durch Tiberius einge- setzt worden ist. Auf die Änderung der Zahl deutet auch das Tempus, [serip]seram statt scripsi, hin.
Die am Schluß des Kapitels folgende Aufzählung der Priester- ämter des Augustus erfolgt, wie es scheint, in chronologischer Reihen- folge, unter der Voraussetzung, daß am Anfang ursprünglich nicht
1) CIL I! p. 28; Mommsen, Staatsr. II® S.718; Kolbe, Hermes 49, 1914, 8. 275f.
2) Fasti Colot. zum Jahre 48 CIL I? p. 64: [M. Aljemilius M. Antonius imp. Caesar III vir r. p. c. ex a. d. V. K. Dec. ad pr. K. Ian. sext(as), also bis zum 81. Dezember 38.
3) Über das Problem des Ablaufes des Triumvirats vgl. den Exkurs V.
4) Mommsen, Staatsr. II® 8. 894.
5) Cassius Dio 53, 1, 3: xl &v «öraig (dem Censuslisten vom Jahre 28) moQ6xgLToS zig yegovoiag Enrenindn, Bomee Ev ch dxpıßel Önuorngarix Everduuoro. Mommsen (Staatsr. II? S. 895 Anm. 1) betont auch hier wieder ausdrücklich: „als princeps senatus im eigentlichen Sinn darf er nicht betrachtet werden“,
4. Die Entstehung der Gesamtinschrift 45
Goxıegeög (pontifer maximus), sondern nur legevg (pontifex) gestanden hat.!) In das Pontifikalkollegium wurde Octavian schon im Jahre 48 nach der Schlacht bei Pharsalus aufgenommen?), Augur wurde er im Jahre 41 oder 40, Quindecimvir zwischen 37 und 34, Fetial war er nachweislich beim Ausbruch des Krieges gegen Antonius und Kleo- patra im Jahre 32. Es darf bei dieser Sachlage wohl angenommen werden, daß er unter die septemviri epulones, die fratres arvales und die sodales Titii auch schon vor 32 v. Chr.), zum mindesten aber vor dem Jahre 29 v. Chr.*) aufgenommen wurde. Damit aber fügt sich das ganze Kapitel, abgesehen von der Zahl guadraginta, dem Entwurf, der zwischen den Jahren 29 und 23 entstanden sein soll, ein.
Hatte c. 7 diehonores des Augustus bis zum Jahre 28 herunter ge- boten, so folgen in e. 8 seine „Taten“ aus den Jahren 29 und 28 in chronologischer Fortführung des index rerum gestarum, wie er in denı Ur- monument geboten war, zunächst auf dem Gebiete der inneren Politik. Die Erwähnung des fünften Konsulats gleich im ersten Satz dürfte als weitere Stütze für meine oben (S. 34) geäußerte Ansicht aufzufassen sein, daß in I 29 ursprünglich auch consul quintum gestanden hat. Die Patri- ziervermehrung, von der zunächst gehandelt wird, erfolgte iussu populi et senatus, d. h. auf Grund der lex Saenia vom Ende des Jahres 30°), mit Zustimmung des Senates im Jahre 29°) und war eine Nachahmung des schon durch die lex Cassia dem Diktator Caesar verliehenen „alten Königsrechts“.”)
1) Die Annahme wird dadurch gerechtfertigt, daß die Übernahme des Oberpontifikates nach dem Tode des Lepidus in c. 10 II 28—28 nochmals und eingehend berichtet wird.
2) Nachweise hierzu und zum folgenden bei Mommsen, Res gestae? 8. 32 ff. Pontifex wurde Octavian gleich nach Anlegung der toga virilis an Stelle des L. Domitius Ahenobarbus, der bei Pharsalus gefallen war, Nic. Damasc. Bios Kaloapog c. 4.
3) Eine Münze des Jahres 16/6 v. Chr. (Mommsen, Res gestae? 8. 83) be- weist, daß er damals sicher allen vier sacerdotum amplissima collegia angehört hat. Die Neugründung der fratres arvales durch Octavian erfolgte zwischen 36 und 21 v.Chr. (E. Bormann, Benndorf-Festschr., 1898, 8. 283f.; Wissowa, Religion? S. 561), wahrscheinlich näher dem Anfang als dem Ende dieses Zeit- abschnittes.
4) Diesen spätesten möglichen Terminus ante quem entnehme ich der ‚Notiz des Cassius Dio 51, 20, 8, wonach Octavian im Jahre 29 das Recht erhält, öffentliche Priester, auch über die gesetzliche Zahl hinaus, zu ernennen, Gardt- hausen 1 8. 867, II S. 508 A. 6. Daraus ist wohl zu schließen, daß er damals selber Mitglied aller Priesterkollegien war.
5) Tac. ann. XI 25. L. Saenius war consul suffectus in den letzten zwei Monaten des Jahres 30, Prosopogr. III p. 156, 40.
6) Cassius Dio 52, 42; zur Sache vgl. Mommsen, Res gestae? 8. 34.
7) Tac. ann. XI 25, dazu Ed. Meyer, Caesars Monarchie? S. 464.
Kornemann, Mausoleum des Augustus 4
46 III. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
Die folgenden Sätze von der Senatsergänzung und dem Census vom Jahre 28 haben ursprünglich zusammengehört, wie das aus dem ersten Entwurf stehen gebliebene et verrät.!) Denn zunächst hat nur die erste senatus lectio vom Jahre 28?) dagestanden und war durch et mit dem Census des gleichen Jahres verbunden, etwa senatumque legi et in consulatu sexto censum populi usw. Mit der Angabe der Bürger- zahl des ersten Census schließt möglicherweise der erste Entwurf dieses Kapitels. Vielleicht hat aber auch der letzte Satz des Kapitels: Legibus novi[s perlatis multa e|rempla usw. schon von Anfang an hier gestanden, weil die Sittengesetzgebung .Octavians im Jahre 28 bereits einsetzt. °)
Angeschlossen hieran ist der Inhalt des c. 9 II 15ff. von den vota, ludi und sacrificia pro salute Octavians, die schon ins Kapitel Herr- scherkult gehören und uns beweisen, wie früh Augustus sich auch im Westen diesen sakralen Ehrungen geneigt gezeigt hat. Der Senats- beschluß bezüglich der vota, der die ludi, die alle vier Jahre pro salute Caesaris gefeiert werden sollten, zur Folge gehabt hat‘), gehört nach Cassius Dio 51,19, 2 ins Jahr 30. Die erste Feier erfolgte im Jahre 28, und zwar durch die Konsuln des Jahres, Octavian selber und Agrippa, worüber wieder CassiusDio (53, 1,4) berichtet, der hinzufügt (53,2,1),daß Octavian selber die Kosten der Festlichkeit bestritt. Nun besteht aber eine inter- essante Divergenz zwischen der Angabe im Mon. Anc. und Cassius Dio. Während nach dem ersteren die Konsuln und die Priester der vier großen Kollegien in der Ausrichtung der Spiele abwechselten, geschah diesnach Dio (53, 1,5), abgesehen von der Feier des Jahres 28, nur durch die Prie- ster. Und die Untersuchung Mommsens hat wahrscheinlich gemacht), daß
1) So schon richtig Wilcken, Hermes 38 8. 627.
2) Nur die erste lectio senatus fiel mit einem Census zusammen bzw. geht ihm im Jahre 29 voraus, wie Cassius Dio 52, 42,1 zum genannten Jabre be- richtet, die späteren lectiones dagegen nicht mehr, wie Ed. Meyer, Kl. Schr. 8.475 A. ı und Fr. Blumenthal, Klio IX, 1909, 8. 494 ff. gegen Mommsen er- wiesen haben. E. Diehl, Res gestae® 8. 11f. steht heute noch auf dem Momm- senschen Standpunkt; vgl. auch Abele, Der Senat unter Augustus in Studien zur Gesch. u. Kultur des Altertums 12 8. 12.
3) Ich halte heute diesen Schlußsatz des c. 8 unbedingt für einen Teil des ersten Entwurfs, nachdem ich Reitzensteins Hinweis (S. 486) auf die Nachwir- kung der stoisch-ciceronianischen Idee auf diesen Abschnitt gelesen habe. Vor allem die Betonung der Erneuerung des alten Väterbrauchs und die Heraus- stellung der eigenen Persönlichkeit als Vorbild paßt vorzüglich zu dem im Banne der genannten Theorie stehenden Entwurf.
4) Vgl. Joseph Wilhelm, Das röm. Sakralwesen unter Augustus. Straßb. Diss. 1915 S. 23; als Iudi pro salute Caesaris erscheinen die Spiele im SC. de ludis saecularibus vom J. 17 v.Chr. CIL VI877 a 4 und bei Plinius N. H, VII 158, dazu Wilhelm a. a. O. S. 25; H. Heinen, Klio XI 8. 144 Anm. 1.
5) Mommsen, Res gestae* 8. a1ff.
4. Die Entstehung der Gesamtinschrift 47
der dionische Bericht dem historischen Tatbestand eher entspricht, zumal die Spiele bei Sueton Aug. 44, 3 direkt ludi pontificales genannt werden. Dann erhalten wir folgende Tabelle für die Spiele:
126/28: 5 Spielleiter die Konsuln: Dio 53, 1,4.
730/24: m die pontifices.
734/20: r die augures.
738/16: 5 XV viri: Dio 54, 19, 8; CILVI 877. 742/12: 5 epulones.
146/8: 5 pontifices. 750/4: en augures. 754/1: er XV viri. 158/5: " epulones.
762/9: A pontifices: Plin. N. H. VII 48, 158.
766/13: = augures.!) Wenn nun unser Kapitel vor dem Jahre 746/8 geschrieben ist, in wel- chem Jahre die Konsuln eigentlich wieder als Spielleiter an der Reihe waren, ist die Fassung des Textes eher zu entschuldigen, mit der An- nahme etwa, daß im Senatsbeschluß ‚vom Jahre 30 tatsächlich die Konsuln im Turnus vorgesehen waren, später bei der Ausführung aber aus irgendwelchen Gründen ausgelassen wurden. An den Worten vivo me des zweiten Satzes haben die meisten Erklärer Anstoß genommen.?) Wohl ist richtig, daß nach dem Tode des Augustus diese Spiele nicht mehr gefeiert worden sind; dies konnte aber der Schreiber nicht vor- her wissen. Wenn also die Worte kein späterer Zusatz des Tiberius sind, können sie nur so aufgefaßt werden, wie ich es früher getan habe?), nämlich im Hinblick auf den Diktator Caesar. Für diesen waren einstmals ähnliche penteterische Spiele beschlossen worden, aber zur Feier war es bei dessen Lebzeiten nicht mehr gekommen, vielmehr war erst dem Divus Iulius gelegentlich der Einweihung seines Tem- pels auf dem Forum diese Ehre zuteil geworden.
“Der im Text folgende Satz, der wohl mit Bormann am besten folgendermaßen zu ergänzen ist: [Privat]im etiam et municipatim uni-
‘
1) Die Gesamtliste der Spiele, wie sie sich aus unserer Stelle im Mon. Anc. ergeben würde, bietet dagegen H. Heinen a. a. O. S, 144 Anm. 1 u. Jos. Wilhelm a. a. O. 8. 26.
2) Vgl. die Zusammenstellung der verschiedenen Ansichten der Neueren, Klio III S. 83f.; dazu jetzt Wilhelm a. a. O. S. 26, der meine Deutung über- sehen hat.
3) Klio III 8. 84; hier auch die Belege zu dem im Text bezüglich Caesar Ausgeführten. s
4*
48 III. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
versi [cives sacrificia concordite]r!) apud omnia pulvinaria?) pro vale- [fudine mea fecerunt], kann sehr wohl auch schon dem ersten Entwurf angehören, da der Inhalt mit den für Octavian nach Actium beginnen- den Ehrungen sich deckt.?) Das Thema, welches in c. 9 angeschlagen worden war, wird in c. 10 in sachlicher und chronologischer Hinsicht fortgesetzt. Die Auf- nahme des Namens in das Salierlied gehört in das Jahr 29.) Das Folgende ist dem Griechischen entsprechend in einem neuen Satz so zu fassen: Et sacrosan|ctus ut essem in perpetuum?) et q]uoa[d] viverem, tribunicia potestas mihi [esset, lege sanctum est]. Die Stelle ist für meine Auffassung entscheidend. Ein Zwiefaches wird hier als gesetzlich fest- gelegt uns vor Augen geführt: 1. die Verleihung der sacrosanctitas in verpetuum, 2. die Übertragung der tribunicia potestas auf Lebenszeit. Ist meine Ansicht richtig, daß wir hier einen chronologisch geordne- ten Überblick über die frühere Zeit vor Augen haben, so können nur die auf die tribunicia potestas Octavians bezüglichen Akte vom Jahre 36 und 30 in Betracht kommen. Ein Vergleich der Stelle mit Cassius Dio bestätigt diese Auffassung. Die Verleihung der sacrosanctitas im Jahre 36 schildert der Historiker 49,15,5f. mit den Worten: &unpioavro . wire &oyo wire Adyo rı Gfgigeotai' el Ö& un, Toig abroig vov towürd rı Ögdoavre Eveysoha olonsp Eni To Önudoyo Ereiraxto (d. i.. die Verleihung der sacrosanctitas). xal yap Ext av abräv Badonv ovyaadeteodel oyıoıv &Außs. Daß die Worte in perpetuum im Gesetz standen, zeigen Appian (b. c. V 132, 548: &p’ oig adrdv sbpnuoüvreg eilovro Önunpyov Es del, Öınvensi üpe Korn moorgemovres ng zgoreoag (dem Triumvirat) dmoorijveı. 5 Ö: &öskaro ubv xal rivde.) und Orosius (VI 18, 34: ovans urbem ingressus ut in perpetuum tribu- niciae potestatis esset, a senatu decrefum est). Es ist dieselbe Ehrung,
1) Griech. öuodvunddr.
2) Diese Worte hat der griechische Text nicht; statt dessen steht hier das farblose Wort ovvsyös.
8) Vgl. Cassius Dio 51, 19, 7 unter den Beschlüssen des Senats im Jahre 30: ?v rois ovooırloıg oby Orı voig xoıvolg dAAk nal volg ldloıs ndvrag abrh onevdsn, Sueton Aug. 59: provinciarum pleraeque super templa et aras ludos quoque quin- quennales paene oppidatim constituerunt.
4) Cassius Dio 51, 20, 1: Beschluß des Senats: #5 rs roüg Üuvovg abror €& loov roig HFeois Eoypdpeodaı.
6) Diese Ergänzung, die noch Mommsen, weil er u£ vor quoad unnötiger- weise wiederholte, als zu lang für die Lücke ablehnte, ist die einzig mögliche und der Ausfall im Griechischen leicht dadurch erklärlich, daß der Übersetzer sowohl in perpetuum (8.1110), wie quoad viverem durch dı« Blov hätte wieder- geben müssen, vgl. E. Diehl, Res gestae? S. 14 zu der Stelle Daß in perpe- tuum auch sachlich durch die Parallelstellen gefordert wird, ergibt sich aus den Darlegungen oben im Text.
4, Die Entstehung der Gesamtinschrift 49
die einst schon Caesar zuteil geworden “er: ‚ von wo auch die For- mel in perpetuum stammt.?)
Die Verleihung der tribunicia potestas auf Lebenszeit im Jahre 30 steht fast mit denselben Worten bei Cassius Dio 51,19, 6 zov Keisapa vv te &ovalav rw Tüv Önudoyav dıd Blov &ysıv; aller- dings kann man auch die Worte desselben Historikers zum Jahre 23 (53,32, 5) heranziehen (f yegovol« Öruagy6v ve adrov dia Biov slvaı &umpleuro). Doch geht aus den ferneren Worten Dios an der ersten - Stelle (xel roig Enxıßomusvors abrov xal Evrög Tod nounolov xal EEw uexgis 5yddov Nursradlov (= 1km) duvvewv, 5 undevi tüv Inuagyodv- zov &fv) klar hervor, daß schon im Jahre 30 die Übertragung der tribunicia potestas in räumlich erweiterter und damit entscheidender Form erfolgte®), während im Jahre 23 nach niedergelegtem Konsulat die seitherige potestas perpetua nur noch zu einer annua gemacht wurde.) Daher sagt auch Tacitus (ann. 12): posito triumviri nomine consu- lem se ferens et ad tuendam plebem tribunicio iure contentum und Mommsen fügt erklärend hinzu: „Hätte er dabei an den Akt vom Jahre 23 und nicht an den vom Jahre 36 (muß heißen: vom Jahre 30) gedacht, so hätte er deinde oder mox statt et setzen müssen.“5) Es ist also ganz verfehlt, wenn die Forschung nach Mommsen die Bedeutung des Aktes vom Jahre 30 dadurch hat abschwächen zu müssen geglaubt, daß sie darin nur eine Übertragung des ius ausilii „als Sonderrecht“
1) Cassius Dio 42, 20, 44, 4 u. 5, Appian b. c. 11 106, 442, dazu Mommsen Staatsr. II? S. 872; Ed. Meyer, Caesars Monarchie? 8. B1Bf.
2) Livius Per. 116: et cum »plurimi maximique honores a senatu deoreti essent, inter quos, ut parens patriae appellaretur et sacrosanctus ac dictator in perpetuum esset; Cassius Dio 42, 20, 3.
8) Vgl. Mommsen, Staatsr. 1° 70 A. 2: „Auch daß die tribunicische Ge- walt des Princeps, nachdem sie ausdrücklich auf die Bannmeile erstreckt war, damit angesehen ward als anwendbar im ganzen Reich, ist danach begreiflich. Nach republikanischem Recht brach sie die Amtsgewalt domi, wich aber der- jenigen militiae. Mit der Festsetzung, daß Augustus sie bis zum ersten Meilen- stein auch dann gebrauchen dürfe, wenn ihm dort ein Beamter mit voller Amtegewalt militiae entgegentrat, war sie auch dieser gegenüber anerkannt; und daraus konnte zwar nicht Labeo, wohl aber Capito folgern, daß damit die tribunicische Gewalt des Princeps überhaupt anerkannt sei als dem Amtsbefehl nach Kriegsrecht überlegen.‘
4) Ganz richtig daher Mommsen (Staatsr. 11? S. 878 A. 1) zu Dio 58, 82: „wo die damals allerdings eingeführte Annuität der Gewalt mit der Gewalt selbst verwechselt wird‘; richtig in diesem Punkt auch H. Dieckmann, KlioXV, 1918, 8. 846 A. 1.
ö) Vgl. auch schon ebenda 8. 872 Anm. 6: „Taeitus meint nicht die im Jahre 23 beschlossene, an die Stelle des Konsulats tretende Ordnung, sondern die frühere neben diesem herlaufende.“ Die abweichende Auffassung der Ta- eitus-Stelle durch F. Haverfield habe ich schon oben 8. 39 Anm. 1 abgelehnt
50 III. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichte
gesehen hat.!) Wenn meine Interpretation der eben behandelten Stelle des Mon. Ancyr. und ihre Beziehung auf Cassius Dio 51, 19 richtig ist, dann haben wir hier die offizielle Bestätigung, daß Octavian selber dem Jahre 30 die entscheidende Bedeutung beigelegt hat. Wenn Kro- mayer endlich die Worte lege sanctum est nur in bezug auf die Ver- leihung vom Jahre 23 berechtigt findet?) und betont, daß unsere Quellen sonst nur von Senatsbeschlüssen, nicht von leges reden, so gilt dieser Einwand auch gegenüber Dios drittem Bericht zum Jahre 23. Auch
hier hat Mommsen richtig gesehen, wenn er hervorhebt, daß mit Rück-
sicht auf die Tatsachen, daß bei alle späteren Prinzipes die Übertragung der irib. pot. durch Volksbeschluß erfolgte (comitia tribuniciae potesta- tis), dies auch für Augustus angenommen werden muß, genau wie es ungere Stelle gibt, während die Schriftsteller nur den a Senatsbeschluß der Erwähnung wert gefunden haben.?)
Vom zweiten Teil des c. 10, der sich auf Augustus’ Verhältnis zu Lepidus und die schließliche Übernahme des Oberpontifikats nach dessen Tod bezieht, gehört nur der erste Satz zum ersten Entwurf. Der Inhalt desselben umfaßt das Ereignis des Jahres 36, die Ableh- nung der vom Volke ihm angebotenen Würde des Pontifex maximus, da Octavian die Beseitigung des seitherigen Kollegen im Triumvirat aus dieser hohen Stellung, obwohl er das Amt zu Unrecht besaß), als unmöglich bezeichnete), ein Ereignis, das der Verfasser hier an- gehängt hat, weil er auch im vorhergehenden Satz auf das Jahr 36 zurückgegriffen hatte. Nun berichtet aber Cassius Dio®) zum Jahre 18, daß dem Octavian nicht nur einmal, sondern mehrmals, teils von ein- zelnen, teils öffentlich, das Oberpriesteramt angeboten worden ist, während an unserer Stelle ganz ausdrücklich nur von dem Angebot des Jahres 36 die Rede ist. Auch dieser Tatbestand vereinigt sich am besten mit einer möglichst frühzeitigen Niederschrift des Kapitels, als weitere Anerbietungen noch nicht erfolgt, also auch noch nicht zu be- richten waren.
1) Kromayer, ‚Die rechtliche Begründung des Prinzipates S. 40; O. Th. Schulz, Das Wesen des römischen Kaisertums, 1916, S.68. Auf die Worte des Tacitus ad tuendam plebem darf sich diese Auffassung nicht berufen. Mit Recht sagt Mommsen (Staatsr. II® 8. 880), die Worte gehen „gewiß auf Erklärungen des Inhalts zurück, die Augustus selbst über seine tribunicische Gewalt gab".
2) Kromayer 2.2.0. 8.40 A.1; Klio II 8.157 A. 1 bin ich noch Kro- mayer gefolgt.
8) Staatsr. II? S. 874 ff. (Material S. 875 Anm. 2).
4) Darüber E. Meyer, Caesars Monarchie? 8. 525 Anm. 1.
5) Ebenso Appian b. e. V 131, 543 und Cassius Dio 49, 15, 8; Sueton Aug. 31, 1.
6) "Cassius Dio 54, 15,8.
4. Die Entstehung der Gesamtinschrift 51
Der Rest von c. 10 sowie e. 11 und 12 gehören nicht zum ersten . Entwurf. Dagegen ist dies kaum zweifelhaft bei c. 13, allerdings nicht in der Form, die das Kapitel jetzt aufweist--_Die erste Schließung des Ianus erfolgte bekanntlich im Jahre 29°), ein Ereignis, von Octavian selber wie von den Zeitgenossen sehr hoch eingeschätzt wurde?), die zweite im Jahre 25 nach dem cantabrischen Krieg?). Wenn nun in diesem Kapitel zunächst nur die erste oder höchstens die beiden ersten Schließungen des Ianus erwähnt waren, muß ursprüng- lich der Vergleich mit den beiden früheren, vor Augustus liegenden Schließungen, da erst durch die Dreizahl eine Übertrumpfung der maiores ermöglicht wurde, gefehlt haben, d.h. es müßten die Worte cum ... memoriae und me principe anfangs nicht da gestanden haben und für ter entweder bis oder nichts. Dann würden aber zwei An- stöße eine Erklärung finden, die der heutige Text bietet: daß II42 claussum und II44 dausum zu lesen steht und daß hier schon me principe vorkommt, was erst c. 32 (VI 6) wieder begegnet; vgl. auch c. 30 (V 44) ante me principem. Beides gehörte bei dieser Auf- fassung des Kapitels in den Zusatz zu dem ursprünglichen Entwurf. Eine Stütze für diese Auffassung, daß das Kapitel schon nach der zweiten Schließung des Ianusbogens erstmalig niedergeschrieben wor- den ist, bietet auch v. Domaszewskis feinsinnige Deutung der Reliefs an einem der Silberbecher von Boscoreale.“) Hier erscheint Augustus in der einen Szene als Friedensfürst, in der anderen als Mehrer des Reiches, in letzterer Hinsicht mit deutlicher Beziehung auf den spa- nischen Krieg gegen die Cantabrer, Asturer und Callaecer, und der Heidelberger Forscher hat mit Recht schon auf unser c. 13 als „das einigende Band, das beide Szenen verknüpft“, hingewiesen. Doch ist es nicht das Kapitel in seiner heutigen Gestalt, sondern das oben von uns erschlossene, welches den Hintergrund für die Darstellung des Künstlers bildet.
Mit c. 15 beginnt dann der neue Abschnitt von den smpensae. Ich folge heute, was diesen und den folgenden Abschnitt betrifft, den Aufstellungen Wilckens°), der nachgewiesen hat, daß der erste Ent- wurf die Grundlage auch dieser Abschnitte gelegt hat. Die ersten vier Spenden an die plebs Romana (III 7—12), die später (III 16) als plebs urbana und am Schluß (III 20) als plebs, quae tum frumen-
1) Cassius Dio 51, 20, 4. 2) Livius [1 19,8; Voll Il 38, 3; sonstige Stellen bei | Mommsen, Res gestae? 8. 50. 3) Cassius Dio 58, 26, 5; Orosius VI 21, 11. 4) S.-Ber. d. Heidelb. Akad. 1910, 4. Abh. S. 3ff. 6) Hermes 88 8. 621.
52 Il. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
tum publicum accipiebat, bezeichnet wird, gehören in die Jahre 44, 29, 24 und 23 v. Chr.; bei den drei ersten Spenden allein wird für sester- tius das Zeichen HS gebra=eckt, das im ganzen Dokument nur noch zweimal, nämlich e. 17 III38 in dem späten Bericht über das aerarium militare vom Jahre 6 n. Chr. und c. 21 IV 26 vorkommt, während in e. 15 bei der fünften Spende (vom Jahre 12: III 12/3), ebenso bei der Gabe an die Soldaten der octavianischen Kolonien vom Jahre 29 (UI 17—19) nummus statt sestertius angewendet wird, bei den Spen- den vom Jahre 5 (III 15—18) und 2 v.Chr. (II 19—21) aber die Denarrechnung?), endlich in c. 16 und 17 (abgesehen von dem einen oben angeführten Fall) das Wort sestertius (III 24, 32, 34). Dieser Zu- stand der in Frage stehenden Kapitel, vor allem des c. 15, zeigt deutlich, daß die Entstehung nicht auf einmal erfolgt ist, zumal wenn man dazunimmt, daß III 12 tribunicia potestate, dagegen III 15 tri- buniciae potestatis steht, die Datierung an der zweiten Stelle zudem noch durch den Zusatz consul XII geschieht, während III 19/20 nur consul tertium decimum (die Zahl hier nicht durch die Ziffer) ohne Angabe der trib. pot. zu lesen ist, die Spenden der Jahre 5 und 2 (die. beide nach Denaren rechnen), endlich durch die Dazwischenschiebung der Gabe an die Soldaten der Kolonien vom Jahre 29 in höchst auf- fälliger Weise auseinandergerissen sind. Um die ältesten Teile heraus- zuschälen, muß das Kapitel hier schon in seiner Gesamtheit betrachtet werden. Es ist deutlich, daß der Schlußsatz ein späterer Nachtrag ist, der nicht mehr an die Stelle gesetzt worden ist, an die er eigentlich gehört. Denn das Kapitel teilte sich ursprünglich in zwei ungleiche Teile: 1. Spenden an die stadtrömische Plebs vom Jahre 44 ab, 2. die Spende an die Soldaten der octavianischen Kolonien vom Jahre 29. Aber schon der erste Teil ist nicht auf einmal niedergeschrieben. Die sechste Spende, die zum ersten Male nach Denaren rechnet und den beschenkten Bevölkerungsteil plebs urbana statt plebs Romana im Anfang des Kapitels nennt, ist ein Nachtrag. Schwieriger liegt die Frage bezüglich der fünften Spende vom Jahre 12 v. Chr. Diese halte ich ebenfalls schon für einen Nachtrag, während der dann folgende Satz zum ersten Entwurf gehört, weil plötzlich nummos statt HS an- gewendet wird. Der erste Entwurf ging, abgesehen von den Worten et tribunicia potestate ... viritim dedi, bis zum Ende von III 14 et du- centa. Dann folgte ursprünglich die Gabe an die Soldaten III 17—19 vom Jahre 29. Wir haben demnach in dem Kapitel einen ältesten Grund- stock, der frühestens im Jahre 23 geschrieben sein kann, und drei
1) Wodurch die Denarrechnung bereingekommen ist, hat O. Hirschfeld erklärt; siehe seine Ausführungen in meinem Aufsatz Klio IV, 1904, S. 90.
4. Die Entstehung der Gesamtinschrift 53
Nachträge, frühestens im Jahre 12, im Jahre 5 und im Jahre 2 hin- zugekommen. Das Kapitel gibt somit als Termin des ältesten Ent- wurfes den letzten nach unseren früheren Auseinandersetzungen mög- lichen an, nämlich das Jahr 23, und läßt uns gleichzeitig die späteren Redaktionen bzw. Erweiterungen des ersten Entwurfes erkennen, in oder nach dem Jahre 12, in oder nach dem Jahre 5 bzw. dem Jahre 2. Das Kapitel ist, wie schon Mommsen gesehen hat!), für die Frage nach der Entstehung des Gesamtdokuments von entscheidender Bedeutung. - Wenn ursprünglich e. 15 mit der Spende an die Soldaten im
Jahre 29 endete, so schließt sich auch lückenlos c. 16 an. Von diesem gehört der erste Satz mit Ausnahme der Worte et postea ... augure dem ersten Entwurf an und dem entsprechend auch die betreffenden Teile des zweiten und dritten Satzes. Die Kosten, die die Ansiedlung von Soldaten in Italien im Jahre 30 Octavian bereitet hatte, waren in dem Kapitel ursprünglich allein dargestellt. Die ausführlichste Dar- stellung der Sache steht bei Cassius Dio 51, 3 u. 4. Während in der Triumviralzeit die zu verteilenden Ländereien den seitherigen Besitzern in der Regel einfach ohne Entschädigung weggenommen worden waren, erfolgte diesmal eine, wenn auch den Wert nicht vollständig ersetzende Zahlung.) Dies war ein Novum und erklärt die Fassung des dritten Satzes des Kapitels, der ursprünglich nur auf Italien bezogen war.
Von den vier Unterstützungen, die Augustus nach ce. 17 Anf. der Staatskasse zuteil werden ließ, wurde die erste im Jahre 28 gegeben?), eine zweite vielleicht schon im Jahre 27°), weshalb also sehr wohl schon im ersten Entwurf etwas Derartiges gestanden haben kann.
An diese Ausführungen über Geld-, Getreide- und Landspenden sowie Zahlungen aller Art, die Octavian geleistet hat, schloß sich von e. 19 ab eine Übersicht über die umfangreiche Bautätigkeit des neuen Machthabers an. Auch diese Kapitel (19—21) weisen einen alten Grundstock auf. Er ist wie alle Reste des ersten Entwurfs, in welchen sachlich Zusammengehöriges aufgezählt wird (siehe oben zu ce. 7 und c. 15), streng chronologisch geordnet. Wie Mommsen gesehen hat, erfolgt die Aufzählung offenbar nicht nach dem Jahr der Dedi- kation, sondern nach dem Jahr der Vollendung des betreffenden Bau- werks.’) Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über den Inhalt des ersten Entwurfs:
1) Res gestae? 8.2 u. 8. 59.
2) Mommsen, Res gestae? S. 63ff.; Joh. Kromayer, N.Jbb. f. d. klass. Altert. 33, 1914, 8. 162 Anm. 1.
8) Cassius Dio 58, 2,1. 4) Cassius Dio 58, 22.
5) Mommsen, R. g.? S. 80.
54
HI. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
des Baues
Beschluß 3) Bauzeit bzw. 1) Bauwerk HERD Vollendung | 4) Dedikation Quellenbelege
des Baues
curia Julia |43 v. Chr.| 42v.Chr. | 29 nach dem | 2) Cassius Dio 44, 5; 15. Ang. 45, 17 3) CassiusDio 47, 19 4) Cassius Dio 51, 22 Chalecidicum ? ? 29 nach dem | Cassius Dio 51, 22 15. Aug. templum ? 36 v.Chr. (Be-| 28 9. Okt. | 8) Cass. Dio 49, 15; Apollinis in ginn des Baues) Vell. II 81 Palatio 4) Cass, Dio 53, 1; CIL I? p. 881 aedes Divi | 42 v. Chr. |35—34 v. Chr. | 29 18. Aug. | 2) Cass. Dio 47, 14 Iuli i 8) Eckhel D. N. VI 11, 75 4) Cass. Dio 51, 22, vgl.19; CIL 1?p.825 Lupercal ? ? wohlauchbald | 4) Dionys132,4;79,8 nach 30 v.Chr. CIL VI 31200b 9 porticus ad ? nach 88 v. Chr. ? 8) Appian Illyr. 28; eircum Fla- niedergebrannt Festus p. 178 minium Oc- und wieder auf- ö tavia gebaut pulvinar ad ? nach demBrand ? 3) Cassius Dio 60, 10 eircum ma- vomJ.31erbaut ximum aedes in Ca- ? ca. 31 v. Chr. ? 3) Nepos Attic. 20; pitolio Iovis Liv. IV 20 Feretrii aedes in Ca- | 26/5 gelobt ca. 24/3 1. Sept. 22 | 2) Suet. Aug. 29 pitolio Iovis | im Canta- 4) Cassius Dio 54, 4; Tonantis | brerkrieg CIL 1? p. 328
Auf die Kapitel von den Neubauten folgte aus c. 20 der Satz von
der Wiederherstellung vorhandener Tempel im Jahre 28!), dann der Schlußsatz desselben Kapitels mit der Erwähnung des Neubaus der via Flaminia von Rom bis Ariminum im Jahre 27?), wieder in chrono- logischer Folge mit genauer Angabe der Jahre vermittels des Konsu- lats, wie wir das für den ersten Entwurf gewohnt sind. Unsicher bleibt es, ob nicht auch der erste Satz von c. 20 dem ersten Entwurf
1) Cassius Dio 53, 2, 4; Suet. Aug. 30; Liv. IV 20; Hor. carm. III 6; Ovid. fast. II 29. 2) Cassius Dio 53, 22, 1; Suet. Aug. 30; CIL XI 365, 867.
4. Die Entstehung der Gesamtinschrift . 55
angehört. Wir haben aber nicht die Möglichkeit, die Wiederherstel- lungsarbeit@n am kapitolinischen Jupitertempel und am Pompeius- theater sicher zu datieren. Für frühe Entstehung spricht der Hinweis auf die großen Aufwendungen und den Verzicht auf eine neue In- schrift. Andererseits spricht das Fehlen einer genauen Datierung, wie sie die beiden letzten Sätze des Kapitels aufweisen, für einen spä- teren Zusatz. Auch ist im Auge zu behalten, daß die einzige Nachricht von einer Beschädigung des kapitolinischen Tempels (durch Blitz- schlag) ins Jahr 9 v. Chr. gehört (Cassius Dio 55, 1) und daß die Wiederherstellung vielleicht doch mit diesem Ereignis zusammen- hängt; darüber unten 8. 71.
Nicht klar auf den ersten Blick ist auch, was in c. 21 dem Grund- stock des Dokuments angehört: sicher der Satz auri coronari .. . remisi IV 26—28, der durch consul quintum ins Jahr 29 datiert ist. Er schließt sich, da er von den Munizipien und Kolonien Italiens han- delt, gut an den letzten Satz von c. 20 an, in welchem der Neubau der Hauptheeresstraße Italiens erwähnt worden war. Trotzdem glaube ich, daß auch der vorhergehende Satz von der Wirkung der dona ex manibiis wenigstens teilweise aus dem ersten Entwurfe herrührt, da auch schon in c. 15 Spenden ex manibiis erwähnt werden.!) Die Ka- pitel 21 und 24 haben ursprünglich zusammengehört und erst nachträg- lich sind die ganz jungen Kapitel 22 und 23 dazwischengeschoben wor- den.?) Die Gedankenfolge wird gekennzeichnet durch den Ausgang von den dona ex manibiis, die in Tempeln der Stadt Rom geweiht worden sind, von wo der Übergang zu der Ablehnung des aurum coronarium der Munizipien und Kolonien Italiens, weiter zur Wiederverleihung der von Antonius den Tempeln der Provinz Asia geraubten Gegen- stände sehr leicht ist. Wenn dies richtig ist, braucht natürlich nicht der gesamte Satz von den dona er manibüs alt zu sein, zum mindesten müssen die Worte ei in templo Martis Ultoris ein Zusatz gelegentlich der Erweiterung des Dokumentes aus dem Jahre 2 v. Chr. sein, viel- leicht auch die unmittelbar vorhergehenden Tempelnamen, zum min- desten der der Vesta, deren Name auch unten im Bautenkapitel fehlt. Denn Cassius Dio erwähnt an der Parallelstelle®) nur die Kurie, die aedes Divi Iuli und den kapitolinischen Tempel als beschenkte Heilig- tümer. Daraus erkennen wir, daß der Kreis derjenigen Institute, die mit Beutegeldern bedacht wurden, größer ist, als hier angegeben wird.*) Daß auch beim italischen Straßenbau Beutegelder verwendet wurden, sagt Suet. Aug. 30. Dies ist eine weitere Stütze für meine oben ge-
1) Vgl. lat. III 8 und III 17. 2) Siehe unten S. 76. 3) Cassius Dio 51, 22, 2f. 4) Vgl. dazu Cassius Dio 51, 17, 8.
56 III. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichte
äußerte Ansicht, daß die dona ex manibiis im ersten Entwurf auf die Notiz bezüglich der Wiederherstellung der via Flaminia gefolgt sind. Weiter beachte man, daß die Beutegelder, das aurum coronarium und die Rückgabe der ornamenta templorum der Provinz Asien in gleicher Weise Folgen des Sieges von Actium sind, also sehr wohl gleichzeitig und im Zusammenhang geschildert sein können. Die Ablehnung des aurum coronarium der italischen Städte ist die Antwort auf die Annahme dieses Krongeldes durch L. Antonius im Jahre 41 v. Chr.!) Ob der Zusatz et postea u. s. w. IV 28 gleich im ersten Entwurf dazugesetzt worden ist, bleibe dahingestellt. Zu dem Inhalt des dann ursprünglich folgenden c. 24 (1. Satz) vgl. man Cassius Dio 51, 17, 6ff; Plin. N. H. 34, 58; Strabo XIII p. 595, XIV p. 637. Der dann angereihte Satz von der Einschmelzung der Statuen und der Verwendung des Metalls zu Weihgeschenken im Apollo-Heiligtum gehört m. E. nicht dem ersten Entwurf an, da er sonst sicher vor die auf die Provinz Asien bezüglichen Bemerkungen gestellt wäre. Cassius53, 22,3 berichtet allerdings zum Jahre 27 schon von einem solchen Einschmelzen von Bildsäulen, aber ausdrücklich zum Zwecke der Münzprägung; auch bezieht sich die Notiz nicht wie unsere ausschließlich auf stadtrömische Denkmäler. Die einzige Parallelstelle zum Texte des Mon. Anc. steht bei Sueton Aug. 52 und hier ist von statuae olim positae die Rede, . so daß man den Eindruck hat, daß diese Maßregel nicht in den An- fang der octavianischen Alleinherrschaft gehört. Die Nachricht Dios 54, 35, 2 zum Jahre 10, daß Augustus keine neuen Statuen sich mehr errichten ließ, läßt vielleicht den Schluß zu, daß das Einschmelzen vor diesem Jahre stattgefunden hat.?)
Mit c. 25 beginnt ein neuer Abschnitt, in welchem der Verfasser auch als Mehrer des Reiches nach außen sich hinzustellen sucht. Ich bin mit Wilcken heute der Ansicht, daß gewisse Teile dieses Ab- schnittes ebenfalls dem ersten Entwurf des Gesamtdokuments ange- hören. Es wird darin auf die Zeit vor Actium noch einmal zurück- gegriffen, so daß man den Eindruck gewinnt, daß der kurze Satz in c. 3 von dem Siege in den bella civilia externaque Augustus selber jetzt nicht mehr genügte. Es werden nun noch außer den erbeuteten Schiffen, auf deren Angabe sich c. 3 beschränkt hatte, auch die Befriedung des Meeres, der wichtigsten Provinzen des Reiches, die Neuerwerbung bzw. Wiedererwerbung von Provinzen aufgezählt, es wird also die auswär-
1) Vgl. Cassius Dio 51, 21, 4, den Parallelbericht zu unserer Stelle und dazu ebenda 48, 4 über L. Antonius; Näheres bei Mommsen, R. g.? 8. 89.
2) Über die seltsame Zahlenbildung XXC für achtzig, wahrscheinlich eine nachträgliche Veränderung, ist oben S. 26 gehandelt worden.
4. Die Entstehung der Gesamtinschrift 57
tige Politik in ganz anderer Weise in den Vordergrund gestellt wie früher, gleichzeitig aber werden auch Tatsachen der inneren Politik von der Niederlegung des Triumvirats (die c. 7 berichtet hatte) bis zum entscheidenden Jahre 27 in neue Beleuchtung gerückt.
Zusammen gehören in dem neuen Abschnitt die cc.25—27; es gilt jetzt die ältesten Bestandteile aus ihnen herauszulösen. Das ganze e. 25 gehört dem ersten Entwurf an, da darin Ereignisse der Jahre 36 und 32 behandelt werden. Aus dem Seekrieg gegen Sextus Pompeius werden zwei Tatsachen hervorgehoben, 1. daß das Meer von den Seeräubern befreit worden ist, und 2. daß ungefähr 30000 ent- laufene Sklaven ihren Herren zur Bestrafung zurückgegeben wurden'); aus diesem Grunde wird der Krieg am Schluß von c. 27 (V 34) direkt als bellum servile bezeichnet. Vom Seekrieg gegen Sextus Pompeius wird zum actischen Krieg übergegangen und hier nur aus der Vor- geschichte des Krieges der Eidschwur (coniuratio) vom Jahre 32. zu- nächst Italiens?), dann der westlichen Provinzen®) berührt. Seine Auf- nahme in den Bericht ist die Folge der in ec. 7 gegebenen Notiz über das Ende des Triumvirats nach 10 Jahren: beide Stellen ergänzen ein- ander. Die Summe der Senatoren, die unter Octavians Fahnen damals gestanden haben, sowie die Summen der aus ihrer Reihe vorher oder nachher zum Konsulat oder zum Priestertum höheren Ranges empor- gestiegenen Männer sind natürlich auf die beim Tode des Verfassers zutreffenden Zahlen gebracht, wie oben*) schon bemerkt worden ist. Die Stelle beweist, daß Augustus auch in diesem ersten Entwurf des Gesamtdokuments auf die Hervorhebung des Senates und die Billigung seiner Politik durch denselben großen Wert gelegt hat.
Das Kapitel war von der Säuberung und Befriedung des Meeres auf Italien, von hier auf die Provinzen des Westens, die Augustus für Actium den Treueid geschworen hatten, zu sprechen gekommen. Die nun folgenden cc. 26 und 27 sind ausschließlich den Pro- vinzen gewidmet, wie gleich der Anfang des ersten Satzes von c. 26 zu erkennen gibt. Erweiterung aller Grenzprovinzen — omnium pro-
1) Appian b. c. V 131, 544f.; Cassius Dio 49, 12; Orosius VI 18, 33. Orosius bietet ebenfalls die Zahl von 30000 zurückgegebenen Sklaven, bemerkt aber außerdem: sex milia, quorum domini non exstabant, in crucem egit. Dies verschweigt Augustus.
2) Sueton Aug. 17, 2: Bononiensibus quoque publice, quod in Antoniorum clientela antiquitus erant, gratiam fecit coniurandi cum tota Italia pro parti- dus suis.
3) Cassius Dio 50, 6, 4 gibt dieselben Provinzen fast in derselben Reihen- folge, nur bietet er hinter Spanien noch Illyricum; dazu Mommsen, Res gestae* 8. 98f.
4) Siehe oben $. 26.
58 III. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
vinciarum populi Romani; man beachte den Zusatz populi Romani, ebenso im Anfang von c. 27: imperio populi Romani, hier sogar ge- legentlich der Notiz von der Erwerbung Ägyptens — und Befriedung der Innenprovinzen ist der Inhalt von c. 26, Neuerwerbung bzw. Wiedererwerbung verlorener Provinzen der Inhalt von c. 27, wodurch wir an die Disposition. in den Bautenkapiteln erinnert werden. Der erste Satz von c. 26 kann von Augustus im ersten Entwurf, wenn wir diesen um 23 v. Chr. entstanden denken, so schon formuliert sein.") Dann folgte ein kurzer Satz ursprünglich über Gallien und Spanien, etwa nur: Gallias et Hispanias pacavi?), womit die Kämpfe in Gallien in den Jahren 28 und 27 berührt werden°), während natürlich für Spa- nien in erster Linie der cantabrische Krieg 27,5 hier in Betracht kommt‘), so daß wir ‘auch hier wieder eine streng chronologische Ord- nung vor Augen haben, während die dann folgende geographische Notiz a Gadibus ad ostium Albis eine Voranstellung von Spanien er- fordert hätte.°) Dann sind aus c. 26 der Zeit nach nur noch möglich für den ersten Entwurf die Bemerkungen über die Feldzüge nach Athiopien und Arabien V 18ff. Die Frage, ob sie dem ersten Entwurf angehören, ist nicht leicht zu beantworten. Ich habe sie früher®) als einen späten Nachtrag angesehen, hervorgerufen durch den Zusatz der Flottenexpedition des Tiberius usque ad fines Cimbrorum V 15, der Augustus etwas Ähnliches an die Seite setzen wollte. Es paßt zu dieser Auffassung die Vernachlässigung der Chronologie, insofern die Expe- dition des Gallus nach Arabien vor der äthiopischen des Petronius hätte erzählt werden müssen, weiter die Hervorhebung der eigenen Person im Eingang des Stückes: meo iussu et auspicio, die vage Formel eodem fere tempore V 19, endlich der Umstand, daß die Erweiterung der Provinz Ägypten vor der Einverleibung derselben ins Römerreich gegeben wäre. Man kann andererseits aber auch sagen, daß die Sätze in ein Kapitel, das die Erweiterung der Grenzprovinzen als Haupt- inhalt hat, sehr wohl passen und daß die chronologische Folge gegen- über dem Satz, der von Spanien und Gallien handelt, gut gewahrt ist,
1) Vgl. die Zusammenstellungen von Mommsen, R. g.? 8. 102f.
2) Daß die Worte et Germaniam etc. ein späterer Zusatz sind, hat Wilcken (Hermes 38 8. 624f.) durch die Bemerkung, „daß die Reihenfolge der drei Länder im Widerspruch steht zu der geographischen Voranstellung a Gadi- bus ad ostium Albis‘ erwiesen; daß provicias (sic!), das im griechischen Text ganz fehlt, vielleicht erst durch Tiberius hereingekommen ist, habe ich früher vermutet (Klo II, 1902, 8. 154); vgl. auch unten Exkurs VI.
3) Gardthausen I S. 659 f. 4) Gardthausen ebenda I 8. 679 ff.
. 5) Sie sind ein späterer Zusatz, als Germanien hereingekommen war, siehe oben Anm. 2. 6) Klio IV, 1904, 8. 93.
4. Die Entstehung der Gesamtinschrift 59
sowie daß auch am Ende von c. 27 die Betrachtung chronologisch rückwärts schreitet. Die Frage, ob dieser Teil dem ersten Entwurf angehört oder nicht, muß also unentschieden bleiben.
Kap. 27 beginnt mit der Erzählung der Einverleibung Ägyptens, also einem Ereignis des Jahres 30.1) Dann muß im ersten Entwurf gleich der Schlußsatz gefolgt sein, die Neuordnung der Provinzen des Ostens und Kyrenes, die durch Antonius zum Teil an einheimische Fürsten und an Cleopatra bzw. ihre Nachkommenschaft (man beachte hier wieder die Worte regibus eas possidentibus, die an den Schlußsatz von c. 4 erinnern) vergeben worden waren.?) Als Anhang ist ge- wissermaßen damit verbunden die Erwähnung der Wiedergewinnung von Sizilien (a. 36) und Sardinien (a. 38) im bellum servile. Damit ist die Erörterung gewissermaßen zum Ausgangspunkt im Anfang von c. 25 zurückgekehrt, und es sind alle Provinzen, die als Teilnehmer an dem Eidschwur vom Jahre 32 V 5—6 genannt worden waren, noch einmal in derselben Reihenfolge (Gallien, Spanien, Afrika, dies- mal vertreten durch Ägypten und Kyrene, Sizilien, Sardinien) an un- serem Auge vorübergezogen: ein Beweis mehr für die Zugehörigkeit dieser Teile zu demselben Entwurf.
Ob und in welchem Umfang das dann folgende Kapitel von den Koloniegründungen im ersten Entwurf gestanden hat, ist nicht mehr auszumachen. Das Fehlen von Illyrieum auch hier wie in c. 25 und die Erwähnung von ufraque Hispania statt der durch die Verselb- ständigung von Lusitanien später an die Stelle getretenen Dreiteilung®) lassen auf eine Abfassung in der ersten Hälfte der octavianischen Re- gierung schließen; man braucht aber deshalb noch nicht bis zum ersten Entwurf hinaufzugehen, zumal viele der augustischen Kolonien in den Provinzen erst nach dem Jahre 23 gegründet sind.‘) Auch die Worte vivo me im folgenden Satze sprechen für eine spätere Abfassung, in- sofern doch diese Worte hier wie ein Rückblick auf die Erfahrungen eines längeren Lebens sich ausnehmen.
Ich glaube, daß sich ursprünglich an die Wiedergewinnung der verlorenen Provinzen in c. 27 die Wiedergewinnung der römischen
1) Cassius Dio 51, 17.
2) Cassius Dio 51, 18; vgl. Mommsen, R. g.? 8.118; Gardthausen I 8. 460 ff.
3) Vgl. meinen Aufsatz Die Entstehung der Provins Lusitanien in der Hirschfeld-Festschrift 3. 221 ff.
4) Für Spanien und Gallien berichtet Cassius Dio 54, 23, 7 von der Be- gründung von Kolonien zum Jahre 15 v. Chr. Vgl. auch meinen Kolonien- Katalog bei Pauly-Wissowa-Kroll, R-E., besonders für die Narbonensis Sp. 542, für den Osten 549ff. und F. Bleckmann, Klio XVII (1920) 8.109.
60 II. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
Feldzeichen, soweit sie im ersten Satz von c. 29 geschildert wird, direkt angeschlossen hat. Wir wissen zwar nur durch Appian Ill. 28 Genaueres über die von den Dalmatern im Jahre 33 abgelieferten römischen Feldzeichen!), dürfen aber mit Mommsen?) und Gardt- hausen®) vermuten, daß bei Spanien und Gallien nur Ereignisse des ceantabrischen Krieges und der vorher in Gallien sich abspielenden Kämpfe in Betracht kommen. Für die frühe Abfassung spricht auch der Wechsel von Land- und Volksnamen; Dalmatien war, als die Stelle geschrieben wurde, noch nicht Provinz.. Unerklärt aber bleibt, wes- halb Gallien und Spanien hier im Singular stehen, während in den Kap. 25 und 26 jedesmal der Plural gebraucht wird.
Was von den folgenden Kapiteln bis c. 33 noch dem ersten Ent- wurf angehört, ist schwer zu sagen, c. 30 sicher nicht, da hier sofort von den Taten des Tiberius gegen Pannonien in den Jahren 12—9 die Rede ist, dagegen nichts von den Erfolgen des Octavian in den Jahren 35—33, nichts von dem Feldzug des Licinius Crassus gegen die Bastarner und Daker in den Jahren 29 und 28 erwähnt wird. Die anschließen- den ce. 31—33 bilden eine Einheit. Von den indischen Gesandt- schaften gehört die erste in die Zeit des spanischen Kriegest), die zweite, die Hauptgesandtschaft, die Freundschaftsverträge anbot, aber schon ins Jahr 20 v. Chr.’) Die weiteren Gesandtschaften der Bastar- ner, Skythen usw. fallen ebenfalls, zum Teil wenigstens, sicher in die Zeit gleich nach Actium.®) Bei dieser Sachlage wäre nur unter der Annahme, daß ursprünglich nur eine Gesandtschaft der Inder erwähnt war, das Kapitel dem ersten Entwurf zuzuweisen. Ich trage Beden- ken, dies zu tun und möchte vorziehen, das Kapitel frühestens erst der zweiten Redaktion zuzuweisen, geschrieben mit Rücksicht auf den Be- such der Inder bei Augustus in Samos, der, wie Dios Bericht beweist”), großen Eindruck gemacht hat. Dagegen gehört der erste Satz von c.32 bis zu der Lücke vor den Worten [Sugambr]orum Maelo vielleicht dem ersten Entwurf an, mit Ausnahme der Worte [e? postea] Phraifes] regis Phrati[s filius], die den Nachtrag eines Ereignisses des Jahres 4 .n. Chr., der schon durch den Zusatz des Vatersnamens kenntlich ist,
1) Die zurückgewonnenen Feldzeichen wurden in der porticus Octavia aufgestellt, vgl. Jordan-Huelsen, Topogr. I 3 S. 489. Anm. 51.
2) R. g.* 8. 124.
3) Augustus I 8. 679,.II S. 353 Anm. 9.
. 4) Orosius VI 21, 19.
5) Cassius Dio 54, 9, 8ff.
6) Mommsen, R. g.? S. 134.
7) Vgl. oben Anm. 5.
4. Die Entstehung der Gesamtinschrift 61
darstellen.') Abgesehen von diesen Worten haben wir einen chrono- logisch geordneten Abschnitt vor uns. Tiridates und Artavasdes flohen zu Octavian im Jahre 30 bzw. 29°), die britannischen Könige bei Octavian gehören doch so gut wie sicher in die Jahre 27 oder 26 v. Chr., als römischerseits eine Expedition gegen die Nordinsel erwogen wurde.) Da die Aufzählung auch weiterhin den zeitlichen Verlauf be- rücksichtigt, dürfen wir die uns unbekannte Flucht des Adiabener- königs wohl zwischen 29 und 27 setzen. So gewinnen wir auch für diesen Entwurf einen. Schlußabschnitt, der uns feindliche Könige hilfeflehend (swpplices) vor Augustus zeigt, und wir werden an den Schluß des Urmonuments mit dem reges vor dem Triumphwagen des Octavian erinnert.‘) C. 33 ist sicher späteren Ursprungs, da der Inhalt nicht chronologisch geordnet ist’); außerdem fällt die Breite der Dar- stellung auf, vgl. per legatos principes earum gentium und die An- gabe des Vaters- und Großvatersnamens bei den Königen, jedesmal mit dem Zusatz regis.®)
Nachdem mit dem Ende von c. 33 die Darlegung über die aus- wärtige Politik beendigt ist, kehrt der Entwurf zu der inneren Politik zurück und stellt in c. 34 die wichtigsten Ereignisse der entscheiden- den Jahre 28 und 27 zusammen:
1. Rückgabe der im Jahre 32 auf allgemeinen Wunsch übernommenen : höchsten Gewalt an Volk und Senat nach Beendigung der Bürger- kriege: Cassius Dio 53, 2f£.?)
1) Denn wahrscheinlich ist hier mit Bormann Phraatakes, der Sohn des Phraates IV. und der Sklavin Thea Musa, gemeint, der als Phraates V. etwa 2 v. Chr. den Thron bestieg und ungefähr 4 n. Chr., durch einen Aufstand ver- trieben, als Schutzflehender bei den Römern Zuflucht suchen mußte, gegen Mommsen, R. g.? S. 1387 vgl. Gardthausen 13 8. 1141.
2) Cassius Dio 51, 18, 2 (über Tiridates), 51, 16, 2 (Artavasdes), vgl. Mommsen, R. g.? 8. 186 u. 111. j
3) Cassius Dio 58, 22 u. 25; Strabo IV 5, 3 p. 200 berichtet von Gesandt- schaften der Britannier unter Augustus, allerdings ohne Jahresangabe; vgl. Mommsen, R. 9.” S. 188.
4) Ob der zusammenfassende Satz am Schluß von c. 32 ebenfalls dem ersten Entwurf angehört, halte ich nicht für wahrscheinlich. Denn der ablativus absol. me principe paßt nicht, wie wir oben sahen, für die erste Niederschrift, ebenso nicht die Abkürzung p. R. für populi Romans.
5) Vonones ist 4 n. Chr., Ariobarzanes 20 v. Chr. auf den Thron gesetzt worden, vgl. Gardthausen I 8 8. 1141f. bzw. 12 $. 825.
6) Man beachte auch die Schreibung Artavasdes gegenüber Artavasdes in c. 27 V 26 u. 30; in c. 32 VI1 ist. der Name leider nicht erhalten. C. 27 V 29 steht die Namensform Artabazus (zi), welche in der griech. Übersetzung zu unserer Stelle (gr. XVII 16: 'Agraßdfov vidv), außerdem natürlich auch zu V 29 gr. XV9f. wiederkehrt, während die Übersetzung von V 26 u. 30 Aeraovdodov bzw. ’Aeroovdodn lautet; vgl. Mommsen, R. g.* Index p. 204.
7) Vgl. über die Stelle Reitzenstein a. a. O. S. 489.
Kornemann, Mausoleum des Augustus 5
62 IH. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
2. Verleihung des Ehrennamens Augustus!) zum Dank dafür durch Senatsbeschluß: Cassius Dio 53, 16, 6.
3. Schmückung der Türpfosten des Palastes mit Lorbeer und Anbrin- gung der Bürgerkrone über der Pforte des Hauses: Cassius Dio ebenda $ 4.
4. Aufstellung des goldenen Ehrenschildes in der curia Iulia mit der Inschrift: senatus populusque virtutis, clementiae, iustitiae, pietatis causa.
Damit sind die Gedanken, die die Disposition des Urmonuments nur hatte erraten lassen, ausgesprochen, und wir verstehen, weshalb der Verfasser des Ganzen die Darstellung der eigenen honores in dieser Weise auseinandergerissen hat (Anfang in c. 7, Schluß in c. 34). Die Ehrungen, die in c. 34 zusammengestellt sind, betrachtete Augustus als die höchsten, ehe er später den Ehrennamen pater patriae erhielt. Ihnen zuliebe ist dann der oben (S. 40ff.) schon betrachtete Schlußsatz von c. 34 geprägt worden, in welchem er, obwohl ein Magistrat wie die anderen, vermöge seiner dignitas als princeps civitatis sich kennzeichnet.
Nach dem Gesagten sah der erste Entwurf des Gesamtdokuments folgendermaßen aus. Im Anschluß an die vier Kapitel, an deren Ende die Worte consul quintum etwa in consul undecimum geändert zu wer- den brauchten, fahr der Verfasser fort:
[Triumvir rei publicae constituendae fueram per annos decem con-
tinuos. Primum dignitatis locum in senatu usque ad eum diem, quo scripsi haec, habui per annos quinque (?). Pontifex, augur, quindeeimvirujm sa- cris [faciundis, septemvirum epulonum, frater arvalis, sodalis Titius, fetiali]s fui.
Patriciorum numerum auxi consul quintum iussu populi et senatus sena- tumque legi. Et in consulatu sexto censum populi conlega M. Agrip-
pa egi.
_ Lustrum post annum alterum et quadragensimum fec[i]. Quo lustro ci- vium Romanorum censa sunt capita quadragiens centum millia et sexa- glilnta tria millia,
Legibus novif[s perlatis?) multa e]xempla maiorum exolescentia
1) Reitzenstein a. a.0. 8. 488 äußert neuerdings, um das Dunkel, welches über der Herkunft des Namens Augustus liegt, aufzuhellen, daß vielleicht durch die stoisch-eiceronianische Theorie vom Staatsleiter, der auch hier, anknüpfend an die stoische Lehre vom Weisen, in eine höhere Sphäre erhoben ist, die Wahl dieses Beinamens bestimmt worden ist.
2) Die Lesung perlatis bat einer meiner Tübinger Schüler, Herr Runge, im Seminar vorgeschlagen. Die Lücke ist aber auch damit noch nicht ausgefüllt.
4. Die. Entstehung der Gesamtinschrift 63
iam ex nost[ro usu revocavi et ipse] multarum rerum exempla imi- tanda pos[teris proposui].
Vota pro salute mea ut fierent?!) per consjules et sacerdotes qu[into quoque anno senatus decrevit. Quibus ex] votis s[ae]pe?) fecerunt vivo me [ludos aliquotiens sacerdotulm quattuor amplissima colle- gia, aliquotiens consules. Privatjim etiam et munieipatim universi cives sacrificia concorditelr apud omnia pulvinaria pro vale- [tudine mea fecerunt].
Nomen meum senatus consulto EN est in saliare carmen. Et
sacrosan- ctus ut essem in perpetuum et q]Juoa[d] viverem, tribunicia potestas mihi esset, lege sanctum est. Pontif]ex maximus ne fierem in vivi [c]onle- gae locum, populo id sace]rdotium deferente mihi, quod pater meus habuerat, recusavi].
Ianum] Quirinfum, quem cljaussum ess[e maiores nostri voluer]unt,
eum pjer totum ilmperium po]puli Romani terra marique es]set parta vic- torii]s pax, bis [senat]us claudendum esse censuilt].
Plebei Romanae viritim HS trecenos numeravi ex testamento patris
- mei, et nomine meo HS quadringenos ex bellorum manibiis consul quintum dedi, iterum autem in consulatu decimo ex [p]atrimonio meo HS quadringenos congiari viritim .pernumer[a]vi et consul undeeimum duodeeim frumentationes frumento pr[ilvatim coempto EMEHBUS SUM. „nenn ceeneeen Quae mea congiaria p[e]rvenerunt ad [homijnum millia nunquam minus quinguaginta et ducenta.
In eolon[i]s militum meorum consul quintum ex manibiis viritim millia nummum singula dedi; acceperunt id triumphale congiarium in colo[n]is hominum eirciter centum et viginti millia.
Pecuniam [pro] agris, quos in consulatu meo quarto .....,........ EEE ESSEN adsignavi militibus, solvi municipis. Ea [s]u[mma sest]ertium circiter sexsiens milliens fuit, quam [p]ro Italicis praed[is] numeravi. Id primus et [s]olus omnium, qui [djeduxerunt colonias militum in Italia ........... ‚ ad memorlilam aetatis meae feci.
Curiam et continens ei chaleidicum, templumque Apollinis in Palatio cum portieibus, aedem divi Iuli, Lupercal, porticum ad eir- cum Flaminium, quam sum appellari passus ex nomine eius qui pri-
1) Ergänzung von H. Heinen, Klio XI, 1911, 8. 144 Anm. 1. 2) saepe hat vielleicht ursprünglich gefehlt, 5*
64 Ill. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
orem eodem in solo fecerat Octaviam, pulvinar ad circum maximum, aedes in Capitolio Iovis feretri et Iovis tonantis (?) ........ feci.
Duo et octoginta templa deum in urbe consul sext[um ex decreto] senatus refeci, nullo praetermisso quod e[o] temp[ore refici debebat. Con[s]ul septimum viam Flaminiam a[b urbe] Ari[minum feci et pontes omnes praeter Mulvium et Minucium.
Don[a e]x manibiis in Oapitolio et in aede divi Iuli et in aede Apollinis N ER consacravi, quae mihi consti- terunt HS eireiter ........- Auri coronari pondo triginta et quin- que millia municipiis et colonis Italiae conferentibus ad triumphol[s] meos quintum consul remisi.
In templis omnium civitatium pr[ovincilae Asise vietor orna- menta reposui, quae spoliatis tem[plis is] cum quo bellum gesseram privatim possederat.
Mare pacavi a praedonibus. Eo bello servorum qui fugerant a dominis suis et arma contra rem publicam ceperant, triginta fere millia capta dominis ad supplicium sumendum tradidi. Iuravit in mea verba tota Italia sponte sua et me be[lli], quo vici ad Actium, ducem depopos-
eit. Iura- verunt in eadem ver[ba provi]nciae Galliae Hispaniae Africa Sicilia Sar- dinia. Qui sub [signis meis tum] militaverint, fuerunt senatores plures quam DCC, in ii[s qui vel antea vel pos]tea consules facti sunt ad eum diem quo scripta su[nt haec, ...., sacerdojtes circiter ....
Omnium prov[inciarum populi Romani] ‚ quibus finitimae fuerunt
gentes quae n[on parerent imperio nos]tro, fines auxi. al et Hispa- War [pacavi].!)
Aegyptum imperio populi [Ro]mani adieci. ............... Pro- vincias omnis, quae trans Hadrianum mare vergun[t a]d orientem Cyre- nasque, iam ex parte magna regibus eas possidentibus, e[t] antea
Siciliam et Sardiniam occupatas bello servili reciperavi. Signa militaria complur[a per] alios d[uJces ami[ssa] devicti[s hostibu]s re[cipe]ravi ex Hispania et G[allia et a Dalm]ateis.?)
BD) Vielleicht folgte hier schon im ersten Entwurf der Schluß des Kapitels: Meo iussu et auspicio usw. Vgl. darüber oben S. 58.
2) Nicht unmöglich, daß auch c. 31 teilweise dem ersten Entwurf ange- hört; siehe oben S. 60.
4. Die Entstehung der Gesamtinschrift 65
Ad me supplices confug[erunt] reges Parthorum Tiridaltes...... les DE NEN ; Medorum [Artavasdes; Adiabenorum A]rtaxa- res; Britann[o]rum Dumnobellau[nus] et Tim....... H
In consulatu sexto et septimo, bfella ubi eivillia exstinxeram per consensum universorum [potitus rerum omn]ium, rem publicam ex mea potestate in senat[us populique Romani] arbitrium transtuli. Quo pro merito senatu[s consulto Augustusappe]llatus sum et laureis postes aedium mearum vlestiti sunt publice coronaq]ue eivica super ianuam meam fixa est [elupeusque aureu]s in [eJuria Iulia posi- tus, quem mihi senatum [populumque Romanu]m dare virtutis cle- mf[entia]e iustitia[e pietatis causa testatum] est pe[r ejius clupei inscription]em. Post id tem[pus praestiti omnibus dignitate, potes- tjatis auftem n]ihilo ampliu[s habui quam qui fuerunt m]ihi quo- que in malgis]tra[t]u conlegae.
Vielleicht folgte dann schon damals der spätere Schlußsatz von e. 35, etwa in der Form:
Cum scri]psi haec, annum agebam quadragensimum.
Überblicken wir das Ganze noch einmal, so ist auch in diesem ersten Entwurf des Gesamtdokuments wie im Urmonument die chro- nologische Ordnung der Darstellung eingehalten, allerdings das Ganze gleichzeitig nach einzelnen Rubriken geordnet. Ebenso ist, wie im Urmonument, die Vorführung der Ergebnisse der inneren Politik des Machthabers in den Vordergrund geschoben, und zwar hier in erhöhtem Maße dadurch, daß die Hauptergebnisse der entscheidenden Jahre im Schlußkapitel zusammengestellt sind und im Schlußsatz dieses Kapi- tels kulminieren. Fallen gelassen ist die alte Auffassung, daß die außerordentliche Triumviralgewalt im Jahre 32 die Quelle der Macht- stellung des Herrschers gewesen sei, vielmehr ist an die Stelle das Notstandskommando von 32 getreten, das auf dem consensus omnium basierte, ganz so wie Kromayer neuerdings die Entwicklung aufgefaßt hat. Dies ist die in den Jahren 28 und 27 niedergelegte Machtbefug- nis gewesen, die natürlich tatsächlich die alte Triumviralgewalt nur unter neuem Namen darstellt (s. unten im Exkurs V). Eingeschoben sind die Kapitel von den Aufwendungen für Volk und Soldaten, die Schilderung der Bauten des Herrschers, die Verwendung der mani- biae nach Actium zugunsten einiger Tempel sowie die Rückgabe der von Antonius geraubten ornamenta der asiatischen Tempel, also Taten, die Octavians pietas gegenüber den Göttern von neuem beleuchten, endlich eine Anzahl Tatsachen, die ihn als Mehrer und restitutor des
1) Betreffs des Schlußsatzes von c. 32 vgl. oben S. 61 Anm. 4.
. 66 _ II. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
Reiches in helleres Licht setzen, endend in dem Satze von den supplices reges, die bei ihm Schutz gesucht hatten, wie das Urmonument. mit der Schilderung der reges im Triumphe des Jahres 29 geendigt hatte. ‚Wieder ein in sich geschlossenes Ganzes, an dessen Schluß die In- schrift von Senat und Volk auf dem goldenen Ehrenschild in der curia Julia zitiert war. Wie einst das Urmonument auf die vier Kardinal- tugenden des neuen Mannes gestellt war, so jetzt das vergrößerte Do- kument auf die Schlagworte Freiheit, Friede, Brot und Arbeit (letztere durch die Bauten): das Ganze durchzogen von Gedanken der Rückkehr zu den guten Sitten der Altvorderen!) über die traurige Zeit der Bürgerkriege hinweg, die man nun glücklich dank der Tüch- ‚tigkeit, Mäßigung, Gerechtigkeit und Pflichttreue des Prinzeps hinter sich gelegt hatte, der zugleich ein kräftiger Mehrer des Reiches ge- worden war. Es ist der Augustus, wie ihn die Reliefs der beiden Sil- berbecher von Boscoreale darstellen, die uns v. Domaszewski so ver- ständnisvoll gedeutet hat?) mit dem kühnen Versuch, ein toreutisches Werk als Vorlage festzulegen, nämlich den Schmuck des Wagens des Triumphators Augustus auf den Quadrigae seines Forums. 3
. Zugleich aber ist es der Prinzeps, der mit dem von Panaitios und Cicero gezeichneten Ideal übereinstimmt, wie neuerdings Reitzenstein so schön nachgewiesen hat.?)
Was die Zeit der Abfassung betrifft, so sehen wir, daß wir bis zum Jahre 23, und zwar in die erste Hälfte des Jahres, als Augustus noch Konsul war, heruntergehen müssen. In diese Zeit fällt die schwere Erkrankung des Prinzeps, in der er wieder einmal sein Ende nähe fühlte und auch das Volk offenbar an seinem Aufkommen zweifelte.t) Schon damals sind die Dokumente vorhanden gewesen, mit denen zu- sammen später unsere Inschrift bei den Vestalinnen deponiert war: das Testament) und ein Verzeichnis der Heeresmacht und der Staats- einkünfte, welch’ letzteres er dem Mitkonsul Piso übergab.°) Liegt es da nicht nahe anzunehmen, daß damals auch unser Dokument auf die- jenige Fassung gebracht worden ist, die wir im vorhergehenden kon- struiert haben und die gerade für diese Zeit ausgezeichnet paßt?
1) Man lese hintereinander die Stellen c. 8 II 12—14, c. 13 II 42—44, c. 19 IV 3—4.
2) S.-Ber. Heidelb. Ak. 1904, 4. Abh. 8. ff.
8) A.a. 0. 8. 486f. Wenn R. dabei auch die Überschrift der Ancyraner Kopie als von Augustus berrührend behandelt und einen Widerspruch mit dem Inhalt des Monuments selber konstatieren muß, so rächt sich hier bitter, daß die neuere Forschung an der Frage nach der Entstehung des Schriftstücks und der Kopie achtlos vorübergegangen ist. .
4) Cassius Dio 53, 80, 1. 5) Cassius Dio 53, 31, 1. 6) Derselbe 53, 30, 2. -
5. Die Zusätze des Augustus nach dem Jahre 23 v. Chr. 67
Das Jahr 23 forderte in seinem weiteren Verlauf dann nicht das Leben des Prinzeps, sondern dasjenige des Marcellus, seines Schwieger- sohns und Neffen, der als Gemahl von Augustus’ einziger Tochter zum Nachfolger ausersehen war.!) Als erster hielt er seinen Einzug in das Mausoleum auf dem Marsfeld, für das, wie wir durch diese Ausführungen nun erfahren haben, damals Schön die Res gesiae aueh in dem größeren Rahmen vorhanden waren.
5. DIE ZUSÄTZE DES AUGUSTUS NACH DEM JAHRE 23 v. Chr.
Wenn man die Jahre feststellen will, in denen Augustus das Do- kument wieder zur Hand genommen hat, muß man von c. 15 ausgehen. Wir sahen oben (3.52), daß jede der späteren, nach dem Jahre 23 erfolgten Spenden eine oder mehrere sprachliche oder sachliche Ab- weichungen gegenüber der vorhergehenden aufzuweisen hat. Der heu- "tige Zustand des Kapitels wird daher am besten durch die Annahme er- klärt, daß die drei noch nicht besprochenen Spenden (vom Jahre 12,5 und 2 v. Chr.) sukzessive nachgetragen sind, die erste also zwischen 12 und 5 v. Chr., die zweite zwischen 5 und 2, die dritte nach dem Jahre 2 v. Chr, so daß wir damit drei Redaktionen nach der grund- legenden vom Jahre 23 in Betracht zu ziehen hätten.
Wir wenden uns zu der ersten Erweiterung des ursprünglichen Entwurfes. Unsere Aufgabe ist, festzustellen, einmal ob der Inhalt des Dokuments einem Ausbau zwischen 12 und 5 v. Chr. günstig ist, und zweitens, in welchem der genannten Jahre wohl am wahrschein- lichsten die ersten Zusätze gemacht sind. Eine allgemeine Betrach- tung, die der Inhalt der Zusätze, wie wir sehen werden, unterstützt, führt uns dahin, möglichst in oder an das Jahr 12 v. Chr. heranzu- gehen. Das Jahr bedeutet im Leben des Augustus einen tiefen Ein- schnitt. Der Tod des Lepidus, des letzten noch lebenden Teilhabers am Triumvirat, und der Tod des Agrippa, des treuen Waffengefährten und seit dem Ableben des Marcellus auch Schwiegersohnes, bringen den ersten Abschnitt im Leben des nun über fünfzigjährigen Macht- habers zu Ende. Der Tod des Lepidus ermöglicht ihm die Übernahme ‚des Oberpontifikats (6. März) und der Tod des Agrippa unmittelbar danach macht die Bahn frei für die militärische Betätigung der Stief- söhne Tiberius und Drusus an der Nordgrenze des Reiches. Damit aber zieht eine neue kriegerische Epoche herauf. Die eingehende Schilderung der Wahl zum Oberpontifex in c. 10 II 23—28 mit der
1) Gardthausen I 2 8. 732.
68 IIL. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
abermaligen Hervorhebung des consensus universorum (wie in c. 25 und c. 34) und die Betonung alles dessen, was zur Verherrlichung des Friedens bis dahin geschehen ist (außer ec. 13 noch e. 12 II 37—41) paßt vorzüglich in dieses Jahr. Daß dem großen Hypochonder auf dem Throne nach dem Begräbnis des Genossen und seiner Aufnahme ins Mausoleum wieder Todesgedanken gekommen sein mögen, ist nur allzu natürlich. Dies aber führte zur Weiterarbeit am Monument, und zwar in sehr vorsichtiger Form. Wenn je, so war jetzt der Fortbestand des Prinzipates für den Fall, daß auch Augustus etwas Menschliches passieren sollte, gefährdet. Die beiden Söhne des Agrippa und der Julia, die Enkel des Prinzeps, die er im Jahre 17 adoptiert hatte!), standen noch in jugendlichem Alter. Tiberius und Drusus, Livias Söhne, waren die einzigen erwachsenen Mitglieder des Herrscherhauses, und von ihnen wurde Tiberius offenbar unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse Ende des Jahres 11 v. Chr. mit Julia vermählt.?) Wenn Augustus bald oder wenigstens früher starb, als bis sein ältester Adop- tivsohn regierungsfähig wurde, mußte eine Art Regentschaft für ihn eintreten. Ob das bei Livias Ehrgeiz ohne Kämpfe abgehen würde, ob dabei der kaum errichtete Prinzipat nicht durch die republikanische Gegnerschaft wieder ganz beseitigt werden würde, war mehr als frag- lich. Auf alle Fälle mochte jetzt Augustus mit schweren Sorgen in die Zukunft schauen. In die Jahre 12 oder 11 paßt also von allge- meinen Gesichtspunkten aus die Weiterarbeit in einer Form, die alles Unrepublikanische vermied. So erklärt es sich vielleicht, was bisher noch niemand zu erklären vermocht hat, weshalb die großen Neue- rungen in der Ordnung der obersten Gewalt vom Jahre 23°) mit keinem Wort in dem Dokument erwähnt werden, obwohl auf der damaligen Regelung der Stellung des Prinzeps eigentlich erst die Alleinherr- schaft ruht.
Statt uns von der Neuordnung des verflossenen Jahrzehnts zu er- zählen, beginnt die Weiterarbeit in engster Anlehnung an den letzten Satz des ersten Entwurfes (Schluß von c. 34), in welchem sich Au- gustus als primus inter pares vorgestellt hatte, mit der Schilderung alles dessen, was Augustus in der Zwischenzeit, weil es zaga r& ndroıa &9n war, abgelehnt hat: c. 5 und 6 sind angefüllt mit Aufzählung der in der Zeit von 22—11 v. Chr. abgelehnten Ämter, allen voran der Diktatur, und gleichzeitig ist wohl auch das vorhergehende c. 4
1) Cassius Dio 54, 18, 1. 2) Ebenda 54, 85, 4. 3) Cassius Dio 53, 82, 5.
5. Die Zusätze des Augustus nach dem Jahre 23 v.Chr. 69
um die Sätze von den abgelehnten Triumphen vergrößert worden.!) Blumenthal hat hierin mit Recht den unausgesprochenen Vergleich mit Caesar erblickt?), der alles das, was hier abgelehnt wird, ange- nommen hat.?) Dem an der höchsten Stelle des Staates einsam ge- wordenen Manne steigt noch einmal das Gespenst der Iden des März 44 auf. Keine Diktatur, weder dem Namen noch der Sache nach, ist auf- gerichtet worden, so sehr auch Volk und Senat danach verlangten. Statt der Triumphe wurden den Göttern nur die Gelübde gelöst, und statt der Diktatur wurde nur die cura annonae übernommen, wie sie einst im Jahre 57 schon Pompeius innegehabt hatte“), und das Volk wie damals von der Hungersnot befreit. Alle weiteren Versuche, außerordent- - liche höchste Gewalten zu schaffen, wurden durch den Hinweis, daß die tribunizische Gewalt zur Erledigung der betreffenden Aufgaben genüge, von der Hand gewiesen. Für die tribunicia potestas selber aber wird am Schluß von c. 6 hervorgehoben, daß Augustus auch hier Kollegen im Amt sich erbeten habe. Daß die beiden Kapitel später verfaßt und dann eingeschoben sind, ergibt sich aus der Tatsache, daß im schließ- lichen Text des Dokuments die Verleihung der tribunizischen Gewalt erst in c. 10 erzählt wird, in c. 6 aber ihre Anwendung im speziellen Fall und die Ausdehnung der Kollegialität auf sie hervorgehoben wird, während man bei Entstehung zu gleicher Zeit die umgekehrte Anord- nung erwarten sollte. Bemerkt sei noch, daß, wenn, wie wir oben an- nahmen, die Einlage schon im Jahre 12 v. Chr. gemacht ist, die Worte I 37f. et tertium Paullo Fabio Maximo et Q. Tuberone nach- getragen sein müssen, sowie daß in dem Schlußsatz des Kapitels statt wevrdxıg ursprünglich Öfs gestanden haben müßte.
Ein weiterer Nachtrag aus dieser Zeit sind der Rest von c. 10 sowie die cc. 11 und 12. Das große Ereignis des Jahres 12, die Wahl zum Oberpontifex durch das Gesamtvolk von Italien am 6. März des genannten Jahres, ist an den schon vorhandenen Inhalt des c. 10 angeschlossen, und als besonders hervorhebenswert wird betont, daß bei den Wahlen am 6. März eine Menschenmenge in Rom sich zusammen- gefunden habe wie nie zuvor, so daß Poehlmann mit Recht hierin „eine Art Plebiszit für das Kaiserreich“ gesehen hat.) Die Kapitel 11 und 12, die Erzählung von der Weihung der zwei Altäre für den heim-
1) Vgl. den Text der Stelle mit neuen Ergänzungen bei v. Domaszewski, 2.2. 0.8.5. 2) Wien. Stud. 36, 1914, 8. 20.
3) Vgl. Pauly-Wissowa, R.-E. Artikel Iulius Caesar X S. 244ff.; zur cura morum auch Ed. Meyer, Caesars Monarchie? 3. 420 Anm. 2.
4) Vgl. darüber Ed. Meyer, a. a. O. S. 115ff.
6) R. v. Poehlmann, Römische Kaiserzeit in v. Pflugk-Harttungs Well : 1
geschichte, Altertum 8. 513.
70 II. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
kehrenden Augustus durch den Senat sind wieder streng chronologisch geordnet, nur ist die Verteilung auf die beiden Kapitel insofern seltsam, als nicht etwa die Ereignisse des Jahres 19 in c. 11 und diejenigen von 13 in c. 12 gegeben sind, sondern die Ereignisse des erstgenannten Jahres über beide Kapitel sich erstrecken und innerhalb des c. 12 dann der Sprung auf das Jahr 13 vollzogen wird. Als Grund hierfür kann wohl nur angeführt werden, daß die Benennung des 12. Ok- tober als Augustalia als das Wirksamste ans Kapitelende gestellt werden sollte. Durch das nachträgliche Einschieben dieser Kapitel in den vorhandenen Text ist auch hier, ähnlich wie bei der irib. vpotestas, die seltsame Anordnung entstanden, daß an dieser Stelle schon von Augustalia und Pax Augusta die Rede ist, während die ‚Verleihung des Augustusnamens erst in c. 34 erzählt wird. Wie sehr Augustus es darauf ankam, bei diesem Nachtrag als Günstling der römischen Aristokratie zu erscheinen, zeigt vor allem die Erzählung (Anfang des c. 12) von der Gesandtschaft des Senates nach Kampanien, die, obwohl sie nach Cassius Dio einen ganz bestimmten Zweck ver- folgte‘), hier als reine Ehren- und Begrüßungs-Gesandtschaft der prin- cipes viri dargestellt wird, mit dem Zusatz, daß etwas Derartiges nie- mandem vor ihm zuteil geworden sei.?) Dagegen vermissen wir den Hinweis auf die Iudi, die am 12. Oktober des Jahres 11 v. Chr. auf Beschluß des Senates an den Augustalia zum erstenmal gefeiert wur- den°), was gerade hier, wo alles so ausführlich geschildert wird, ganz besonders auffällt. Erklärlich wird die Sache, wenn, wie wir oben schon annahmen, die Zusätze vor dem Jahre 11 v. Chr. gemacht sind.
Der Abschnitt von den impensae hat damals folgende Zusätze er- halten: ec. 15 die Spende vom Jahre 12 III 12—14 = Cassius Dio 54,29,4; CILIX 5289, c. 16 die Vergebung von provinzialem Kolonial- land an die Veteranen im Jahre 14 = Cassius Dio 54, 23, 7 zum Jahre 15 allerdings. Der erste Satz von c. 17 ist, da im Jahre 16 ein erneuter
1) Cassius Dio 54, 10, 2.
2) Durch die seltsame Formulierung pars praetorum et tribunorum cum consule Q. Lucretio et principibus viris hat Augustus wenigstens angedeutet, daß Q. Lucretius, der erst von Augustus in Campanien zum Konsulat befördert .wurde, beim Abgang der Gesandtschaft noch nicht Konsul, sondern einer der principes viri, d.h. der Senatoren höchster Rangklasse (vgl. die griechische ‚Übersetzung: ol r&g ueyiorag deyas &efarre[s]) war; vgl. zu der Stelle M. Gelzer, Die Nobilität der römischen Republik, Leipzig 1912, S. 38. Die dem republi- kanischen Brauch entsprechende Bezeichnung principes viri, während der Herr- scher selber noch deu Titel princeps vermeidet, ist, wie wir oben (8. 41) sahen, . charakteristisch für die älteren Teile des Dokuments und gehört in das Kapitel
-::.9on der ehrenden Behandlung des Senates und der Senatoren.
8) Cassius Dio 54, 34, 2, Wilhelm a. a. O. 8. 32.
5. Die Zusätze des Augustus nach dem Jahre 23 v. Chr. 711
(der dritte?) Zuschuß an das Ärarium gemeldet wird!), im Jahre 12 - vielleicht schon der vierte?), entweder erst gelegentlich dieser Re- daktion geschrieben oder zum mindesten erweitert worden. C. 18 ist damals ganz eingeschoben worden. Es berichtet vom Eingreifen des Herrschers gelegentlich der Schwierigkeiten bei den ordentlichen Ge- treideverteilungen vom Jahre 18 ab.°) Man bemerkt in diesen Ka- piteln das Bestreben des Augustus, die Leistungen aus dem eigenen Vermögen für das Volk möglichst in den Vordergrund zu schieben, etwas, was auch in die oben geschilderte Situation des Prinzipates nach dem Tode des Agrippa vorzüglich paßt.
Die mit c. 19 beginnenden Bautenkapitel sind mehr durch Hin-
. zufügung von Einzelheiten vervollständigt. Der Tempel des Quirinus (e. 19 IV 5) wurde im Jahre 16 v. Chr. eingeweiht), der Tempel der
Iuventas im gleichen Jahre durch Feuer zerstört), so daß sein Neu-
bau, wie der der unmittelbar vorher genannten Tempel nach dem
Jahre 16 v. Chr. angenommen werden muß. Genaueres über den Zeit-
punkt ist nicht zu sagen®), so daß auch nicht entschieden werden
kann, wie weit in c. 19 diese Redaktion sich erstreckt hat. Ebenso
unsicher sind wir bezüglich der Angaben im ersten und dritten Satz
von c. 20. Auffällig ist, daß die Wiederherstellung des Pompeius-
theaters in c. 20 berichtet wird, der Bau des Marcellustheaters dagegen
in-c. 21. Diese seltsame Anordnung des Stoffes erklärt sich noch am
ehesten aus der Niederschrift zu verschiedenen Zeiten. Der erste Satz
von c. 20 ist vielleieht erst zusammen mit dem zweiten, der von den
Wasserleitungen handelt, gelegentlich der Redaktion nach dem Jahre 5,
verfaßt. Denn die Wiederherstellung des Kapitoliums erfolgte doch
wohl, wie oben (8.55) schon bemerkt, erst nach dem Brand vom Jahre 9
v. Chr., wobei auch der Tempel des Iupiter Capitolinus beschädigt
wurde.’) Vollendet und eingeweiht?) wurde der Bau des Marcellus-
theaters am 4. Mai 11 v. Chr. Wenn die Notiz noch bei dieser Re-
1) Vgl. die Münze Cohen I? $. 94ff. Nr. 542; Gardthausen II 2 S. 338 Anm. 29 für Wegbauten.
2) Cassius Dio 54, 80, 3 zugunsten der Provinz Asien, die infolge eines Erdbebens die Steuern nicht aufbringen konnte.
8) Das Verständnis der Stelle haben uns erst Rostowzew, Klio III, Bei- heft 8. 12f. m. Anm. 4 und Hirschfeld, Verwaltungsbeamte* S. 232f. erschlossen.
4) Cassius 54, 19, 4. 5) Cassius Dio 54, 19, 7.
6) Joseph Wilhelm a. a.O. 8. 26f. nimmt sowohl für die aedes Larum wie für die aedes deum Penatium Entstehung im Jahre 12 v. Chr., allerdings mit unzureichenden Gründen, an.
7) Cassius Dio 55, 1, 1, dazu Joseph Wilhelm a. a. O. 8. 43f.
8) Cassius Dio 54, 26, 1 schon zum Jahre 18; Plinius N. H. VIII 66; Suet. Aug. 29, 4; vgl. auch CIL VI 32323 2. 156f.
12 II. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
daktion aufgenommen wurde, müssen wir mit derselben in die erste Hälfte dieses Jahres heruntergehen.
Aus dem folgenden glaube ich, daß nur noch der Schlußsatz von c. 24 frühestens dieser Redaktion angehört, da er deutlich als ein Nachtrag zu dem ganzen Abschnitt sich kennzeichnet, insofern er, auf Rom bezüglich, der Darstellung, die unterdessen über Italien (c. 21) zu den Provinzen (erster Satz von c. 24) gelangt war, in offenbarer Weise nachhinkt.
In dem dritten Abschnitt (von c. 25 an) ist der Anfang der Schilderung der armenischen Dinge in ce. 27 bis zu den Worten pri- vignus erat (V 24—27) sicher dieser Redaktion zuzuweisen. Auf frühe Abfassung weist der Hinweis auf das exemplum maiorum (V 25—26) hin (vgl. c. 6 gr. II 18, c. 8 lat. II 12). In dem Nebensatz qus tum mihi privignus erat ist tum ein späterer Zusatz aus der Zeit, als Tiberius adoptiert war. Von c. 28 ist mindestens der erste Satz, der von den Koloniengründungen in den Provinzen handelt, damals geschrieben.)
In c. 29 gehört der zweite Satz über die Rückgabe der von den Par- thern erbeuteten römischen Feldzeichen hierher, da er die Ergänzung zu der Regelung der armenischen Verhältnisse in c. 27 bildet. Man beachte hier die Worte: amicitiam populi Romani im Gegensatz zu amicitiam meam et populi Romani in dem späten Nachtrag des c. 26 V 17—18.?) Der Schlußsatz von c. 29 (Aufstellung der Feldzeichen im Innern des Mars Ultor-Tempels) gehört dagegen erst der Redaktion nach dem Jahre 2 v. Chr. an.
C. 30 zeigt deutlich zwei zu verschiedenen Zeiten entstandene Teile, insofern V 44 populi Romani exercitus, dagegen am Schluß V48 exercitus meus steht.) Mit et postea ist hier wieder, wie so oft, ein Nachtrag zu dem schon vorhandenen Kapitel gegeben. Es fragt sich, wann der größere Teil des Kapitels, der die Kämpfe des Tiberius gegen Pannonier und Daker in den Jahren 12—9 berührt, geschrieben ist. Da die Kämpfe bei unserer Annahme einer Niederschrift spätestens im Jahre 11 v. Chr. noch nicht abgeschlossen waren, auch die Formel
1) Vgl. oben 8. 59.
2) Darüber unten 8. 79. Wie c. 26 V 17—18 auch Sueton Aug. 21, 3: Indos etiam ac Scythas auditu modo cognitos pellexit ad amicitiam suam popu- tique Romani. E. Täubler, Imperium Romanum I 8. 186f., macht darauf auf- merksam, daß amicitiam populi Romani der korrektere Ausdruck ist. „Träger der Souveränität ist das Volk, aber die Rechte des Volkes vertritt der Prin- zeps. Es ist nicht der alte Feldherrnvertrag, welcher sich im Kaiservertrag fortsetzt, sondern der alte Volksvertrag.‘
3) Im ersten Teil steht (V 46) imperio populi Romani subieci wie c. 27 V 24 = griech. Ayeuovl« djuov Pouelov; allerdings am Schlusse auch im[peria populi Romani]) = griech. zeoordyucra druov Poueiov.
5. Die Zusätze des Augustus nach dem Jahre 23 v. Chr. 73
ante me principem gebraucht ist, glaube ich erst an eine Niederschrift frühestens bei der Redaktion nach dem Jahre 5 v. Chr. Die Erwäh- nung von IUyricum hier zum erstenmal!) gegenüber Dalmateis in c. 29 und die Form Dan[u]i, die mit exercitum statt exereituum in c. 29 V 40 in Parallele zu stellen ist, sind auch mit einer früheren Abfassung vereinbar. Der Nachtrag am Schluß gehört zu den letzten Zusätzen, die Augustus selber gemacht hat.
Mit dem Hauptteil von c. 30 gleichzeitig entstanden sind wohl auch c. 31 und 32, soweit sie nach meinen früheren Ausführungen nicht schon vorhanden waren. Die Hervorhebung der eigenen Per- sönlichkeit (vgl. das dreimalige ad me V 50, V 54 und VI3, die Formel me principe in VI6—7 und R[omanorum du]cem V 51) 3owie die Worte nostram amicitiam V 51 und VI5, endlich die offenbare Gleichstellung mit Alexanders Empfang fremder Gesandtschaften in Babylon?) weisen auf spätere Niederschrift hin. Ebendahin führt die rein sachliche und unchronologische Anordnung von c. 33.
Fassen wir das Ergebnis der seitherigen Ausführungen zusammen, so haben wir in den herausgehobenen Teilen eine Weiterarbeit am Dokument vor Augen, die der durch den Tod des Agrippa und die Unsicherheit in der Vererbung des Prinzipats entstandenen Situation entspricht und wohl am ehesten ins Jahr 12 oder 11 v. Chr. zu setzen ist. Nach Cassius Dio 54,25,5 ließ Augustus nach der Rück- kehr aus dem Westen im Jahre 13 im Senate durch den Quästor ein Schriftstück (ßıßAlov) verlesen, in welchem er seine Taten (rd Te mengeyusva ol) aufzählte und den Kriegsdienst der Bürger sowie
die bei der Entlassung an Stelle der Landversorgung von jetzt an zu zahlende Geldentschädigung regelte. Dies ist das letzte derartige Do- kument, von welchem wir in der Literatur Kenntnis haben.) Im An- schluß daran sind vielleicht nach dem Tode des Agrippa die Nachträge in unserem Tatenbericht gemacht. Augustus legt in diesen Nachträgen besonderen Wert auf seine Wahl zum pontifex maximus“), unterstreicht seine Tätigkeit im Sinne des mos maiorum sowie zugunsten des Welt- friedens, endlich im Dienste der zivilen und militärischen Plebs so-
1) Über Illyricum als Provinz vgl. Gardthausen I 3 $. 1069.
2) Arrian Anab. VII 15, 4—6. 3) Siehe dazu unten Exkurs IV.
4) Man muß sich hüten, die Bedeutung der Übernahme des Oberpontifikats durch Augustus zu unterschätzen. Dadurch trat er rechtlich an die Spitze des ganzen Sakralwesens: Joseph Wilhelm, Das römische Sakralwesen unter Augu- stus als pontifex maximus, Straßb. Diss. 1915, S. 7, vgl. auch H. Nissen, Rhein. Mus. 41, 1886, S. 489, der mit Recht auf die Inschriften der Cenotaphia Pi- sana aufmerksam macht, CIL XI 1420 und 1421 = Dessau I 139 und 140, wo in der ersten L. Caesar als Augusti Caesaris patris patriae pontificis ma-
74 II. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
wie für die Wiederherstellung der Ehre des römischen Volkes (Ar- menien, Rückgabe der verlorenen römischen Feldzeichen von seiten des parthischen Erbfeindes). Auch im letzteren Punkte wird die früher im Anschluß an Blumenthal festgestellte Vergleichung mit Caesar herausgefordert. Das Thema von der respublica restituta, das die erste Ausarbeitung des Gesamtdokuments beherrscht hatte, wird nach dem Tode des großen Mitarbeiters noch einmal in verstärktem Maße an- geschlagen. Es ist der erfolgreiche restitutor orbis Romani, der uns hier vor Augen gestellt wird, genau so, wie ihn der Künstler der Statue von Primaporta, die dieser selben Zeit angehört, auf dem Panzer- schmuck!) verherrlicht hat.
War es vom Standpunkte der erstrebten Erbmonarchie eine Zeit des Tiefstandes für den Prinzipat, in welchem die Redaktion von 12/1 erfolgte, so sind es Höhepunkte im Leben des Augustus, denen die Zusätze nach. den Jahren 5 und 2, die wir aus c. 15 erschließen durften, ihre Ent- stehung verdanken. Worauf der unterdessen alt gewordene Prinzeps seit Jahren hingearbeitet hatte, schien in Erfüllung zu gehen: die Aussicht auf die Möglichkeit der Vererbung der gewonnenen Herrscher- stellung. Noch einmal, ausnahmsweise, in der Würde des Konsuls (zum zwölftenmal) nahm Augustus selber im Jahre 5 die deductio in forum des ältesten Enkels und Adoptivsohnes Gaius vor. DasKapitel 14 des Dokuments ist damals zunächst allein in bezug auf Gaius konzi- piert worden und zugleich ist die Spende desselben Jahres aus diesem Anlaß in c. 15 (III 15—16) zugesetzt worden?), vielleicht auch die Abschnitte, welche Ereignisse von großer Bedeutung aus der Zwischen- zeit seit der letzten Redaktion berühren, wie die Darstellung des zweiten Census vom Jahre 8 v. Chr. in c. 811 5—8, die Besiegung der Alpenvölker in den Jahren 16-14 in c. 26 (V 12—14)?), die Ergeb-
zimi tribuniciae potestatis XXV filius, in der zweiten C. Caesar als Augusti patris patriae pontificis maxsumi custodis imperi Romani totiusque orbis terra- rum praesidis filius bezeichnet wird. Hier sind nur die höchsten Auszeich- nungen des Vaters zusammengestellt, und das sind: Augustus, pater patriae und pontifex maximus.
1) v. Domaszewski, Abhandlungen zur röm. Religion, 1909, 8. 53ff. und A. Dieterich, Mutter Erde, 2. Aufl. 1918, 8.81. _
2) Die doppelte Jahresbezeichnung mit trib. pot. und Konsulat hat Sig- wart, Klio III 8. 549 durch späteren Einschub von consul XII (man beachte die Ziffer!) gelegentlich der Redaktion vom Jahre 2 (III 19—20: consul tertium decimum) erklärt, „weil der Schreiber eine gleichartige Zeitbestimmung rich- tiger fand“.
3) Die Worte nulli genti bello per iniuriam inlato (vgl. Suet. Aug. 21, 2), welche an Panaitios’ Lehre vom gerechten Krieg erinnern (Beitzenstein 2.8.0. S. 486), gehören vielleicht schon dem ersten Entwurf an, wo sie am Ende des ersten Satzes standen.
5. Die Zusätze des Augustus nach dem Jahre 28 v. Chr. 75
nisse der großen Kriege des Drusus und Tiberius im Norden des Reiches in den Jahren 12—9 v. Chr., wie sie c. 26 (V 11—12) und c. 30 bis zu den Worten profligatus est (V 44—-48) in stolzen Worten: zur Darstellung bringen.!) Die oft behandelten Worte: [et Germani- am, qua inclu]dit oceanus a Gadibus ad ostium Albis flum[inis pacavi] passen allein in diese Zeit?) und vielleicht auch die Schlußredaktion von c. 13 mit der nunmehr wohl zum drittenmal vollzogenen Schließung des Ianus Quirinus?), so daß die Worte cum prlius, quam] nascerer [a condita] u[rb]e bis omnino clausum [f wisse prodatur m[emori]ae, ter me principe jetzt entstanden sind. Nachdem der älteste Sohn zum prin- ceps iuventutis von der Ritterschaft des Reiches ernannt worden war (III 4—-6), tritt Augustus selber jetzt mit der Benennung princeps für seine Person auch in dem Dokument offen hervor. Der Prinzipat als neue Regierungsform war so gefestigt und für die Ankunft gesichert, daß er offiziell in die Erscheinung treten durfte.
Was so im Jahre 5 begonnen worden war, kam im Jahre 2 auf den Höhepunkt. Die Vererbung des Prinzipats war nach der deductio des zweiten Sohnes Lucius auf vier Augen gestellt, Augustus, zum dreizehntenmal Konsul, hatte auch diesmal den weihevollen Akt voll- zogen, Senat und Volk hatten ihm zu Ehren (III 1: honoris mei caussa) dem Lucius dieselben Ehrungen beschlossen wie im Jahre 5 dem Gaius, die Ritterschaft den zweiten princeps iuwventutis sich erwählt. Aber nicht nur das: Augustus selber war im gleichen Jahr, am 5. Februar, von Senat, Ritterschaft und Gesamtvolk zum pater patriae ernannt worden. Damit stand er auf dem Höhepunkt seines Lebens.*) Das Kapitel 14 ist damals auf die Ehrung beider Söhne ausgedehnt worden, in e. 15 ist die Spende des Jahres 2 am Schlusse angehängt worden (III 19—21). Die zweite Hälfte von c. 16 von ei positea ab (II 28—33) ist damals geschrieben worden. Was in den Kapiteln von den Bauten (e. 19—21) noch fehlte, ist zum größten Teil jetzt hinzugefügt worden, namentlich der Beginn des Neubaues der basilica Iulia sub titulo nominis filiorum (IV 15) sowie die Weihung des Mars
1) Der Dakereinfall (V 47, 48) ist derjenige vom Jahre 10 v. Chr. Cassius Dio 64, 36, 2. 2) Siehe unten Exkurs VI.
3) Mommsen, R. 9.” 8.50, Jos. Wilhelm a. a. O. 8. 38f. Das Jahr der dritten Schließung iet uns nicht bekannt. Der Versuch, die dritte Schließung als nicht erfolgt zu bezeichnen, und zwar durch den Hinweis, daß nur ein drei- maliger Beschluß der Schließung überliefert sei (Fitzler-Seeck, R.-E. X Sp. 360), ist abzulehnen. Die Stelle im Monumentum mit ihrer Gegenüber- stellung der zwei Schließungen der älteren Zeit und der drei unter Augustus wäre eine grobe Fälschung, wenn die dritte Schließung nicht wirklich er-
folgt wäre. 4) Suet. Aug. 58, 1—2, Cassius Dio 55,10, dazu Jos. Wilhelm a. a. 0. S. 68f.
16 II. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
Ultor-Tempels und des glänzenden forum Augustum (c.21 IV 21—22). Spiele, wie sie Rom bis dahin noch nie gesehen hatte, sind gerade im Jahre 2 v. Chr. aus diesen Anlässen gefeiert worden mit dem Höhe- punkt in jener Naumachie im Gebiete von Trastevere (c.23 IV 43—48). Diese Feste haben den alten Herrscher veranlaßt, damals die beiden Kapitel von den Spielen auf einmal in aller Kürze in den vorhandenen Text noch einzuschieben‘), zumal die Nennung der filü, in deren Namen diese Spiele vor allem gegeben worden waren, dadurch häufig ermöglicht wurde. Dem Volke nicht nur panem, sondern auch cir- censes, „Brot umsonst und ewiges Volksfest“, ist seitdem die Losung der Kaiser geworden. Das Kapitel über Armenien (c. 27) ist damals um den Abschnitt, der die Taten des Gaius verherrlichte (V 28—30), erweitert worden, c. 29 um den Schlußsatz mit der Aufstellung der von den Feinden wiedergewonnenen römischen Feldzeichen im Mars Ultor- Tempel. Die Kapitel 31 und 32, die zum Vergleiche mit Alexander herausfordern (s. o. S. 73) sind vielleicht erst damals zu Ende gebracht worden. Vor allem aber ist damals dem ganzen Dokument ein neuer Abschluß gegeben worden durch Hinzufügung des c. 35, in welchem die Ernennung zum »pater patriae durch Senat, Ritterschaft und Ge- samtvolk und die drei Inschriften mit diesem Ehrentitel, i% vestibulo aedium mearum et in curia et in foro Aug. sub quadrigis, quae mihi ex s. c. positae sunt, erwähnt werden. Der Augustus vom Jahre 27 und der damals durch den goldenen Ehrenschild der curia Iulia gefeierte Prinzeps war zum „Vater des Vaterlandes“ erklärt worden, und zwar einstimmig von allen Teilen des populus Romanus, was selbst einem Caesar nur durch Senatsbeschluß, und zwar erst ganz am Ende seines Lebens?), dagegen in gleicher Weise nur dem Romulus zuteil ge- worden war.”) Das Dokument, das in seinen einzelnen Teilen und in seiner Gesamtheit nach dem Gesetz der Steigerung aufgebaut ist, hat damit seinen wirkungsvollsten Abschluß bekommen.
1) Die späte Entstehung der Kapitel von den Spielen hat Sigwart, Klio II 8. 549 erwiesen. Über conlegium statt collegium und collega statt conlega IV 36, 37 8.0. 8. 24. Für die Notwendigkeit der Raumersparnis spricht die häufige Ver- kürzung von Worten gerade in diesem Abschnitt: spectaclum IV 34 und 48, saeclares IV 87, cos IV 37, s. c. IV 39, auffällig auch guinquens statt quinquiens IV 31 und ducenti statt ducentos IV 45.
2) Liv. per. 116. Der Senatsbeschluß war nicht einmal einstimmig ge- faßt, Ed. Meyer, Caesars Monarchie? 8. 516 und 526. .
3) Dadurch ward Augustus erst in vollem Umfang zum zweiten Romulus, vgl. Liv. 1 16, 3 und V 49, 7 über parens patriae als Beiname des Romulus, dazu Ovid. fast. II 119f., Mommsen, Staatsr. II® S. 779 Anm. 2, Jos. Wilhelm a. 8. 0. S. 70; zur Gleichsetzung des Augustus mit Romulus im allgemeinen
auch A. v. Domaszewski, S.-Ber. der Heidelb. Ak. 1918, 6. Abh. S.4, und A. v. Premerstein, Das Troiaspiel, Benndorf-Festschrift, 1898, S. 266.
5. Die Zusätze des Augustus nach dem Jahre 23 v. Chr. 177
Die beiden Redaktionen von 5 und 2 gehören nach allem Ge- sagten eng zueinander. Sie unterscheiden sich beide von den vorher- gehenden dadurch, daß jetzt die Ehrungen der filü, der principes iu- ventutis, neben diejenigen des alten princeps treten. Wäre das Doku- ment im alten Stil fortgesetzt worden, so hätte Augustus auch alle Ehrenbeschlüsse des Jahres 8 v. Chr. zu seinen Gunsten erwähnt, wie denjenigen, daß der Geburtstag des Herrschers für alle Zeiten durch ein Wagenrennen gefeiert werden solle!), weiter die Umnennung des Monats Sextilis in Augustus?), vielleicht auch die ludi pro reditu Au- gusti vom Jahre 7 v. Chr.°) Statt dessen sind die Ehrungen der fiki in den Vordergrund gedrängt. Sie werden nicht weniger als viermal zusammen in diesen beiden Redaktionen genannt‘), Gaius außerdem noch ein fünftes Mal allein.) Man sieht deutlich: jetzt dient das Schrift- stück der Zukunft der neuen Herrschaftsform‘ Auf den vier Augen der filii ruhte der Prinzipat; sie sollten von nun ab im Dokument neben dem alten Prinzeps dominieren. Außer Tiberius, der wirklich der Nachfolger des Augustus wurde, werden unter Hervorhebung des Verwandtschaftsverhältnisses zum Herrscher im ganzen Schriftstück nur mit Namen genannt: Marcellus als Schwiegersohn‘) und Gaius und Lucius Caesar als Söhne”), und zwar an der Hauptstelle in c. 14 (II 46) mit dem nachträglichen Zusatz: quos iuvenes mihi eripuis for- tuna®), die in dem letzten Testament des Augustus wiederkehren, welches er schließlich zugunsten des Tiberius, nachdem alle anderen Hoffnungen zu Grabe, getragen waren, aufgesetzt hat. Es begann nach
.Sueton vita Tib. 23 mit den Worten: Quoniam atrox fortuna Gaium
1) Cassius Dio 55, 6, 6. Feriae für den 23. Sept. hatte der Senat schon im Jahre 30 v. Chr. beschlossen (Cassius Dio 51, 19,2), und freiwillig waren Spiele auch schon vorher fast alljährlich abgehalten worden, Mommsen, CIL I? S. 330, Jos. Wilhelm a. a. O. S. 17ff. 2) Cassius Dio 55, 6,6; Sueton Aug. 31,2; Censorinus, de die natali 22, 16. Der Senatsbeschluß steht bei Macrob. Sat. I 12, 35 mit der Schlußbemerkung: item plebiscitum factum ob eandem rem, Sexto Pacubio tribuno plebem rogante. Die Sache war also mindestens ebenso wichtig wie die Aufnahme des Namens des Herrschers in das saliare carmen, wovon c. 10 II 21 zu berichten weiß; zur Sache vgl. J. Wilhelm a. a. O. S. 54ff. und Fitzler-Seeck, R.-E. X Sp. 348 mit dem Versuch, das Ereignis 'schon ins Jahr 27 hinaufzudatieren. 3) Cassius Dio 55, 8, 3, CIL VI 385 u. 386, vgl. VI 80751, dazu Wilhelm & 8. 0. 8. 58f. j 4) c. 14 II 46, 20 IV 15, 22 IV 31 und 40; an allen diesen Stellen: Alii, dagegen in dem Nachtrag zu c. 23 IV 44. heißen sie Oaesares, darüber unten S. 79. j 6) c. 27 V 28—29: per Gaium filium meum. 6) c.21 IV 28 gelegentlich der Einweihung des Marcellus-Theaters: quod . sub nomine M. Marcelli generi mei esset. 7) Stellen oben Anm. 4.
Kornemann, Mausoleum des Augustus 6
18 II. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts et Lucium filios mihi eripuit, Tiberius Caesar mihi ex parte dimidia et sextante heres este. Wenn die Fassung des Nebensatzes im Monumen- tum durch Weglassung des Wortes atror auch etwas gemildert ist, so ist durch seine Voranstellung (vor Nennung der Namen der Söhne, anders der griechische Text!) auf die Sache besonders hingewiesen. Auf alle Fälle ist es die einzige Stelle des ganzen Schriftstücks, wo statt des Staatsmanns der Mensch Augustus zu uns spricht. _
Wann aber hat der alte und kalte Herrscher diese Worte, die allein uns in sein Gefühlsleben hineinschauen lassen, geschrieben? Der früheste Termin, der für die Abfassung in Frage kommt, ist der Todes- tag des Gaius, der 21. Februar 4 n. Chr.; heruntergehen darf man vielleicht auch noch unter den 26. Juni desselben Jahres, den Tag der Adoption des Tiberius und Agrippa Postumus. Denn damals frühestens ist das Testament begonnen worden, das nach dem Bericht des Sue- ton?) am 3. April 13 n. Chr. abgeschlossen und bei den Vestalinnen deponiert wurde.°) Wahrscheinlich sind nämlich die oben zitierten Worte über den Tod des Gaius und Lucius Caesar zuerst im Testa- ment angewendet und von hier in unser Schriftstück übernommen worden. Andererseits bekommen wir durch die Ausführungen oben über die manus Tiberii einen terminus ante quem, nämlich vor 13, wahrscheinlich schon vor 12 v. Chr., vorausgesetzt, daß überhaupt nur noch eine Überarbeitung des ganzen Dokuments durch Augu- stus stattgefunden hat. Diese Frage wie die genauere Festlegung des Zeitpunktes kann nur erledigt werden durch eine Betrachtung der- jenigen Teile des Monumentum, die als die zuletzt niedergeschriebenen schon durch die Ereignisse selber sich darbieten. Zu ihrer Betrach- tung im einzelnen wenden wir uns jetzt, indem wir die Zusätze der Reihe nach aufzählen:
1. ec. 14 II 46 der eben betrachtete Nebensatz quos iuvenes mihi eripuit fortuna. j
2. c. 17 III 35—39 die Schilderung der Begründung des aera- rarium militare im Jahre 6 n. Chr. Beachtenswert ist die Einleitung des nachgetragenen Satzes mit Z# und darauffolgenden Konsulnamen
1) Im griech. Text: Tiodg uov Taıov xal Asöxıov Kais[a]ous, obs veawing &vnonacev A voyn (Apoll. röynı).
2) Aug. 101, 1; vgl. dazu oben S. 22f.
3) Daß das Testament damals nicht erst abgefaßt, sondern abgeschlossen wurde, betont Gardthausen I 3 8. 1264 mit Recht. Um so anffallender ist es, wenn derselbe Forscher ebenda $. 1146 die Eingangsworte des Testaments, die uns oben beschäftigen, im Jahre 13 sich geschrieben denkt: „und noch kurz vor seinem Tode, als er sein Testament aufsetzte, begann er mit den Worten: Da ein grausames Schicksal usw.“
4. Die Zusätze des Augustus nach dem Jahre 23 v. Chr. 19
zur Datierung des Ereignisses, wie wir anderswo auch bei Nachträgen gern Et postea verwendet sahen. Auffällig ist, daB hier wie in den ältesten Teilen für Sesterz wieder die Abkürzung HS verwendet ist.') 3. In cc.22—23, den spät eingeschobenen Kapiteln von den Spielen, sind manche Zahlen auf den neuesten Stand gebracht worden, so IV 31 wohl guinquens (sic) und IV 38—39 der Relativsatz quos post id tempus deinceps insequentibus annis [s. c. mecum?) fecerunt co]n[su]les. Die Zahl der venationes (IV 41) stammt wahrscheinlich, da Ger- manicus im Jahre 12 v. Chr. noch eine solche gab, ergt von der Hand des Tiberius. Aus c. 23 erweist sich der Zusatz 43—44: in quo loco nunc nemus est Caesarum durch das Wörtchen nunc wohl als Nachtrag. 4. In c. 26 ist die Schilderung der Flottenexpedition des Tiberius vom Jahre 5 n. Chr. und ihrer Folgen in Gestalt der Gesandtschaften der Kimbern, Charuden und Semnonen (V 14—18) ein Einschub. Auf die Worte amicitiam meam et populi Romani gegenüber den früher geschriebenen amicitiam populi Romani in c:29 V 41 ist oben (8. 72) schon hingewiesen worden. Ebenso zeigen den späten Ursprung die ersten Worte classis mea (V 14), wozu die Worte exercitus meus in c.30 (V48) aus derselben Redaktion zu stellen sind?) gegenüber populi Romani exercitus im Anfang desselben Kapitels (V 44). Auch würde man die Erzählung von den Gesandtschaften, wenn sie kein Nachtrag wäre, in c. 31, das ausschließlich von Gesandtschaften handelt, erwarten. 5. In c. 27 ist der Schluß der Darstellung der armenischen Ver- hältnisse ein Nachtrag‘), der letzte Satz, falls Tigranes IV. wirklich um 11 n.Chr. auf den armenischen Thron gelangte®), erst von der Hand des Tiberius. 6. In c.28 stammt vielleicht der zweite Satz, der die Gesamt- zahl der italischen Kolonien enthält, erst aus der letzten Überarbeitung
1) Über die möglicherweise von Tiberius zugesetzten Worte aut plura 1II 38 ist oben S. 27 gehandelt worden.
2) Ergänzung von Richard Wirtz, Vorschläge zum Mon. Ancyr., Progr. Trier 1912, 8. 5.
8) Wenn wir unter Berücksichtigung dieser die eigene Person gegen früher ganz anders in den Vordergrund drängenden Ausdrucksweise den Schluß von c. 26 V 18—23 (Bericht über die Expeditionen gegen Äthiopien nnd Ara- bien) noch einmal ins Auge fassen, bleibt wegen der Eingangsworte sehr viel Wahrscheinlichkeit für meine oben (8. 58) schon berührte frühere Auffassung (Klio IV, 1904, 8. 98), daß diese Expeditionen, die für den Orient das Gegen- stück zu derjenigen des Tiberius im Occident vom Jahre 5 n. Chr. darstellen, bei der letzten Redaktion erst nachgetragen worden sind, um der Großtat des Tiberius etwas Eigenes gleicher Art an die Seite stellen zu können.
4) Vgl. darüber Fitzler-Seeck, R. E. X, Sp. 367f.
5) So Mommsen, R. g.* 8. 116f. und Gardthausen II 8 8. 764 Anm. 40.
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80 ll. Die Entstehungsgeschichte des Tatenberichts
durch Augustus. Die Erwähnung von Italien an dieser Stelle ist gerade- so auffällig, wie die Erwähnung der Einschmelzung der Statuen is urbe in c. 24, nachdem vorher von den Tempeln der Provinz Asien die Rede war. Die Worte vivo me deuten, wie schon bemerkt (s. 0.8.59), ebenfalls auf eine späte Abfassung hin, ebenso die Partikel autem, die geradeso in c.29 V 42 bei dem Nachtrag vom Jahre 2 auftritt.
7. In c. 30 ist mit ei postea der Zug gegen die Daker ins trans- danuvianische Gebiet nachgetragen, der wohl mit Mommsen ins Jahr 6 oder 7 n. Chr. zu setzen ist.’)
8. Nachtrag ist endlich das ganze c.33; denn es ist, wie früher (8.61) schon bemerkt, nicht chronologisch (der Partherthron ist 4/5 n. Chr., derjenige von Medien dagegen 20 v. Chr. besetzt worden), en nach sachlichen oder geographischen Gesichtspunkten (1. Parther, 2. Meder) angelegt. Auffällig ist die Form Artavazdis an dieser Stelle gegenüber Artavasdis V 26 u. 30 und Artabasi V 29.2) Daß der Nach- trag gerade hierher gestellt worden ist, liegt daran, daß die Einsetzung von Königen bei den alten Erbfeinden auf Bitten der fremden Gesandten, der principes earum gentium, eine Steigerung darstellt gegenüber dem- jenigen, was in c. 31 und 32 berichtet worden war.
Diese Aufzählung der spätesten Zusätze läßt nun die Frage, ob Augustus nur noch einmal an dem Berichte gearbeitet hat, und den Zeitpunkt dieser letzten Ergänzung, annähernd beantworten. Abge- sehen vom letzten Ereignis der armenischen Geschichte (c. 27) handelt es sich um Zusätze, die Taten aus den Jahren 4—7 n. Chr. betreffen. Danach ist eine ganz auffällige Lücke, die sich am besten wohl da- durch erklärt, daß Augustus nach dem Jahre 7 an dem Dokumente nicht mehr weitergearbeitet, vielmehr die Schlußredaktion dem Nach- folger überlassen hat, der dieallerwichtigsten Ereignisse aus den letzten Jahren nachgetragen und die Zahlen auf den neuesten Stand gebracht hat. Hierfür spricht auch — ohne als vollwertiger Beweis gelten zu wollen — der Schluß aus dem Schweigen des Schreibers über die Vorkommnisse aus den Jahren nach dem Jahre 7. Am auffälligsten ist das vollständige Übergehen des siegreichen Schlußkampfes gegen Pannonien in den Jahren 6—9°), sowie das Fehlen irgendeiner An- gabe über den Neubau und die Weihung des Concordiatempels durch
1) Res gestae? 8. 181f. Cn. Lentulus ist der Sieger (Florus II 28 u. 29), der dafür die Triumphalinsignien davontrug (Tac. ann. IV 44); die Zeit wird festgelegt durch Cassius Dio 55, 30, anders v. Premerstein, Jahreshefte des öst. arch. Instituts I, 1898, Beibl. 8. 166f.,; unbestimmt Gardthausen I 3, 8. 1181f.
2) Vgl. oben 8. 61, 6.
-,8) Vgl. Wilcken, Hermes 38, 1908, 8; 619.
IV. Der literarische Charakter der Inschrift 8
Tiberius am 16. Januar 10 n. Chr. und anderes mehr.!) Schon über die Ereignisse des Jahres 6 wird nicht in vollem Umfang berichtet?). Nach dem Dakerfeldzug in das transdanuvianische Gebiet, der mög- licherweise nicht in das Jahr 6, sondern erst ins Jahr 7 gehört, fehlt jede Notiz aus den unmittelbar folgenden Jahren. Daher bleibt auch von hier aus das Wahrscheinlichste, daß Augustus spätestens im Jahre 7 . zum letztenmal das Schriftstück zur Hand genommen hat. Darauf führt auch die früher schon behandelte Tatsache, daß in der Alters- angabe am Schlusse (VI 28) sepftuagensumum geschrieben ist, während sonst überall die Ordinalzahlen auf -simus endigen, und daß die klei- nere Ziffer der größeren nachgestellt ist. Denn wenn im Jahre 7 zum letztenmal am Dokument geschrieben war, so stand Augustus damals im 69. Lebensjahr und es war nötig, bei der nachträglichen Redaktion nicht nur die Einer, sondern auch die Zehner zu ändern.
So dürfte das Jahr 6 oder spätestens 7 als der Termin der letzten Redaktion des Dokumentes durch Augustus als der wahrscheinlichste
erwiesen sein.
IV. DER LITERARISCHE CHARAKTER DER INSCHRIFT
Seitdem Bormanns Grabschrifttheorie zur Ruhe gekommen ist, hat die Forschung auf den Standpunkt sich gestellt, daß die Inschrift etwas Singuläres darstelle, das nicht in eine Rubrik gebracht werden könne.®) Doch auch damit ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.)
Wer heute die Frage, welcher literarischen Gattung die Inschrift angehört oder wenigstens nahesteht, zu beantworten versuchen will, muß einmal von dem ersten Entwurf, der den Typus am reinsten wiedergibt, und zum zweiten von der Überschrift (index rerum gesta- rum oder res gestae), die schon mit dem ersten Entwurf entstanden ist und eigentlich nur für diesen paßt, ausgehen.
Daß die res gestae zum mindesten seit der Aufstellung der In- schrift vor dem Mausoleum als eigene Gattung unter diesem Titel vor- handen waren, beweist der Bericht bei Tacitus, ann. II 83 über den
1) Klio III, S. 75, Jos. Wilbelm a. a. O. S. 91ff.
2) Klio II, S. 74f.
8) G. Misch, Autobiographie I 8. 161, v. Wilamowitz, Hermes 21, S. 624, Internat. Wochenschr. I, 1907, Sp. 1106, O. Hirschfeld, Kl. Schr. 8.888, F. Blu- menthal, Wien. Stud. 86, 1914, S. 20 Anm. 2.
4) Walter Otto, Lit. Zentralblatt 1908 Nr. 40, Sp. 1287 spricht von der in der Inschrift zutage tretenden „Literaturgattung als einer solchen, die ihren Ausgangspunkt im Orient zu haben scheint“.
82 IV. Der literarische Charakter der Inschrift
Beschluß des Senates zugunsten des Germanicus nach dessen Tode, der auch inschriftlich, aber nur in geringen Resten, erhalten ist.'!) Die Ehrungen sind folgende:
1. Aufnahme seines Namens in das carmen saliare?),
2. eine sella curulis mit einem Eichenkranz darüber innerhalb der Plätze der Augustalen im Theater; vgl. SC zu Ehren des Drusus, Tiberius’ Sohn, CIL VI 31200b Kol. II Z. 13£.,
3. eine eburna effigies in der Prozession zur Einleitung der ludi cir- censes,
4. Bestellung eines Nachfolgers als flamen Augustalis und augur aus der gens Iulia,
5. Errichtung dreier arcus, nämlich in Rom, am Ufer des Rheins und in Syrien in monie Amano, alle drei cum inscriptione rerum gesta- rum ac moriem ob rem publicam obisse; im SC zu Ehren des Ger- manicus CIL VI 31199a Z.9 und 12 ist von alter Ianus, tertius Janus die Rede,
6. Errichtung eines sepulchrum Antiochiae, ubi crematus, also eines Kenotaphs, da die Bestattung der Asche im Mausoleum erfolgte, ebenso SC für Germanicus a Z. 17£.,
7. Errichtung eines tribunal, „einer Trauerbühne“, Epidaphnae, quo in loco vitam finierat, vgl. SC a. a. 0.2.18f, -
8. Anbringung seines Bildes auf einem durch Gold und Größe ausge- zeichneten Medaillon unter den Größen der Beredsamkeit in der palatinischen Bibliothek,
9. Benennung des cuneus iuniorum der Ritter im Theater als cuneus Germanici und die Bestimmung, daß bei der alljährlichen travectio
der iurmae equwitum an den Iden des Juli sein Bild vorangetragen
werden solle; ähnliche Bestimmung für Drusus CIL VI 31200 b Kol. I Z. 10ff.
Wie der letzte Punkt deutlich zeigt, haben wir hier die Ehrung des verstorbenen princeps iuventutis, wie sie sich unterdessen heraus- gebildet hatte, vor Augen. Nr. 2, 4 und 8 dagegen sind spezielle Ehrungen des Germanicus, 2 und 4 wegen seiner Stellung im Au- gustuskult, 8 wegen seiner Betätigung als Redner. Alles übrige ist übernommen aus der Ehrung, wie sie Drusus, dem Vater des Germa-
1) CIL VI 31199 = 911, ebenso Reste von dem SC. zu Ehren des im Jahre 23 verstorbenen jüngeren Drusus, Tiberius’ Sohn, CIL VI 81200 = 912.
2) Über die gleiche Ehrung des Augustus schon bei dessen Lebzeiten vgl. oben 8. 48. ;
IV. Der literarische Charakter der Inschrift 83
nicus, und den beiden Caesares, Gaius und Lucius, durch Augustus zu- teil geworden war. Als Ehren des älteren Drusus, Germanicus’ Vater, lesen wir nämlich bei Sueton, Claud. c. 3:
1. Errichtung eines honorarius tumulus durch das Heer am Rhein und zwar neben der ara Ubiorum!), da bestimmt wurde, daß alljährlich an einem bestimmten Tag, wohl dem Todestag des Drusus (14. Sept.), ein decursus militum und eine öffentliche supplicatio der Galliarum civitates bei dem Ehrenmal stattfinden sollte (= Nr. 6 des Ger- manicus),
2. Bau eines marmoreus arcus cum tropaeis via Appia, das an einer anderen Stelle Suetons (Claud. 46) kurz als monumentum Drusi be- zeichnet wird?) (= Nr. 5 des Germanicus),
3. Leichenrede durch Augustus selber mit der Bitte an die Götter, similes ei Caesares suos facerent sibique tam honestum quandoque exitum darent quam üli dedissent; vgl. dazu in Nr. 5 des Germani- eus die Worte des Tacitus ac mortem ob rem publicam obisse, die wohl den Schluß der res gestae des Germanicus darstellen,
4. ein von Augustus selber verfaßtes elogium in Versen für den tumulus des Drusus, worunter nur das in Nr. 1 erwähnte Ehrenmal ver- standen werden kann?°), ”
5. eine von Augustus selber verfaßte vitae memoria prosa oratione.
1) Die genaue Lokalisierung des Kenotaphs hat große Schwierigkeiten gemacht. Die einen suchten es in Mainz wegen der Angabe des Enutropius VII 13: Drusi qui apud Mogontiacum monumentum habet (Gardthausen I 3 S. 708, Jos. Wilhelm a. a. O. 8.49). Aber schon Mommsen (Röm. Gesch. V, S. 27 Anm. 1) hat die Gleichsetzung des bei Eutrop erwähnten Mainzer Monu- ments mit dem tumulus abgelehnt und für letzteren Vetera vorgeschlagen. Das Richtige hat Hirschfeld gesehen (Kleine Schr. S. 454 Anın. 3), und seine Ver- mutung hat durch den Fund eines marmornen Drususkopfes in der Nähe der Überreste der ara Ubiorum (unter der Kölner Kirche St. Marien am Kapitol) eine erfreuliche Bestätigung gefunden, vgl. darüber Joseph Poppelreuter in der Festschrift des Wallraf-Richartz-Museums der Stadt Cöln, 1911, 8. 104ff., bes. S. 118f. Es gab nur eine Stätte, wo das germanische Heer u